Die Wale von Linz in Österreich

von Johannes Albers | cetacea.de | Essen | 31. Dezember 2009

Die ersten beiden Schädel – und dann waren es drei

Abb. 4: Patriocetus ehrlichii. Der Schädel von 1910 (OL 1999/3a) in Seitenansicht. Dieses Exemplar ist insgesamt besser erhalten als der Holotyp. Nicht mit im Bild ist der ebenfalls gefundene Unterkiefer (OL 1999/3b). (Foto: Oberösterreichische Landesmuseen.)

Kehren wir nun zu den beiden ersten Linzer Walschädeln zurück: Sie behandelt van Beneden 1865. Er trennt sie von dem französischen Squalodon Grateloupii ab als eine neue, eigene Art Squalodon Ehrlichii, die massiver gebaut ist. Benannt ist sie nach Kustos Carl Ehrlich.

1867 liefern Arbeiter der Linzer Sandgrube ein Kieferfragment mit Backenzahn sowie zwei isolierte Backenzähne ab. Die Stücke werden von Eduard Sueß 1868 zu Squalodon Ehrlichi gestellt. Anders als die Schädel, werden sie aber nicht in Linz aufbewahrt, sondern in Wien. Dort wird 30 Jahre später als Assistent von Sueß der nachmals berühmte Othenio Abel anfangen.

Zunächst aber trennt Brandt 1874 den zweiten Linzer Schädel von Squalodon Ehrlichii als fragliche eigene Art ab: Squalodon incertus? (incertus heißt unsicher). Das ist der erste Schritt zur späteren Trennung der beiden Schädel sogar in verschiedene Gattungen durch den Wiener Othenio Abel.

Abb. 5: Patriocetus ehrlichii. Der Schädel von 1910 (OL 1999/3a), Oberseite. Trotz weitgehender Vollständigkeit sind Detailbeobachtungen erschwert durch die Bedeckung mit fest anhaftendem Sediment. (Foto: Oberösterreichische Landesmuseen.)
Abb. 6: Patriocetus ehrlichii. Der Schädel von 1910 (OL 1999/3a), Unterseite. Diese Ansicht verglich Anton König 1911 mit einem Weißwal und bemerkte so die Ähnlichkeit mit Zahnwalen. (Foto: Oberösterreichische Landesmuseen.)

Derweil wurde das alte Museumsgebäude in Linz zu klein. Ein Neubau des Francisco-Carolinum an der Museumstraße wird 1895 eröffnet. Heute beherbergt dieses Bauwerk die Verwaltung der Oberösterreichischen Landesmuseen und die Landesgalerie. Dort untersucht erstmals 1903 Othenio Abel den ersten Linzer Schädel von 1841. Fehlende Teile und schlechter Erhaltungszustand halten ihn aber von bestimmten Schlüssen ab.

1907 verweist der Amerikaner Frederick William True in einer Arbeit über den fossilen Schädel von Agorophius pygmaeus aus den USA auf Ähnlichkeiten mit Squalodon Ehrlichii: Dessen Vorläufer könnte ein enger Verwandter von Agorophius pygmaeus gewesen sein. Diese Denkrichtung macht später Schule.

Doch zunächst kommt neues Material ans Tageslicht: An der Basis der weißen Strandsande des Bauernberges findet man 1910 einen neuen Schädel (Abb. 4, 5, und 6), der in viele Teile zerfallen ist. Baudirektor Kempf schenkt ihn dem Francisco-Carolinum, wo Gymnasialprofessor Anton König ihn wieder zusammensetzt. Der bestimmt ihn 1911 korrekt als die selbe Art wie der erste Schädel: Squalodon Ehrlichii. Dieser neue Schädel ist aber kompletter überliefert, auch mit dem linken Unterkieferast. Die Gesamtlänge des Tieres schätzt König auf 5 Meter.

Der neue Fund lockt im Januar 1912 wieder Othenio Abel nach Linz, wo er den Schädel untersucht. Für genauere Studien lässt er sich das Stück nach Wien schicken. Seine Ergebnisse trägt er zunächst am 20. März 1912 der Sektion für Paläontologie und Abstammungslehre in der kaiserlich-königlichen zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien vor (gedruckt erst zwei Jahre später). 1912 erscheint das Wichtigste bereits beiläufig in den Sitzungsberichten der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Dort legt Abel dann seine ausführlichen Ergebnisse am 24. April 1913 vor; sie erscheinen in den Denkschriften der Akademie als umfangreiche Studie.