Ein Abriss über die fossilen Bartenwale

von Johannes Albers | cetacea.de | Essen | 27. August 2012

Vorderansicht des Plesiocetus in Krefeld. Der Wal liegt auf dem Rücken. Flache Verbreiterungen an den Unterkieferspitzen dienten dem festeren Zusammenhalt (mit Bändern) zwischen beiden Kieferästen. Dieses seltene Merkmal hat sich in der Evolution nicht durchgesetzt.
© Photo: J. Albers (Mit freundlicher Genehmigung des Geologischen Dienstes NRW)

Balaenopteridae

Die Furchenwale tragen ihren deutschen Namen nach den Kehlfalten, die sich bei der Nahrungsaufnahme ballonartig ausdehnen können.

Einblicke in den Übergangsbereich von den Cetotheriidae zu den Balaenopteridae erlauben in Deutschland drei gut erhaltene Bartenwal-Skelette aus dem Obermiozän von Groß Pampau in Schleswig-Holstein (östlich von Hamburg). Sie wurden 1984 – 1993 geborgen, und zwei von ihnen sind in Lübeck im Museum für Natur und Umwelt ausgestellt. Das dritte war 1994 – 1997 in der Greenpeace-Wanderausstellung „Die Welt der Wale“ zu sehen. Berühmt wurde eines der Lübecker Skelette als besterhaltener Bartenwal aus dem Tertiär Europas. Mit der Erforschung der Wale von Groß Pampau befasst sich OLIVER HAMPE.

Klar von den Cetotheriidae abzugrenzen ist bereits im Mittelmiozän vor ca. 14 Millionen Jahren Eobalaenoptera harrisoni, 2004 aus Virginia, USA beschrieben.

In Belgien wird die mittelmiozäne Gattung Mesocetus im Obermiozän durch vier Arten der Furchenwalgattung Plesiocetus abgelöst: P. brialmonti, P. burtini, P. dubius und P. hupschi.

Balaenoptera siberi im Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart. Der Wal kommt aus der Pisco-Formation Perus, einer der Gegenden Südamerikas, in denen manchmal sogar Barten fossil erhalten sind.
© Photo: J. Albers

In diese Gattung stellte OLIVER HAMPE 1996 auch ein obermiozänes Walskelett, das 1987 in der Niederrheinischen Bucht bei Kevelaer-Kervenheim gefunden wurde. Für eine Ausstellung von Dezember 2002 bis Ende März 2003 wurde es nach Berlin in den Martin-Gropius-Bau gebracht. Sonst liegt es im Haus des Geologischen Dienstes Nordrhein-Westfalen in Krefeld und kann dort besichtigt werden. Seine erhaltene Länge beträgt rund 6,5 Meter, doch fehlt ein Großteil des Schwanzes. Ungewöhnlich ist der gute Erhaltungszustand trotz einer Umlagerung in einer eiszeitlichen Stauchmoräne vor 250.000 Jahren.

Im Obermiozän begegnet man bereits der heute noch lebenden Gattung Balaenoptera. 1987 bargen HANS-JAKOB SIBER und PETE LARSON ein 8 Meter langes Skelett aus der Pisco-Formation Perus, die viele fossile Wale enthält. Das Skelett ist heute im Staatlichen Museum für Naturkunde in Karlsruhe ausgestellt. Ein Skelett der gleichen Art, 1989 von GIORGIO PILLERI als Balaenoptera siberi beschrieben, ist im Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart (Museum Schloss Rosenstein) zu sehen. Heute hat die Gattung im Blauwal, Balaenoptera musculus, eine gigantische Größe erreicht.

Fossiler Buckelwal Megaptera hubachi. Um 1922 in Chile ausgegraben und dem Berliner Museum für Naturkunde geschenkt, wurde er dort 1958 aufgestellt. Seine Beschreibung erschien 1983.
© Photo: J. Albers

Neben Balaenoptera zählt zu den Furchenwalen noch eine zweite lebende Gattung: Megaptera, heute vertreten durch den Buckelwal, Megaptera novaeangliae. Auch diese Gattung ist seit dem Obermiozän nachweisbar: 1922 beschrieb REMINGTON KELLOGG die Art Megaptera miocaena von Kalifornien. Um dieselbe Zeit grub der Deutsche HEINRICH HUBACH in Nordchile einen Wal aus, der heute dem unteren Pliozän zugeordnet wird und Megaptera hubachi heißt. Sein Skelett von 6 Metern Länge wird im Berliner Museum für Naturkunde gezeigt, stellenweise durch Gips ergänzt.

Eschrichtiidae

Schädel von Megaptera hubachi. Fehlende Teile sind mit Gips ergänzt, z.B. am Unterkiefer. An der Unterseite der Schnauze saß eine Seepocke (festsitzendes Krebstier), die den Wal wohl nach dessen Tod besiedelt hat. Entsprechend fand sich ein Muschelabdruck an einem Brustwirbel.
© Photo: J. Albers

Eine eigene Familie bildet unter den heutigen Bartenwalen der Grauwal, Eschrichtius robustus. Ihn wollte man eine Zeit lang von den Cetotheriidae ableiten, doch dazu passte es schlecht, dass fossile bzw. subfossile Belege für Grauwale nur gut 100 000 Jahre bis in das Eiszeitalter (Pleistozän) zurückreichen. Der pliozäne „Eschrichtius davidsonii“ aus Kalifornien erwies sich bei einer Revision von 1986 als Vertreter der Furchenwalgattung Balaenoptera. Umgekehrt: Als 1859 alte Grauwalknochen auf der schwedischen Ostseeinsel Gräsö (am Eingang zum Bottnischen Meerbusen) ausgegraben wurden, hielt WILHELM LILLJEBORG den Wal für eine Balaenoptera-Art. Heute gilt seine Beschreibung des Tieres als wissenschaftliche Erstbeschreibung des Grauwals, und man geht von einer engen Verwandtschaft zwischen Grauwal und Furchenwalen aus. Dafür sprechen auch molekulare Befunde.

Im Atlantikraum lebte der Grauwal noch bis in die frühe Neuzeit. Heute ist er hier ausgestorben und existiert nur noch im Pazifik.