Die Atlantischen Nordkaper sind in schlechter Verfassung

von | WHOI | | 26. April 2020

Die gefährdeten Atlantischen Nordkaper sind in einer viel schlechteren körperlichen Verfassung als ihre Artgenossen auf der Südhalbkugel. Das zeigt eine neue Studie von Wissenschaftlern des Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) und Kollegen. Das internationale Forschungsteam unter der Leitung von Fredrik Christiansen von der Universität Aarhus in Dänemark veröffentlichte seine Ergebnisse am 23. April 2020 in der Fachzeitschrift Marine Ecology Progress Series.

Die Forscher verglichen den Körperzustand einzelner Glattwale im Nordatlantik mit Individuen aus drei wachsenden Populationen von Südlichen Glattwalen: vor Argentinien, Australien und Neuseeland. Dafür nutzten sie Drohnen und einer Methode namens Luftbildfotogrammetrie zur Messung der Körperlänge und -breite einzelner Glattwale.

Gesunde Südkaper von drei Populationen — (von links) Argentinien, Australien und Neuseeland— neben einem dünneren Atlantischen Nordkaper (rechts) in deutlich schlechterer Verfassung. (Photos von: Fredrik Christiansen, Aarhus Universität; Stephen M. Dawson, Universität Otago; und John W. Durban und Holly Fearnbach, NOAA Southwest Fisheries Science Center) 

Anhand von Luftaufnahmen schätzten die Forscher das Körpervolumen der einzelnen Wale, aus dem sie dann einen Index der Körperkondition oder des relativen Körperfettanteils ableiten konnten. Die Analysen ergaben, dass einzelne Glattwale des Nordatlantiks – Jungtiere, Erwachsene und Mütter – alle in einer schlechteren körperlichen Verfassung waren als einzelne Wale aus den drei Populationen der Südlichen Glattwale.

„Bei den Glattwalen des Nordatlantiks als Individuen und als Spezies laufen die Dinge furchtbar schief“, sagt der WHOI-Forscher Michael Moore, ein Koautor der Studie. „Dieser Vergleich mit ihren Verwandten auf der Südhalbkugel zeigt, dass die meisten einzelnen Nordatlantischen Glattwale in weitaus schlechterer Verfassung sind, als sie sein sollten.

Erholung bei den Südkapern – starke Gefährdung bei den Atlantischen Nordkapern

Seit dem Ende des groß angelegten kommerziellen Walfangs im letzten Jahrhundert haben sich die meisten Populationen der Südlichen Glattwale gut erholt. Gegenwärtig gibt es etwa 10.000 bis 15.000 Südkaper. Im Vergleich dazu gehören die Glattwale des Nordatlantiks mit einer Population von weniger als 400 Tieren zu den am stärksten gefährdeten grossen Walarten der Welt.

Für den Status der Atlantischen Nordkaper sind die Ergebnisse der Studie besonders alarmierend, sagen die Forscher. Eine gute Körperkondition und reichliche Fettreserven sind entscheidend für ihre Fortpflanzung, da die Tiere während der Aufzuchtzeit, wenn sie meist fasten, auf Energiespeicher angewiesen sind. Gespeicherte Fettreserven sind wichtig für Mütter, die die zusätzliche Energie benötigen, um das Wachstum ihres neugeborenen Kalbes während der Stillzeit zu ermöglichen.

Kollisionen mit Schiffen und tödliches Fischereigerät

Nordatlantische Glattwale verbringen die meiste Zeit ihres Lebens in einem Umkreis von 50 Meilen um die geschäftige Ostküste Nordamerikas, was sie für menschliche Aktivitäten besonders anfällig macht. Mehr als die Hälfte dieser Wale stirbt bei Kollisionen mit Schiffen oder indem sie sich in Fanggeräten verfangen.

„Ihr Rückgang ist so rapide, dass wir wissen, dass es nicht nur an zu wenig geborenen Kälbern liegt – zu viele Wale sterben auch an von Menschen verursachten Verletzungen“, sagt Peter Corkeron vom Anderson Cabot Center for Ocean Life im New England Aquarium.

Todfunde von Atlantischen Nordkapern in den USA und in Kanada. Datenquelle: NOAA

Einzelne Atlantische Nordkaper müssen den energetischen Aufwand und weitere Lebenskosten bewältigen, die durch das häufige Verfangen in Fischereigerät, insbesondere in sogenannte Hummer- und Krabbentöpfe, entstehen. Diese Belastungen, zusammen mit einer Veränderung in der Menge und Verteilung ihrer Ernährungsgrundlage, dem reiskorngroßen Plankton, haben diese Wale in einem schlechten Ernährungs- und Gesundheitszustand hinterlassen.

„Als Tierarzt mache ich mir seit langem Gedanken darüber, wie sich das Verfangen in Treibgut auf das Wohlergehen dieser Wale auswirkt“, fügt Moore hinzu. „Jetzt beginnen wir, die Zusammenhänge zwischen dem Wohlergehen und dem Rückgang dieser Art zu erkennen. Um diese Veränderungen rückgängig zu machen, müssen wir:

  • die Schiffe vom Lebensraum der Glattwale umleiten und ihre Geschwindigkeit im Lebensraum der Glattwale reduzieren;
  • Krabben- und Hummerfallen ohne Seil in der Wassersäule mit Hilfe verfügbarer Technologien einholen;
  • und den Lärm des Ozeans aus seinen vielen Quellen minimieren“.

Die Open Access Studie ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit von Wissenschaftlern aus 12 Institutionen in fünf Nationen. Die Arbeit wurde unterstützt von: NOAA, dem World Wildlife Fund for Nature Australia, einem Small Grant Award der Murdoch University School of Veterinary and Life Sciences, dem neuseeländischen Antarktis-Forschungsinstitut, der Otago University, dem New Zealand Whale and Dolphin Trust und der National Geographic Society, Australien.

Besprochene Veröffentlichung:

CHRISTIANSEN, F., S. M. DAWSON, J. W. DURBAN, H. FEARNBACH, C. A. MILLER, L. BEJDER, M. UHART, M. SIRONI, P. CORKERON, W. RAYMENT, E. LEUNISSEN, E. HARIA, R. WARD, H. A. WARICK, I. KERR, M. S. LYNN, H. M. PETTIS, und M. J. MOORE (2020):
Population comparison of right whale body condition reveals poor state of the North Atlantic right whale.
Mar Ecol Prog Ser 640:1-16.
DOI: https://doi.org/10.3354/meps13299

Dies ist eine Presseinformation des WHOI. Das Teaserbild (Nordkaperkuh schwimmt unterhalb ihres Kalbes) stammt von Florida Fish and Wildlife Conservation Commission (taken under NOAA research permit #15488); Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0

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