Eurhinodelphis & Co. – Wale mit Speerschnauze

von Johannes Albers | cetacea.de | Essen | 10. November 2008

Eurhinodelphis bossi aus USA: Ein Wettlauf zwischen Gut und Böse

Bild 6: Ein Eurhinodelphis bossi erodiert 2001 aus den Calvert Cliffs, USA. Foto: Jayson Kowinsky

Reichhaltiges Fundgut aus dem Mittelmiozän bietet an der Küste Neuenglands die Calvert-Formation. Freilich ist in den berühmten Calvert Cliffs eigenmächtiges Graben verboten. Welche Probleme es trotzdem damit gibt, illustriert folgender Bericht, der sich auf einen preisgekrönten Internet-Artikel von Paul Murdoch stützt.

Ende Mai bis Anfang Juni 2001 grub das Calvert Marine Museum (Solomons, Maryland) an der Westküste der Chesapeake Bay einen fossilen Bartenwal aus. Dabei wurde das Team durch Pam Platt, dem Museum seit langem als freiwillige Hilfskraft verbunden, auf die Wirbelreihe eines zweiten Wals aufmerksam gemacht, die seit einiger Zeit etwas weiter südlich aus der Felswand erodierte. Als das Team sich die Sache am nächsten Tag ansehen wollte, gab es eine böse Überraschung. Über Nacht waren alle sichtbaren Teile des Tiers herausgehackt und entfernt, oder arg beschädigt worden: Raubgräber!

Bild 7: Bergung des Eurhinodelphis bossi: Der Fels um das Fossil wurde ausgehöhlt, das Skelett selbst mit Gips ummantelt. Foto: Stephen Godfrey.

Paul Murdoch, ein Grabungshelfer des Museums, begutachtete die Fundstelle Ende September 2001, als die Erosion inzwischen weitere Wirbel, Rippen und ein Schulterblatt freigelegt hatte. Er kehrte eine Woche später mit dem Museumsangehörigen Stephen Godfrey zurück. Mittlerweile waren wieder Wirbel und Epiphysenplatten geraubt worden. Dieses Treiben wiederholte sich nochmals, bis im Oktober die offiziell genehmigte Grabung des Museums beginnen konnte. Die führte nach zwei Tagen zur Entdeckung des Schädels, dessen Schnauze tief in den Fels hineinragte. In tagelanger Arbeit legte man das Tier mit seinem unmittelbaren Steinbett frei und transportierte es in zwei separaten Blöcken per Boot ab. So konnte der Wal nach Millionen von Jahren noch einmal das Meer durchstreifen.

Bild 8: Eurhinodelphis bossi in der Präparationswerkstatt des Calvert Marine Museum. Foto: Paul Murdoch Jr.

Es ist ein gut erhaltener Eurhinodelphis bossi, von dem man auch ein (bei Zahnwalen sehr zartes) Jochbein geborgen hat. Einige der entwendeten Teile wurden sogar durch einen Sammler dem Museum geschenkt, nachdem die offizielle Grabung den Fund bekannt gemacht hatte. So gelangten sie zurück zu dem ihnen gebührenden Platz. Doch auf dem Hintergrund der kriminellen Raubgräberei stellt sich ein mulmiges Gefühl ein, wenn etwa ein kommerzieller Fossilienhandel im Internet das Angebot eines Eurhinodelphis-Wirbels aus der Calvert-Formation in Maryland, USA unterbreitet.

Bild 9: Der fertig präparierte Schädel des Eurhinodelphis bossi. Foto: Paul Murdoch Jr.

Hier ist freilich zu betonen, dass Eurhinodelphis bossi die vielleicht häufigste Walart der Calvert-Formation ist. Und längst nicht alle Funde sind so prächtig wie das Tier von 2001. Bei seiner Ausgrabung fand man in der Umgebung verstreut auch einzelne Wirbel eines anderen kleinen Zahnwals, der vermutlich ebenfalls durch Erosion aus der Felswand herausgetreten war. Eurhinodelphis bossi wird etwa 2,7 Meter lang (allein der Schädel gut 1 Meter) und hat im Leben wohl um die 400 kg gewogen.