Die frühen Urwale Indopakistans

von Johannes Albers | cetacea.de | Essen | 25. Juli 2010

Pakicetus und seine Erforschungsgeschichte

Rekonstruktion des Pakicetus: ein Tier am Beginn der Walwerdung. Darstellung nach den 2001 publizierten Funden. Illustration von Carl Buell. Bildquelle: Thewissen

Das GEO-Magazin stellt in der Dezember -Nummer 2001 fälschlich den Sachverhalt so dar, als habe erst Thewissen durch einen Skelettfund die Gattung Pakicetus entdeckt.(14) Die Wahrheit ist eine andere:

Pakicetus attocki, 2001 in den Blickpunkt des Interesses gerückt, wurde ursprünglich 1980 von Robert West aufgrund eines linken Unterkieferastes mit einigen Zähnen und Zahnresten beschrieben.(14) Damals trug die Art noch den Namen Protocetus attocki und wurde damit einer Gattung zugerechnet, die man seit Beginn des 20. Jahrhunderts aus Ägypten kannte: Protocetus ist die Typusgattung der Familie Protocetidae, in der man lange Zeit alle besonders frühen und urtümlichen Archaeoceten (Urwale) zusammenfasste.
Eine differenziertere Einordnung ermöglichte ein Fund des französischen Paläontologen Jean-Louis Hartenberger von Dezember 1979. In der Kuldana-Formation Nordpakistans schlug er einen Stein auf, der an seiner Oberfläche einen kleinen Knochen zu enthalten schien. Der Knochen entpuppte sich als Kamm auf einem hervorragend erhaltenen Hinterschädel (18), auf den man 1981 eine neue Gattung und Art gründete: Pakicetus inachus.(19) Der gleichen Gattung konnte dann auch die attocki-Art zugeschrieben werden. Sie trägt ihren Namen nach dem Distrikt von Attock, der pakistanischen Stadt an der Mündung des Kabul-Flusses in den Indus.

In späteren Jahren fand man weiteres Material von Pakicetus: Zähne, Kiefer (auch mit Milchgebiss) und Ohrknochen.(20) Auch Zähne aus Nordindien werden Pakicetus zugeschrieben. Der Schädel ist im kompletten Zustand 30 – 35 Zentimeter lang gewesen und besaß eine nach vorn verlängerte Schnauze. Darin standen die Schneidezähne jeder Seite nicht nebeneinander, sondern bereits hintereinander wie bei späteren Walen auch. Dem Knochenbau nach zu urteilen, war ein Richtungshören unter Wasser noch nicht entwickelt.Pakicetus ist aus mündungsnahen Flussablagerungen bekannt und hat wohl nur flache Gewässer aufgesucht.(21) Etliche Jahre lang galt er als die geologisch älteste bekannte Walgattung. Wurde deren Alter aber zeitweise auf fast 52 Millionen Jahre geschätzt, so hat man es später auf gut 48 Millionen Jahre korrigiert.(17) Systematisch stand Pakicetusnoch lange in der Familie Protocetidae. Darin wurde 1990 eine besondere Unterfamilie Pakicetinae eingerichtet, die 1996 zur eigenständigen Familie Pakicetidae erhoben wurde.

Die Skelette von Pakicetus (links) und Ichthyolestes (rechts), puzzleartig zusammengesetzt. Mit Hammer zum Größenvergleich. Bildquelle: Thewissen

Bei den Pakicetus-Knochen, von denen 2001 die Thewissen-Gruppe berichtet, ist es denkbar, dass manche von ihnen vielleicht gar nicht von Pakicetus, sondern von Nalacetusstammen. Die Fußfunde zeigten, dass ein früher gefundenes, isoliertes Sprungbein (922) überhaupt nicht zu den Pakicetidae passt, wie man noch 1999 gedacht hatte.(2) Und das auffallend kurze Darmbein liefert Gingerich 2003 ein weiteres Argument dafür, dass Pakicetus schon stärker an das Wasserleben angepasst war, als die Thewissen-Gruppe 2001 glaubte. (45)

Neues gab es im Dezember 2009, als die Zahl der bekanntenPakicetus-Arten mit einem Schlag verdoppelt wurde: Eine Forschergruppe mit Thewissen beschrieb anhand von pakistanischem Zahn- und Kiefermaterial die Arten Pakicetus calcis und Pakicetus chittas.(61) Dabei war ein Unterkieferfragment von P. calcis früher versuchsweise alsGandakasia angesprochen worden. Die neuen Arten sind geologisch jünger als P. inachus und P. attocki, und nähern sich zeitlich bereits dem Ambulocetus an.