Wale können sich nicht wehren

von | | | 11. Januar 2006

Moderner Walfang

Norwegen kann mit Recht darauf verweisen, den »Neuzeitlichen Walfang« ins Leben gerufen zu haben. Durch Erfindung und Perfektionierung der Harpunenkanone des Norwegers Svend Foyn 1864–1870 und den Einsatz von Dampfmaschinen wurde es ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts möglich, Furchenwale (Balaenopteridae), wie Finn- (Balaenoptera physalus), Blau- (B. musculus), Sei- (B. borealis und B. schlegellii), Bryde’s (B. brydeiund B. edeni) und Zwergwale (B. acutorostrata), nicht nur abzuschießen, sondern auch zu bergen. Wegen ihrer relativ dünnen Speckschicht sinken diese schnellen Wale nach dem Harpunieren meist auf den Meeresgrund und wurden vor Beginn des neuzeitlichen Walfangs selten bejagt. Mit Hilfe des Sprengkörpers der Granatharpune, der im Walkörper explodiert, wird der Wal mit Druckluft aufgepumpt – und »schwimmfähig« gemacht.

Walfangstatistik von JOHN HORWOOD (1990)Abb. 2: Wie die Fangstatistik von JOHN HORWOOD (1990) in antarktischen Gewässern zeigt, wurde eine Art nach der anderen an den Rand der Ausrottung bejagt.

Die ersten Opfer des modernen Walfangs waren, neben Entenwalen (Hyperoodon ampullatus), besonders Blau-, Finn- und Buckelwale. Buckelwale (Megaptera novaeangliae) sind zwar auch nicht besonders schnell, ihre Kadaver sinken aber auch auf den Meeresboden. Bald kamen Sei- und Pottwale hinzu. Und gegen Ende der 1920er Jahre hatten zunächst die Norweger die neun MeterZwerge unter den Bartenwalen, die Zwergwale oder »Minkies«, für ihre Harpunen entdeckt (Tab. 1).

Während sich der Walfang im Norden mit den letzten Walen selbst ruinierte, rüsteten die Flotten gen Antarktika. Sie nutzten die Überfahrt und schröpften im antarktischen Winter weiter die arktischen Fanggründe bzw. füllten auf der Fahrt zwischen den Hemisphären ihre Fässer. Wichtigster »Lieferant« während der »Südseefischerei« von Pol zu Pol war der Pottwal (Physeter macrocephalus). Wie der Vergleich der Fangzahlen im Verlauf der Walfanggeschichte verdeutlicht, ist der Walfang im Südpolarmeer nicht zu überbieten (Abb. 2). In kaum achtzig Jahren wurden weit mehr Wale getötet als in dreihundert Jahren im Nordpolarmeer. Die ersten Opfer in der Südlichen Hemisphäre waren neben Pottwalen und Buckelwalen die nächsten Verwandten der Nordkaper, die Südkaper (Eubalaena australis) oder Südlichen Glattwale entlang der gemäßigten Breiten des Südpolarmeeres. 1904 wurde bei South Georgia auf antarktischem Festland die erste Landstation »Grytviken« zum Abspecken gebaut. Sechs weitere folgten auf den Süd-Shetland-Inseln, Süd-Orkneys und den Sandwich-Inseln. Ab 1905 wurde durch die Fetthärtung ein Verfahren entwickelt, Walöl nicht nur zu technischen Zwecken, sondern auch für die menschliche Ernährung zu nutzen. 1925 arbeitete die erste schwimmende Kocherei mit Heckaufschleppe und brachte den großen Durchbruch: Von nun an war es nicht mehr nötig, die Wale zur Verarbeitung an Land zu schleppen. Schlachtfeld und Schlachthof, Männer und Maschinen arbeiteten rund um die Uhr: In den Nächten wird es im antarktischen Sommer kaum dunkel; die Wale können nicht fliehen, immer wieder müssen sie hoch, müssen atmen, und weithin sichtbar ist ihr Blas.