62. Jahrestagung der Internationalen Walfangkommission (IWC) in Agadir (Marokko), 21. – 25. Juni 2010: Schwerpunkte und Ergebnisse

von | cetacea.de | Essen | 27. Juni 2010

Das seit 1986 weltweit gültige IWC-Moratorium für kommerziellen Walfang bleibt weiterhin aufrecht, aber im Eingeborenen-Subsistenzwalfang erhält Grönland nun das Recht zur Jagd auf Buckelwale. Damit gibt es in Agadir einen wichtigen Sieg für die Walschützer und einen für die Walfänger.

von JOHANNES ALBERS

Verhandlung über den „Deal“

Buckelwal vor Grönland auf Tauchgang, © Ludovic Hirlimann

Die IWC konnte sich nicht auf einen zweifelhaften Kompromissvorschlag einigen, der die Gegensätze zwischen Walfang- und Walschutzländern überbrücken sollte. Dieser sogenannte „Deal“ hätte das bisherige Unterlaufen des Moratoriums durch Japan, Norwegen und Island für 10 Jahre in offizielle IWC-Quoten umgewandelt, und das Moratorium damit de facto aufgehoben. Nach Agadir will die IWC mit ihren 88 Mitgliedsstaaten nun eine Verschnaufpause einlegen und 2011 weiter verhandeln.

Zur Ausarbeitung des „Deals“ hatte sich bereits im März eine „kleine Arbeitsgruppe“ aus mehreren IWC-Mitgliedsstaaten zusammengesetzt. Im April stellte die IWC den Entwurf dann öffentlich vor. In Agadir jedoch wurden Verhandlungen über den „Deal“ wieder geheim geführt: Kurz nach Eröffnung der Jahrestagung wurden die Medien und alle Nichtregierungsorganisationen für anderthalb Tage vor die Tür gesetzt. Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit begleiten zwar in den letzten Jahren das Bemühen der IWC um einen Kompromiss, doch ein so langes Aussperren auf einer Jahrestagung steht ohne Beispiel da und wirft Fragen nach der demokratischen Kultur und Transparenz in der IWC auf.

Der „Deal“: ein fauler Kompromiss

Der „Deal“ wollte Japans Jagd im Walschutzgebiet der Antarktis absegnen, und auch den Fang gefährdeter Arten wie des Finnwals. Dafür sollte andererseits ein neues Walschutzgebiet im Südatlantik entstehen, und die IWC sollte Kontrolle über jene Jagdaktivitäten erhalten, die derzeit in nationalen Alleingängen Japans, Norwegens und Islands juristische Schlupflöcher im Moratorium ausnutzen. Diese Schlupflöcher sollten gestopft werden. Die IWC-Spitze betonte, der „Deal“ würde in kommenden Jahren 3.200 Walen weniger das Leben kosten als das Fortfahren nach bisheriger Praxis. Die IWC könne sich dann, statt jedes Jahr neu um Quoten zu streiten, endlich stärker mit den übrigen Gefahren für Wale befassen, wie Beifang in der Fischerei, Abfischen der Walnahrung, Verlärmung, Verschmutzung und Vermüllung der Meere, Schiffskollisionen und Klimawandel etc.

Walschützer hielten dagegen, der „Deal“ könne auch Südkorea zur Rückkehr zum Walfang ermuntern, das bisherige Moratorium habe Hunderttausenden Walen das Leben gerettet, und deshalb sei es trotz seiner Lücken (mit 33.000 erlegten Großwalen seit 1986) nach wie vor der beste Schutz für die Wale. Der „Deal“ hingegen öffne die Tür zu einem künftigen Walfang im großen Stil, zumal die Quoten zwar im Laufe der 10 Jahre gesenkt, aber nicht bis auf Null heruntergefahren werden sollten. Daher bleibe unklar, wie es nach 10 Jahren weitergehen solle. Es drohe dann eine Walfang-Expansion.

Unterstützer und Gegner des „Deals“

Die bisherigen Walschutzländer Neuseeland und USA unterstützten den „Deal“. Einen hartnäckigen Gegner fand er in Australien, das im Vorfeld der IWC-Jahrestagung sogar Japan wegen dessen Walfang beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag verklagt hatte. Als Block für den Walschutz traten die südamerikanischen Nationen auf. Die EU hingegen tat sich bis kurz vor Beginn der IWC-Tagung schwer mit der Formulierung einer einheitlichen Position: Dänemark und Schweden zeigten sich walfangfreundlich, andere Länder wie Großbritannien als strikte Verfechter des Moratoriums.

Deutschland, selbst an der Ausarbeitung des „Deals“ beteiligt, rang sich im Vorfeld der Tagung zu der Haltung durch, den Kompromissvorschlag in der vorliegenden Form nicht unterstützen zu können. Darauf verständigten sich dann auch die übrigen EU-Staaten. Insofern steht zwar Deutschland auf der Erfolgsseite, doch die EU braucht dringend ein besseres politisches Walschutz-Management.

Haltung der Walfangländer

Das Walfangland Island lehnte einen Vorstoß der USA ab, in dem „Deal“ ein Verbot des internationalen Handels mit Walprodukten zu verankern. Norwegen betonte, die IWC sei für Fragen des internationalen Handels gar nicht zuständig. Japan drohte sogar mit einem Austritt aus der IWC.

Eingeborenen-Subsistenzwalfang

Diese Walfang-Kategorie, zur Selbstversorgung und Kulturpflege indigener Völker, unterliegt nicht dem Moratorium. Die IWC vergibt hier „Blockquoten“, die sich über mehrere Jahre erstrecken. Die USA erstrebten die Einbeziehung dieses Walfangs in den „Deal“. Nachdem der beiseite gelegt war und man sich eigentlich geeinigt hatte, in dem betreffenden Themenfeld keine neuen Anträge mehr vorzubringen, wollten die USA doch mit einem neuen Antrag eine Streckung der Zeiträume erreichen, für die Eingeborenen-Quoten vergeben werden. Mit all diesen Bemühungen wollten die Amerikaner bewirken, dass nicht mehr so häufig wie bisher über den Walfang der Alaska-Eskimos diskutiert wird.

Die USA korrigierten in einem Papier über diese Jagd Fehler aus einem Vorgänger-Papier von 2009, in dem manche Fänge einem falschen Jahr zugeordnet waren. Korrekte Daten sind nötig, um zu bestimmen, wie sich der Jagderfolg über die Jahre hinweg entwickelt. Das Auftreten von Fehlern in offiziellen Dokumenten ist keine Empfehlung für einen lascheren Umgang mit solchem Walfang.

Russland berichtete, 2009 hätten Sibirier 115 Grauwale erbeutet, von denen sich 6 als ungenießbar erwiesen. Von ihnen wurden Proben zur Untersuchung genommen. Das Problem ungenießbarer Wale vor Sibirien („Stinker“) zieht seit Jahren die Aufmerksamkeit von IWC und Wissenschaftlern auf sich.

Buckelwale für Grönland

Ursprünglich hatte Dänemark für die Grönländer 10 Buckelwale pro Jahr beantragt, neben den bereits bewilligten 212 Zwerg-, 19 Finn- und 2 Grönlandwalen. Zudem fängt Grönland ca. 4000 Kleinwale. Unterstützt wurde Dänemark von den USA. Gegner waren Australien, die Südamerikaner und Monaco. Die EU schlug eine Kompromisslösung vor, gegen die sich Deutschland, Großbritannien und Luxemburg zunächst zu stemmen suchten. Aber schließlich nahm die IWC den Kompromiss nach folgender Formel an: Grönland erhält pro Jahr 9 Buckelwale, verzichtet dafür aber auf 9 der 19 bewilligten Finnwale und auf 22 Zwergwale. Die Walschützer betonen, der Antragsteller habe keinen Subsistenzbedarf an Buckelwalen belegt, aber Walfleisch werde in Grönland auch kommerziell genutzt und z.B. in 4-Sterne-Hotels den Touristen serviert. Somit werde durch die Hintertür der Sonderregeln für indigene Völker eine Verbreitung von faktisch kommerziellem Walfang gefördert.

Erhaltungskomitee

Dieses IWC-Gremium, das Wal-Gefährdungen jenseits der Jagd behandelt, befasste sich 2010 mit Kollisionen zwischen Walen und Schiffen. Wichtige Koordinierungsarbeit dazu leistete Belgien. Die IWC kooperiert zu diesem Thema auch mit der Internationalen Schifffahrtsorganisation (IMO).

Die IWC-Arbeit auf derartigen Feldern ist umso wichtiger, als nur 10 Prozent aller Wale, die durch menschliche Einwirkung sterben, dem direkten Walfang zum Opfer fallen. Ziel der IWC, die ihren eigenen Weg in die Zukunft noch sucht, sollte es deshalb sein, sich von einer Walfangorganisation zu einer dezidierten Walschutzorganisation zu entwickeln. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen aber die Walschutzstaaten in der IWC ihre Kräfte besser bündeln und einbringen, als es bisher der Fall ist.

Der Cetacea.de Autor Johannes Albers ist nicht nur Spezialist für fossile Wale, sondern auch Walfangexperte. Er hat für Greenpeace und Cetacea.de zusammenfassende Berichte über die IWC Konferenzen geschrieben (IWC 61 – 2009IWC 60 – 2008).
Herzlichen Dank an Ludovic Hirlimann für die Verwendung seines Buckelwal-Bildes.