Wie trinken Wale?

Frage zur Physiologie der Wale:

Leonard und Ully Kraut aus Hamburg stellten über wer-weiss-was am 16.9.2001 folgende Frage:

mein Sohn & ich möchten gerne wissen, wie Wale trinken, d.h. (Trink-)Wasser zu sich nehmen!

Antwort von cetacea.de:

Die meisten Wale leben im offenen Meer, das aus Salzwasser unterschiedlicher Konzentration (im Mittel 3,5%, 535 mmol liter-1) besteht. Für uns Menschen ist Meerwasser als Trinkwasser unverträglich. Jeder Schluck Salzwasser würde aufgrund des Salzgehaltes einen noch grösseren Durst nach sich ziehen.

Wale sind als Säugetiere mit uns verwandt und müssen im Körperinnern auch einen sogenannten isotonischen Salzgehalt (etwa 0,9%) erhalten, der weit unter dem Salzgehalt des Meerwassers liegt. Bis auf die Flussdelphine, die in einer Süsswasserumgebung leben, können Wale nicht einfach an Trinkwasser herankommen, von dem sie trinken.

Man könnte annehmen, dass es verborgene Süsswasserquellen unter Wasser gibt, zu denen die Wale schwimmen, um dort zu trinken. Solche Quellen gibt es. Aber diese kommen viel zu selten vor, um eine verlässliche Süsswasserquelle darzustellen. Deshalb hat die Evolution eine andere Süsswasserquelle für die Walegefunden, die auf offener See leben.

Zunächst muss man wissen, dass Wale und Delphine aufgrund Ihrer gewaltigen Fettschicht (Blubber), nur einen relativ geringen Körperwasseranteil haben, der im Flüssigkeits-Gleichgewicht gehalten werden muss. Menschen haben etwa 60% Körperwasser, während Grosse Tümmler (Tursiops truncatus) nur ca. 37% Körperwasser haben.
Das Wasser, das in den Beutetieren enthalten ist, kann als Trinkwasser dienen. Fische haben einen niedrigeren Salzspiegel im Körper als das sie umgebende Meereswasser. Auch Fett und Protein kann zu einem gewissen Maße im Körper zu Wasser verstoffwechselt werden. Allerdings erfordert der hohe Proteinreichtum der Beutefische durch entsprechende Harnstoffproduktion wiederum eine Ausscheidung über den Urin, wo auch wieder Wasser ausgeschieden wird.

Trotzdem ist von Cetaceen in Gegensatz zu anderen Meeressäugern bekannt, dass diese auch gewisse Mengen Salzwasser aufnehmen (HUI 1981). Da kommen dann die physiologischen Leistungen der Tiere ins Spiel. Die Niere ist in der Lage einen stärker konzentrierten Harn herzustellen, trotzdem ist der Harn, wie oft gemessen wurde, nicht immer stark konzentriert (RIDGWAY 1972).
Bei COSTA (2001) findet sich eine Tabelle, in der der Salzwasserkonsum verschiedener Cetaceen angegeben ist. Mit Hilfe von Wasser, dass durch Isotopen markiert worden ist, konnten so genaue Ergebnisse erzielt werden.

Langflossen-Grindwal (Globicephala melas) 2,7 l Salzwasser pro Tag
Grosser Tümmler (Tursiops truncatus) 7,4 l Salzwasser pro Tag
Gewöhnlicher Delphin (Delphinus delphis) 0,7 l Salzwasser pro Tag

GASKIN (1986) hat beschrieben, dass die Haut eine entscheidende Rolle spielt. Die Haut funktioniert danach als semipermeable (=halbdurchlässige) Membran, durch die zwar Wasser in das Tier gelangen kann, aber kein Salz durchgelassen wird. Diese Untersuchung wird von anderen Autoren allerdings nicht mehr berücksichtigt.

Es ist sogar erforscht worden (THEWISSEN et al. 1996), wann die Wale entwicklungsgeschichtlich begonnen haben, Salzwasser aufzunehmen. Der Wal Ambulocetus hat z.B. noch Süsswasser aufgenommen. während Indocetus schon salziges Meereswasser zu sich nahm. Beides sind Urwale, von denen uns heute nur Fossilien vorliegen.

Eine genaue Angabe über den Wasserhaushalt aller Wale gibt es leider nicht, da es zwischen den einzelnen Arten einige Unterschiede gibt. Die Kombination aus Wasser über die Nahrung mit gelegentlicher Salzwasseraufnahme steht an erster Stelle. Die spezielle Leistung der Haut in Bezug auf den Flüssigkeitshaushalt der Wale erfordert noch weitere Untersuchungen.

 

LITERATUR

COSTA, D. P. (2001):
Osmoregulation.
in: PERRIN, W. F., B. WÜRSIG und J. G. M. THEWISSEN (Hrsg.):
Encyclopedia of Marine Mammals.
Academic Press, San Diego, S.

GASKIN,D. E. (1986):
Kidney and water metabolism.
in: BRYDEN, M. M. und R. HARRISON (Hrsg.):
Research on Dolphins.
Clarendon Press, Oxford, S. 129–148

TELFER, N., L. H. CORNELL und J. H. PRESCOTT (1970):
Do dolphins drink water?
Journal of the American Veterinary Medical Association 157, S. 555-558

HUI, C. A. (1981):
Seawater consumption and water flux in the common dolphin Delphinus delphis.
Physiological Zoology 54, S. 430–440

RIDGWAY, S. H. (1972):
Homoeostasis in the Aquatic Environment.
in: RIDGWAY, S. H. (Hrsg.):
Mammals of the Sea, Biology and Medicine.
Charles C. Thomas, Springfield, Illinois, USA, S. 590– 747

THEWISSEN, J. G. M., L. J. ROE, J. R. ONEIL, S. T. HUSSAIN, A. SAHNI und S. BAJPAL (1996):
Evolution of cetacean osmoregulation.
Nature 381(6581), S. 379–380
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© Jan Herrmann (2005)