Eisenlohr, Manfred (2008): Whalefinder

von | | | 6. September 2008

Whalefinder
Eisenlohr, Manfred (2008):
Whalefinder
Faltkarte im Umschlag Whalefinder.de
Whalefinder Verlag, Berlin
ISBN: 978-3-9812140-0-0
Preis: EUR 9,95

Besprechung von JAN HERRMANN

Das Whale Watching ist ein boomender Tourismuszweig. Jedes Jahr steigen mehr und mehr Menschen in die Boote der Walbeobachtungsunternehmen. Wichtig bei einem Ausflug zu den Walen ist passende Kleidung, ein stabiler Magen und ein guter Guide.

Die Guides oder Naturführer kommen in zwei Gestalten daher. Entweder als bemühte Menschen an Bord der Ausflugsschiffe oder als papierene Anleitungen, die helfen, das Gesehene anzusprechen. Und damit wären wir bei unserer Vorstellung. Denn ein neues besprechenswertes Produkt kann das Ausflugsgepäck der Walfreunde bereichern: Das Faltbuch Whalefinder.

Wie sieht der Whalefinder aus?

In einem ca. DIN A5 großen Umschlag steckt eine 84 x 59,4 cm große zusammengefaltete Karte. Auf der Vorderseite sind 16 Tafeln mit Illustrationen und Erläuterungen zu wichtigen Walarten zu finden. Durch die Faltung ist jeweils eine der Tafeln zu sehen. Auf der Hinterseite zeigt ein Poster diese und 13 weitere Meeresbewohner (Wale, Delphine, Seevögel, Fische, Kopffüsser, Seelöwen, Manatis) ohne Erläuterungen. Die Karte und der Umschlag sind laminiert. Auch den Umschlag kann man noch ausklappen. Die vier Aussenseiten tragen den Titel, eine kleine Version der Posterabbildung und Werbung. Innen sind eine Erläuterung der Tafeln, eine Aufstellung von Kennzeichen (Blas, Fluke, Rücken, Sprungbild) wichtiger Walarten, eine Größenskala und die Erläuterung der auf dem Poster abgebildeten Arten zu finden.

Whalefinder – Wale in einem Dutzend Sprachen

Tunnulik oder Blauwal?

Jede Tafel ist mit dem englischen Namen der entsprechenden Art überschrieben. Daneben findet sich der lateinische Name und der Erstbeschreiber.

Gleich darunter werden Walnamen in verschiedenen Sprachen aufgelistet. Die mit Flaggen gekennzeichneten Sprachangaben scheinen nach zwei Kriterien ausgewählt zu sein. Die Mehrheit orientiert sich an der Zielgruppe der Whalewatcher. Westeuropäische Sprachen wie Deutsch, Französisch, Spanisch u.s.w. sind für jeden Wal zu finden. Zentraleuropa ist mit Polnisch und Russisch vertreten, Asien mit Japanisch. Aber auch das Vorkommen der Wale scheint sprachlich berücksichtigt zu sein. So sind einige Walnamen der Azoren oder einige grönländische Namen zu finden. Eine Besonderheit sind die Walnamen in Esperanto. Die kleine Gemeinde der Esperanto sprechenden Erdenbürger wird diese Berücksichtigung danken.

Bedrohung in zwei Buchstaben

Oben rechts wird mit einem Kürzel der Gefährdungsstatus nach der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN vermerkt (VU<EN<CR). Die aktuelle Überarbeitung der Gefährdungsstufengeschah erst nach Redaktionsschluss und konnte noch nicht berücksichtigt werden. So bleiben die Buckelwale wenigstens auf diesem Papier noch eine kleine Weile länger mit „VU“ klassifizert und geschützt.

Dem Wal in’s Auge schauen

Schweinswal und Ostpazifischer Delphin

Den Schwerpunkt der Tafeln bilden die schön anzusehenden Illustrationen der Künstlerin Barbara Cain. Jedes Tier wird groß im Seitenprofil gezeigt. Drumherum sind kleinere Zeichnungen in vielen weiteren Perspektiven. So sieht man das Tier beim Auf- oder Abtauchen, von oben, beim Spyhop, den Blas, die Fluke. Das gibt demjenigen, der den Wal identifizieren möchte, viele Vergleichsmöglichkeiten.

Die Zeichnungen zeigen typische Eigenarten in Form und Farbe der vorgestellten Arten. Die Schweinswale auf den kleineren Abbildungen sind etwas rund geraten. Die Augen sind bei vielen Walen besonders betont. Vielleicht ein dezenter Verweis auf die einführenden Worte des Herausgebers Manfred Eisenlohr, der den Walen nach einem Blick ins Auge verfallen war? Das sind aber eher liebenswerte künstlerische Interpretationen. Einziges etwas ungenaues Detail ist wahrscheinlich der Flipper der Südlichen Zwergwale (Balaenoptera bonaerensis), der auf der Zeichnung ein deutliches weißes Band zeigt. Denn das ist eigentlich ein Kennzeichen der Gewöhnlichen Zwergwale (Balaenoptera acutorostrata).

Bei der Betrachtung der Tafeln, frage ich mich, ob es ausreicht, den Betrachter mit den Bildern bei der Bestimmung alleine zu lassen? Andere Naturführer, z.B. der von Mark Carwardine (1995), weisen auf Besonderheiten im Erscheinungsbild explizit hin. Ein Beispiel: Finnwale zeigen einen sehr eigenartigen Seitenunterschied. Das Maul ist auf der rechten Seite hell gefärbt. Im Whalefinder ist das korrekt dargestellt. Nur muss das der Betrachter selbst herausfinden, er muss die Zeichnung sehr genau studieren, um sich dieses Merkmal bewusst zu machen. Vielleicht findet der Herausgeber ja noch Möglichkeiten für optisch passende zusätzliche Hinweise.

Glattwale und Zwergwal

Biologie per Piktogramm

Der Walspezialist und Photograph George McCallum (Whalephoto) hat die Produktion als wissenschaftlicher Berater unterstützt. Die wichtigen Kenndaten zu den Arten sind im unteren Teil der Tafeln angesiedelt. Piktogramme geben an, ob es sich um einen Zahn- oder Bartenwal handelt, wie viele Unterarten es gibt, ob die Tiere küstennah oder auf der Hochsee vorkommen und wovon sie sich typischerweise ernähren. Tauchdauer und -tiefe, Körpergewicht, Körperlänge, Schwimmgeschwindigkeit und Lebenserwartung werden als Zahlen des angloamerikanischen und des uns vertrauten metrischen Systems angegeben.

Whalefinder – Biologische Kerndaten

Es ist müßig, die Angaben zu Lebensalter, Schwimmgeschwindigkeit oder Unterarten zu diskutieren. Ob’s von einer Art zwei oder drei Unterarten gibt, ob die Unterarten Artstatus haben ist oft auch Frage der wissenschaftlichen Schulen. Wo allerdings die angegebene Tauchtiefe von 1200 m für den Grönlandwal herkommt, würde mich schon sehr interessieren. Der mir bekannte Tauchtiefenrekord für Grönlandwale liegt bei 487 Metern (LAIDRE et al., 2007). Der Verleger Manfred Eisenlohr hat berichtet, dass es sich hier um einen einfachen Übertragungsfehler handelt. Bei der Umrechnung von Fuß in Meter wurde nur die Einheit geändert, aber das Umrechnen vergessen. Die Piktogramme funktionieren gut. Schnell hat man sich die Symbole für Nahrungsquellen eingeprägt und kann so ohne ewiges Nachschlagen die Tafeln lesen. Hier zeigt der Whalefinder seine durchdachte internationale Klasse.

Unten rechts auf der Tafel ist eine Weltkarte untergebracht, auf der in dunkelblauer Farbe die weltweite Verbreitung der entsprechenden Art zu sehen ist. Pfeile markieren Wanderbewegungen. Vielleicht wäre in den nächsten Auflagen ein kleiner Hinweis sinnvoll, der beschreibt wo sich die wandernden Wale zu welchem Jahresabschnitt aufhalten.

Für wen ist der Whalefinder?

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Der Whalefinder ist ein kompaktes Informationsmedium. Handlichkeit und Übersichtlichkeit haben aber auch einen Preis. Auf 16 Tafeln finden nur 23 der etwa 86 bekannten Walarten Platz. Abbildungen weiterer sechs Arten findet man auf dem Rückseitenposter. Der Whalefinder konzentriert sich auf die Arten, die im Licht der Öffentlichkeit stehen (und häufig gesichtet werden). Für die seltenen (und selten zu beobachtenden) Schnabelwale steht zum Beispiel nur der Nördliche Entenwal als Abbildung zur Verfügung. Unser heimischer Schweinswal ist der einzige Vertreter seiner Familie. Trotz dieser Beschränkungen werden durch die bewusste Auswahl der Wale wahrscheinlich die meisten aller Wal-Begegnungen von Gelegenheits-Whalewatchern abgedeckt. Segler, Bootsfahrer oder Teilnehmer an Whale Watching Ausflügen erhalten mit dem Whalefinder ein sinnvolles Hilfsmittel. Das Konzept des handlichen Whalefinders stimmt. Vielleicht sollte aber überdacht werden, das Rückseitenposter auch in sechzehn weitere Tafeln zu verwandeln? Hier liessen sich auch wichtige allgemeine Angaben zu den Walen versammeln, die für einen zweiten Blick gut sind. Ich kenne jedenfalls kein Bügeleisen, dass dem Poster meines vorgefalteten Whalefinder eine präsentationsfähige Glätte verpassen kann. Nicht zuletzt deshalb wird das Poster vom Whalefinder Verlag auch eigenständig und ungefaltet verkauft.

Fazit Es gibt Produkte, bei deren Neuerscheinen man sich wundert, dass diese nicht schon lange auf dem Markt sind. Der Whalefinder gehört dazu. Nicht jeder Einsteiger, Segler, Bootsfahrer oder Gelegenheits-Whalewatcher möchte gleich ein mehrere hundert Seiten starkes Buch mitnehmen, wenn’s auf See geht. Auch fällt eine unvorbereitete Bestimmung und das Kennenlernen der gesichteten Arten mit einem dicken Buch ungleich schwerer als der schnelle Blick auf den Whalefinder. Der Whalefinder ist ein handlicheres und günstigeres Produkt. Auf einen Blick bietet der Whalefinder eine Übersicht über die 23 bekanntesten Walarten und ist so ein attraktives Hilfsmittel für die schnelle Bestimmung. Dafür nimmt man in Kauf, dass einige Arten fehlen. Der Whalefinder hat das Zeug, in der Erstauflage erfolgreiche Verbreitung zu finden. Ich wünsche mir, dass der Herausgeber den Whalefinder lebendig hält und mit der Berücksichtigung von Rückmeldungen dem Whalefinder eine Evolution über viele Jahre beschert.

Literatur: CARWARDINE, M. u. L. VON FERSEN (1996): Wale und Delphine. Delius Klasing Verlag, Bielefeld.

LAIDRE, K. L., M.-P. HEIDE-JØRGENSEN u. T. G. NIELSEN (2007):
Role of the bowhead whale as a predator in West Greenland.
Mar Ecol Prog Ser 346, 285-297

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