Der Zahnwal in der Tabakstadt – Eosqualodon und seine Evolutionsstufe

von Johannes Albers | cetacea.de | Essen | 16. September 2012

Auch die Seekuh wurde nach Langewiesche benannt (Anomotherium langewieschei), doch wurde sie 1912 von dem Arbeiter Fritz Hüffmann entdeckt. Es ist eine entfernte Verwandte der ausgerotteten Stellerschen Seekuh. Vor ihrem Umzug in das neue Dobergmuseum musste sie eine gründliche Restauration durchstehen: Bei der Montage des Skeletts hatte man Unterkiefer und Rippen falsch angesetzt. Diesen Fehler wollte der neue Museumsleiter Michael Strauß nicht auf sich beruhen lassen.

Schon zur Zeit des „Steinzimmers“ im Gymnasium wurde auch am Walschädel gearbeitet. Es war wohl der Paläontologe Josef Felix Pompeckj, der die Knochen des linken Ohres entfernte. Er benutzte sie für seine Studie von 1922 über die Gehörknochen früher Wale. Später galten die Teile jahrzehntelang als verschollen, bis der Mainzer Professor Karlheinz Rothausen sie in der nachgelassenen Sammlung Pompeckjs im Naturkunde-Museum in Berlin/DDR identifizieren konnte. 1982 wurden die Stücke nach 60 Jahren mit dem Schädel in Westdeutschland „wiedervereinigt“, wie Rothausen sich ausdrückte. Es waren die Bulla tympanica (Paukenbein), das Petrosum (Felsenbein) mit darin festsitzendem Steigbügel und der Hammer des Mittelohres. In Bünde wurden die Knochen lose neben den Schädel gelegt.

Der Wal hat das gleiche geologische Alter wie der Patriocetusvon Uerdingen, ist aber schon weiter evoluiert. Das zeigt sich vor allem am fortgeschrittenen Stadium des „telescoping-Prozesses“, bei dem verschiedene Schädelknochen übereinander geschoben werden: Namentlich die Oberkieferknochen sind erheblich weiter auf den Hirnschädel aufgeschoben als bei Patriocetus.

Diese Überschiebungen sind durch die Rückwärtsverlagerung der Nasenöffnung initiiert, formen nach weit verbreiteter Theorie aber auch einen Schild, der die Ultraschalllaute des Zahnwals nach vorn reflektiert und dabei vom eigenen Ohr schützend abhält. Dass die Squalodontidae bereits Ultraschall nutzten, gilt nach Untersuchungen von Ohr-Fossilien als erwiesen. (Im Spiralgang der Schnecke ist die Basilarmembran beiderseits an Knochenlamellen befestigt. Je geringer der Abstand zwischen den Lamellen, desto höher der Ton, der an dieser Stelle registriert wird bzw. beim Fossil wurde.) Infolge des „telescopings“ hat der Schädel von Bünde im Schläfenbereich nur noch eine geringe Einschnürung um die Mittelachse. Bei Patriocetus war sie noch viel deutlicher ausgeprägt. Gegenüber Patriocetus stellt der Wal von Bünde die nächsthöhere Evolutionsstufe dar.

Rothausen fand aber in den 60er Jahren, dass der Schädel in Bünde immer noch urtümlichere Merkmale aufweist als die meisten anderen Squalodon-Arten, die geologisch auch jünger sind. Deshalb stellte er die neue Gattung Eosqualodon auf. Eos heißt „Morgenröte“, und so deutet der Name an, dass es sich um eine Frühform der „Haizähner“ handelt, die sich später im Erdzeitalter des Miozän noch weiter entwickelt haben. Dort sind bei Squalodon die Knochenüberschiebungen noch weiter vorangeschritten. Dabei ist die Nasenöffnung noch weiter nach hinten verlegt. Die Basis der Schnauze ist nicht mehr so breit gebaut wie bei der Frühform, und um das Gehörorgan verstärkt sich die Ausbildung von Lufthöhlen, die der akustischen Isolierung und damit dem verbesserten Hören dienen.

Seit 1968 heißt der Wal aus dem Doberg offiziell Eosqualodon langewieschei. In die gleiche Gattung stellte Rothausen auch eine Form aus dem Oligozän Norditaliens: Eosqualodon latirostris. Interessant sind die Unterschiede zwischen beiden Arten. Denn Rothausen glaubt unter den späteren Squalodon-Arten zwei Formgruppen ausmachen zu können: Die „bariensis-Gruppe“ schließt sich an Merkmale von E. langewieschei an, die „catulli-Gruppe“ an Eigentümlichkeiten von E. latirostris.