Deutsche Walforschung der 1930er Jahre, ihre Funktion in der nationalen Walfangpolitik, ihre Ergebnisse und wissenschaftliche Rezeption

von Klaus Barthelmess | | | 15. Dezember 2010

von Klaus Barthelmess
Der vorliegende Artikel ist die übersetzte, überarbeitete und ergänzte Fassung eines Beitrags des Verfassers zu zwei Kapiteln in Cornelia Lüdecke & Colin Summerhayes (Hrgg.): The Third Reich in Antarctica. The story of the German Antarctic expedition of 1938/39. Bluntisham: Bluntisham Books, 2010 (im Druck). Er erscheint hier mit freundlicher Genehmigung von Bluntisham Books.

Erste Seite des KapitelsKlaus Barthelmess: “Deutsche Walforschung der 1930er Jahre, ihre Funktion in der nationalen Walfangpolitik, ihre Ergebnisse und wissenschaftliche Rezeption” [German whale research in the 1930s, its function in the national whaling policy, its scientific results and perception], in:
Historisch-meereskundliches Jahrbuch, 15, 2009 [published 2010], pp. 53-92.
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Zusammenfassung

Der Artikel beschreibt Hintergrund, Zweck, Organisation, Umfang, Themen, wissenschaftliche Resultate und die internationale Rezeption der deutschen Walforschung in den Jahren 1936 bis 1943, als Deutschland einen Anteil von 12% am antarktischen Walfang hatte und somit die drittgrößte Walfangnation der Welt war.

Als weltgrößter Konsument von Walöl hatte Deutschland eine gewichtige Stellung auf dem Weltmarkt, die eigenen Walfang überflüssig machte. Das änderte sich 1935, als norwegische Walölproduzenten die Preise erhöhten und so ein bilaterales Clearing-Handelsabkommen unwirksam machten. Der neue deutsche Walfang erhielt im Vierjahresplan der nationalsozialistischen Wirtschaft einen hohen Stellenwert. Von Anfang an suchte man die junge Walfangindustrie in operativer, logistischer und technischer Hinsicht durchzuorganisieren und beschritt dabei teils neue Wege.

In völkerrechtlicher Hinsicht trachtete Deutschland seine Walfanginteressen zu schützen, indem es das 1937 in London ausgehandelte Internationale Abkommen zur Regelung des Walfangs unterzeichnete und auch ratifizierte. Dieses Abkommen sah die Erhebung von biologischen Daten vor, die Rückschlüsse auf Altersstrukturen und Fortpflanzung der Tiere ermöglichen sollten. Die Industrie war an Erkenntnissen über Wanderungsmuster, zeitliche und räumliche Verteilung der Wale interessiert. Daher wurde in Hamburg ein nationales Walforschungsinstitut gegründet.

Wie andere Walfangnationen entsandte 1938/39 auch Deutschland eine antarktische Forschungsexpedition zur Absicherung seiner völkerrechtlichen Ansprüche für den Fall, dass andere Nationen Souveränitätsansprüche auf Teile des antarktischen Kontinents und seiner angrenzenden, walreichen Gewässer erhoben.

Walstudien wurden nicht nur bei dieser eher geographischen Forschungsexpedition betrieben, sondern auch auf den sieben für Deutschland operierenden Walfangmutterschiffen. 14 Wissenschaftler arbeiteten auf den Fanggründen oder im Walforschungsinstitut. Die Kosten der Walforschung wurden vom Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft getragen, teilweise finanziert aus einer „Ölfassgebühr“ der Walfanggesellschaften. Neben systematischen Aufzeichnungen über Walvorkommen wurden Fangstatistiken an Bord der Walfangmutterschiffe geführt. Weitere Forschungen waren der Anatomie und Ernährung der Krillkrebse, Hauptnahrung vieler Bartenwale, gewidmet, Planktonvorkommen, die Beziehung zwischen Diatomeenvorkommen auf der Walhaut und ihrem Ernährungszustand, hydrographische Analysen des Wasserkörpers, Walblutmorphologie und Embryologie.

Die deutsche Walforschung beschritt dabei keine grundlegend neuen Wege, sondern baute auf vorheriger, britischer und norwegischer Walforschung auf und fügte ihr Daten aus bislang nicht untersuchten Seegebieten hinzu. Erste Ergebnisse wurden in zwei Sonderheften einer Fischereiforschungszeitschrift während des Krieges publiziert. Sie waren jedoch in Deutsch und nicht in Englisch, der Sprache internationalen Wissenschaftsaustauschs, verfasst. Zudem war der inter-institutionelle Schriftentausch in jenen Jahren unterbrochen. Schließlich wurden viele gesammelte Proben während des Kriegs zerstört, so dass nach Kriegsende die kleine Menge erhaltener Proben keine Auswertungen von wissenschaftlicher Bedeutung ermöglichte. Insofern fand eine internationale wissenschaftliche Rezeption deutscher Walforschung so gut wie nicht statt.

Indessen hatte der Direktor des Walforschungsinstituts den Auftrag erhalten, ein Handbuch für alle Entscheidungsträger zu verfassen, die mit deutschem Walfang befasst waren. Es behandelte geschichtliche, rechtliche, wissenschaftliche und technische Grundlagen der modernen antarktischen Walfangindustrie. Anders als die wissenschaftlichen Studien der deutschen Walforscher, erlangte dieses praktische Handbuch eine sehr große Verbreitung und wurde zur Vorlage ähnlicher Schriften japanischer, niederländischer und sowjetischer Neulinge im antarktischen Walfang.

Der Artikel schließt mit einem kurzen Ausblick auf allgemeine deutsche Walforschungsinteressen im besetzten Norwegen während des Krieges und nationale Tendenzen der Walforschung nach dem Krieg.

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