Deutschland holt alte Ägypter: Protocetus, Eocetus und Co.

von Johannes Albers | cetacea.de | Essen | 4. Oktober 2013

Deutsche Wal-Paläontologie in Ägypten zu Beginn des 20. Jahrhunderts

von JOHANNES ALBERS (letzte Änderung: 04.10.2013 )

Zahlreiche Urwale (Archaeoceti) sind aus Ägypten bekannt. Sie stammen aus dem Erdzeitalter des Eozän. Das ist die Zeit vor etwa 55 – 34 Millionen Jahren. Eine wichtige Rolle in der Erforschung ägyptischer Urwale spielten gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts neben Briten verschiedene Deutsche und ein Österreicher. Als klassische Fundgebiete sind zwei Gegenden wichtig: der Mokattam und das Fayum.

Kapitelübersicht:

  1. Arbeit am Mokattam
  2. Protocetus atavus
  3. Eocetus schweinfurthi
  4. Wale aus dem Fayum
  5. Druckversion (PDF; 6,5 MB)
Der Mokattam ist ein Gebirgszug östlich von Kairo mit 200 Metern Höhe. Dort fand man zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Fossilien von Protocetus atavus und Eocetus schweinfurthi. Auch andere Walreste stammen aus den eozänen Mokattam-Schichten, die oft mit dem Fayum parallelisiert werden.
Bild: Peter Albers

Der Mokattam ist ein Bergrücken mit steilen Felsklippen direkt östlich von Kairo. Er erreicht eine Höhe von 200 Metern und bietet eine Aussicht über die Stadt und das Niltal. Schon zur Zeit der Pharaonen gab es hier Steinbrüche. Die bedeutendsten Walfunde aus dem Mokattam entstammen dem mittleren Eozän und sind geologisch älter als die zahlreichen Wale des Fayum, die jüngeren Eozän-Schichten entstammen.

Das Fayum ist eigentlich eine ausgedehnte Flussoase rund 70 – 100 Kilometer südwestlich von Kairo. Sie enthält in einer Senke einen See. Zum Fayum zählt man aber auch angrenzende Wüstengebiete. Salzhaltiger Sand voller Muschelreste ist ehemaliger Meeresboden. Das Fayum ist eine Schatzkammer der Paläontologie: Während eozäne Meeresablagerungen z.B. Wale aufweisen, lieferten die darauf folgenden oligozänen Schichten u.a. bedeutende Funde von Primaten.

Arbeit am Mokattam

„Ueber den Mokattam bei Cairo ist mehr als über irgend einen anderen Berg Aegyptens geschrieben“ worden, rühmte der Geologe Max Blanckenhorn aus Pankow im Jahre 1900. Dabei nannte er selbst vom Mokattam bereits fossile Walreste. In den folgenden Jahren aber fand man dort die frühsten Wale, die bis dahin je entdeckt worden waren: weit über 40 Millionen Jahre alt.

Im Bereich der Steinbrüche des unteren Mokattam wirkte damals ein Fossiliensammler aus Nordböhmen, der ursprünglich Maurer gewesen war. Richard Markgraf, so sein Name, hatte sich zwischenzeitlich von den Steinen abgewandt und in Preßnitz (damals Österreich, heute in Tschechien) das Violinespielen erlernt. Er war, wie viele seinesgleichen, als Musikant durch die Welt gezogen. Ägypten wurde für ihn zur Endstation, als er infolge von Krankheit in Armut und Elend geriet. Eine glückliche Wendung nahm sein Leben gerade dadurch, dass auch ein anderer Mann in Ägypten stecken blieb:

Der Stuttgarter Paläontologe Eberhard Fraas wollte anno 1897 eigentlich für neun Monate nach Ost- und Südafrika reisen. Doch politische Schwierigkeiten machten ihm einen Strich durch die Rechnung, und er musste sich mit Ägypten begnügen. Dort traf er auf Richard Markgraf und half ihm mit finanzieller Unterstützung anderer Schwaben wieder auf die Füße. Fraas lehrte ihn das Fossiliensammeln am Mokattam, und fortan war Markgraf als Sammler für das Museum in Stuttgart tätig, später auch für die Museen in München, Frankfurt und New York.