Buckelwal setzt seine Ostseereise fort

von | cetacea.de | Wittmund | 17. August 2008

Nach vielen Tagen rund um Rügen hat der Buckelwal nun die schleswig-holsteinische Ostseeküste besucht. Kommt er dem rettenden Ausgang aus der Ostsee näher? Kann man ihm helfen, in die Nordsee zu gelangen?

Buckelwal vor Alaska, © Tony Hisgett

Als am Freitagmorgen vor Timmendorfer Strand ein Buckelwal gesichtet wurde, kam wieder Wellengang in der deutschen Medienlandschaft auf. Der Kappelner Walexperte Dr. Andreas Pfander (www.schweinswale.com) informierte uns über die Sichtung eines Buckelwales vor Niendorf. Das Wal-erfahrene Team der Travemünder Wasserschutzpolizei war ausgefahren und hatte den rund zehn Meter langen Wal beobachtet. Die Bilder wurden dem dänischen Walexperten Carl Kinze, Ph.D. (Wal und Mensch Gast 2003) zugespielt. Er fand anhand von Strukturen auf der Finne Unterschiede zum Rügener Wal. Wie ein Lauffeuer ging es durch die Presse: Es gebe nun zwei Buckelwale in der Ostsee.

Die vorhandenen Photos waren aber keine professionellen Sichtungsphotos wie Wissenschaftler sie anfertigen, um Wale zu erforschen. Das Stralsunder Meeresmuseumsteam um den Museumsdirektor Dr. Harald Benke (Wal und Mensch Gast 1992) schlug sich die Nacht um die Ohren und fand doch eine bei beiden Walen gleichermaßen dokumentierte Narbe. Das überzeugte auch Carl Kinze: Der Rügener und der Lübecker Wal sind ein und derselbe (NDR).

Gegenüber dpa erläuterte Benke, dass die neuen Bilder ausserdem zeigen, dass der Wal noch weiter abgemagert sei. Schon auf den ersten Photos aus Rügener gewässern sah der Wal recht dünn aus, nun sei der Rücken des Wales deutlich eingefallen.

Der Weg des Buckelwales in der Ostsee

Kann man den Wal aus der Ostsee leiten?

Kann man dem Wal nun helfen, den Ausweg aus der Ostsee zu finden? Lässt er sich locken mit Buckelwalgesängen? Lässt er sich treiben mit Schwertwallauten? Antwort gibt vielleicht eine aktuelle Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Aquatic Mammals. Letztes Jahr im Mai hatte sich eine Buckelwalkuh mit Kalb gehörig verschwommen. Am 15. Mai wurde das Paar über 130 Kilometer landeinwärts im kalifornischen Sacramento River bei Port Sacramento gesichtet.

Es war klar, dass dieser Ausflug tödlich enden könnte, wenn die Tiere nicht den Weg zurück in den Pazifik finden würden. So wurden verschiedene Methoden ausprobiert, die Buckelwale stromabwärts zu treiben.

Bis zum 20. Mai 2007 wurden Buckelwallaute ausgesendet, die beim Fressen und bei sozialen Interaktionen auftreten. Ohne Erfolg. Vom 21. bis zum 23. Mai wurden von Booten ins Wasser hängende Stahlrohre mit Hämmern geschlagen. Diese Technik wird von japanischen Delphinfängern ausgeführt, um die schallempfindlichen Delphine in die Fangbuchten zu treiben. Bei den Buckelwalen hatte das keinen Erfolg.

Am 23. Mai kam eine Methode zum Einsatz, die schon vorher erfolgreich eingesetzt wurde, um bedrohte Nordkaper umzuleiten: Schwertwallaute beim Jagen eines Grauwales. Aber auch dieser Versuch schlug fehl. Am 25. Mai wurden schließlich die Tiere immer dann mit Wasser aus einem Feuwerwehrschlauch bespritzt, wenn Sie in die falsche Richtung schwimmen wollten. Auch diese Maßnahme blieb ohne deutlichen Erfolg.

1985 war schon einmal ein männlicher Buckelwal den gleichen (Irr)weg geschwommen. Er ließ sich scheinbar die letzten zwei Tage seiner Reise lang von abgespielten Freßlauten von Buckelwalen locken. Die Forscher um Frances Gulland nehmen an, dass neben individuellen Unterschieden auch das Geschlecht der Tiere eine Rolle bei solchen Maßnahmen spielen könnte. Das Geschlecht hatten die Forscher durch Entnahme einer Biopsie und folgende DNA-Analyse bestimmt.

GULLAND et al. (2008) empfehlen, Wale in ähnlichen Situationen vor Schiffsverkehr und schädlichen Einflüssen zu schützen und darauf zu vertrauen, dass die Tiere den Ausweg selbst ergründen.

Lärm, Angler und Fischer

Ob der Buckelwal in der Ostsee ungestört seinen Rückweg finden kann, bleibt weiter fraglich. Trotz der Aufrufe verschiedener Wissenschaftler, den Wal in Ruhe zu lassen, berichtete Thomas Müller am 16. August online bei den Lübecker Nachrichten, dass am Abend zuvor Powerboote in der Bucht unterwegs waren, „um mal nicht nur die Anwohner sondern auch den Wal mit ihrem Lärm zu nerven“.

Benjamin Zastrow und sein Freund Lasse hatten den Wal am Sonnabend morgen in der Nacht um 0:30 Uhr sogar am Angelhaken. Sie wollten in der Travemündung Aale angeln und waren dann sehr verblüfft, als ihnen ein starker Zug beinahe eine Angel entriss. Sie kappten die Angelsehne und liessen Wal und Fisch entkommen (HL-Live).

Weniger glücklich über den Wal in der Lübecker Bucht ist der Fischer Detlef Lohse. Nach dem Besuch des Buckelwales blieben seine Netze leer und er vermutete den Buckelwal als Ursache (shz.de).

Literatur:

GULLAND, F. M. D., F. B. NUTTER, K. DIXON, J. CALAMBOKIDIS, G. SCHORR, J. BARLOW, T. ROWLES, S. WILKIN, T. SPRADLIN, L. GAGE, J. MULSOW, C. REICHMUTH, M. MOORE, J. SMITH, P. FOLKENS, S. F. HANSER, S. JANG und C. S. BAKER (2008):
Health Assessment, Antibiotic Treatment, and Behavioral Responses to Herding Efforts of a Cow-Calf Pair of Humpback Whales (Megaptera novaeangliae) in the Sacramento River Delta, California.
Aquatic Mammals 34, S. 182-192