Klaus Barthelmeß (4.9.1955 – 6.2.2011)

von JOHANNES ALBERS | cetacea.de | Wittmund | 22. Februar 2011

Vor wenigen Tagen haben wir vom frühen Tod von Klaus Barthelmeß erfahren. Der Historiker Klaus Barthelmeß war die Kapazität in Fragen der Geschichte des Walfangs. Auch wenn unsere Einschätzungen zum aktuellen Walfang kaum unterschiedlicher sein konnten, haben wir seine kompetenten walfanggeschichtlichen Beiträge sehr geschätzt und auch gerne auf Cetacea.de veröffentlicht. Johannes Albers hat einen Nachruf auf Klaus Barthelmeß verfasst.


Klaus Barthelmess im Juli 2010, © Familie Barthelmess

Klaus Barthelmeß, geboren 1955 in Köln, war von klein auf fasziniert von Historischem und sammelte römische Relikte in seiner Heimatstadt, wie z.B. alte Ziegelsteine. Bereits im Vorschulalter war er mit allen Kölner Museen vertraut. Als Erwachsener wurde er selbst professioneller Mitarbeiter des Kölnischen Stadtmuseums. Schon als Kind hatte er auch eine „Seetier-Sammlung“, aber auf Wale und Walfang spezialisierte er sich erst im Alter von 13 Jahren: Im Urlaub auf der alten Walfängerinsel Borkum hörte er einen Vortrag über die Jagd auf den Wal und kaufte sich daraufhin von seinem Taschengeld die Kopie eines Stiches von 1683 mit einem Walfängermotiv.

So verbanden sich bei Klaus Barthelmeß Kunstantiquitäten und Walfang. Im Laufe seines Lebens legte er sich eine immense Sammlung an walfangbezogenen Kunstwerken, Büchern und Gerätschaften wie Harpunen und Flensmesser zu. Eine systematische Katalogisierung begann er 1975. Teile seiner Sammlung präsentierte er als Leihgaben z.B. 1982 in der Kölner Universitätsbibliothek oder 1997 – 1998 in der Bonner Kunsthalle.

Der bedeutende Sammler war auch ein in Fachkreisen weltbekannter Wissenschaftler: Zum Zweck der Walfangforschung lernte Barthelmeß Niederländisch, Dänisch und Norwegisch. Englisch und Geschichte hat er studiert. Er profilierte sich als einer der herausragendsten Walfanghistoriker und zugleich als ein Kunsthistoriker mit dem Spezialgebiet der Wal- und Walfangmotive. Zahllose Publikationen und Vorträge zeugen von seinem unermüdlichen Forschungseifer. Schriften aus seiner Feder wurden z.B. in Norwegen von Kommandör Chr. Christensens Hvalfangstmuseum veröffentlicht, in Japan von der Japan Whaling Association.

Doch sein Projekt einer Dissertation über 100 Jahre deutscher Walfanginteressen von 1865 bis 1965 musste oft hinter vielen anderen Tätigkeiten zurückstehen, wie er selbst gelegentlich bedauerte. Schließlich speckte er das Projekt ab zu dem Thema „Wilhelminische Walforschung“. Hierfür war er zuletzt als Doktorand an der Universität Hamburg eingeschrieben. Derweil hatte er immer wieder mit seinen Kenntnissen und seinem Archiv Studenten bei ihren Arbeiten unterstützt, die ihn dann z.T. auf der akademischen Leiter überholten. Aber Klaus Barthelmeß wurde von allen als der überragende Experte in Sachen Walfanggeschichte anerkannt.

Doch nie vergrub der Kölner sich im Elfenbeinturm reiner Wissenschaft, sondern stets nahm er regen Anteil an der Diskussion um das Für und Wider des Walfangs in der heutigen Welt. In den 70er Jahren machte er noch gemeinsame Sache mit den Walfangkritikern. Aber als er Ende des Jahrzehnts auf einer spanischen Walfangstation weilte, empfing er einen wichtigen Impuls zur Modifizierung seiner Haltung von weiblicher Seite, nämlich aus den Reihen der Wal-Arbeiterinnen auf der Station: Bald wurde der Name Barthelmeß zum Synonym für die Anschauung, ein ökologisch nachhaltiger Walfang sei möglich und müsse gegen die Kampagnen der Tierschützer verteidigt werden, im Interesse der maritimen Jägerkulturen. Klaus Barthelmeß wurde zum Verbündeten der Walfänger.

Damit stand er in seiner deutschen Heimat auf einer Minderheitenposition. Für Walschützer war er ein unbequemer Kontrahent, dem man mit Respekt begegnete, weil er sein Gegenüber zum Nachdenken und zum Argumentieren herausforderte. Dabei zeichnete sich Klaus Barthelmeß durch eine große rhetorische Begabung aus; an ihm konnten viele seiner Gegner wachsen.

Und Barthelmeß beließ es nicht bei der Theorie: 1986 fuhr er in Island selbst mit auf Finnwaljagd, an Bord des Dampfers „Hvalur 8″. Auf der Verarbeitungsstation fiel ihm damals ein Tier auf, das sich bei näherer Untersuchung als Kreuzung zwischen Finn- und Blauwal entpuppte. Ähnliche Hybridformen fand man später noch mehrfach. So ist dem Historiker auch eine zoologische Entdeckung zu verdanken.

Ab 1987 war Klaus Barthelmeß beratender Kurator des Kendall Whaling Museum in Sharon, Massachusetts (USA), das Ende 2001 mit dem New Bedford Whaling Museum fusionierte. Er erstellte Expertisen, wenn es um den Ankauf neuer Objekte ging. Weiterhin war er Mitherausgeber der Internet-Zeitung des Internationalen Netzwerks für Walfangforschung (INWR, International Network for Whaling Research). Als INWR-Mitarbeiter trat er auch bei der Jahrestagung der Internationalen Walfangkommission (IWC) in Erscheinung.

Ab 1991 bearbeitete der Kölner Kenner das Forschungsprojekt Walfang des Deutschen Schifffahrtsmuseums Bremerhaven. In Köln und Bremerhaven veranstaltete er auch insgesamt acht Wochenend-Walfangtreffen mit Fachvorträgen durch Experten aus der halben Welt. Das letzte dieser Treffen fand im November 2009 statt. Andererseits referierte Barthelmeß selbst z.B. in Tokio, und Korrespondenzen unterhielt er rund um den Globus. Wer immer sich mit Walfang befasste, kam an ihm nicht vorbei.

In Deutschland wurde er 2004 neben einem Greenpeace-Biologen zu einer Anhörung des Bundestagsausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft geladen, wo es um die Frage ging, welche Position Deutschland auf internationaler Bühne in Walfangangelegenheiten einnehmen sollte. Als das Deutsche Meeresmuseum in Stralsund 2009 eine umfangreiche Sammlung von Walfänger-Volkskunst erwarb, machte sich Klaus Barthelmeß an ihre wissenschaftliche Bearbeitung.

Noch an vielen anderen Stellen engagierte sich der Kölner: Ob es um die öffentliche Lesung des kompletten Romans „Moby Dick“ ging oder um das Skelettieren eines gestrandeten Pottwals für ein Museum – wo immer Walfang in den Blickpunkt kam, da war Klaus Barthelmeß nicht weit. Und war er doch einmal nicht persönlich anwesend, weil es gerade woanders noch „waliger“ war, so hielt man zumindest seine berühmten „tranigen Grüße“ in der Hand, mit denen er seine Briefe zu unterschreiben pflegte. War er aber in Person zugegen, so ließ er es sich nicht nehmen, selbst in heißem Sommerwetter mit einer wärmenden Robbenfellweste aufzutreten – aus lauter Solidarität mit den Jägervölkern arktischer Gefilde. So zauberte er selbst seinen Gegnern ein Schmunzeln ins Gesicht.

Ob Cetacea.de oder die Zeitschrift „Fluke“: Viele herausragende Projekte zur Veröffentlichung von walkundlichen Beiträgen werden einen Autoren vermissen, der immer etwas Interessantes anzubieten hatte. Aber durch die Fülle seiner vorliegenden Schriften wird Klaus Barthelmeß uns nicht nur in Erinnerung bleiben, sondern er wird noch lange zu uns sprechen.

Klaus Barthelmeß auf Cetacea.de:

Barthelmess, Klaus (2005):
Buchbesprechung: Herman Melville / Deutsch von Friedhelm Rathjen (2004): Moby-Dick; oder: Der Wal. Eine leviathanische Neuübersetzung

Barthelmess, Klaus (2004):
Buchbesprechung: Nicholas Redman (2004): Whales‘ bones of the British Isles

Barthelmess, Klaus (2004):
Buchbesprechung: Florike Egmond & Peter Mason (Hrsg.) mit einem Kommentar von Kees Lankester (2003): The whale book. Whales and other marine animals as described by Adriaen Coenen in 1585

Barthelmess, Klaus (2008):
On a possible hybrid between a fin whale and a blue whale

Barthelmess, Klaus (2010):
Buchbesprechung: Redman, Nicholas B. (2009): Whales‘ bones of Germany, Austria, Czech Republic & Switzerland

Barthelmess, Klaus (2010):
Buchbesprechung: Tillmann, Doris & Timo Erlenbusch (2010): Auf Walfang. Schleswig-Holsteiner im Eismeer (Begleitbuch zur Ausstellung Walfang im Eismeer im Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum, 28.2. – 24.5.2010, und im Industriemuseum Elmshorn, 20.6. – 12.9.2010)

Barthelmess, Klaus (2010):
Buchbesprechung: Redman, Nicholas B. (2010): Whales‘ Bones of The Netherlands and Belgium

Barthelmess, Klaus (2010):
Deutsche Walforschung der 1930er Jahre, ihre Funktion in der nationalen Walfangpolitik, ihre Ergebnisse und wissenschaftliche Rezeption

Veröffentlichungen von Klaus Barthelmeß (Kleine Auswahl):

Barthelmeß, Klaus (1982):
Das Bild des Wals in fünf Jahrhunderten. Führer durch die Ausstellung aus Anlaß des Beitritts der BRD zur IWC.
dme-Verlag, Köln: 80 S.

Barthelmeß, Klaus und Joachim Münzig (1991):
Monstrum Horrendum. Wale und Walstrandungen in der Druckgraphik des 16. Jahrhunderts und ihr motivkundlicher Einfluß.
Deutsches Schiffahrtsmuseum; Ernst Kabel Verlag, Bremerhaven; Hamburg: 222 S.

Barthelmess, K. (1997):
An unrecorded broadside commemorating Cetacean strandings on the Dutch and Flemish Coasts 1519 to 1617.
Lutra 40: 9-19.

Faust, Ingrid, Klaus Barthelmess und Klaus Stopp (2002):
Zoologische Einblattdrucke und Flugschriften vor 1800. Band 4: Wale, Sirenen, Elefanten
Anton Hierseman Verlag, Stuttgart: S.402

Barthelmeß, Klaus (2003):
Das erste gedruckte deutsche Walfangjournal – Christian Bullens „Tag=Register“ einer Hamburger Fangreise nach Spitzbergen und Nordnorwegen im Jahre 1667.
De Bataafsche Leeuw, Amsterdam; Deutsches Schiffahrtsmuseum, Bremerhaven: 128 S.
(Buchbesprechung von Holger Bittlinger)

Barthelmess, Klaus (2007):
The Arts of Modern Whaling.
Commander Chr. Christensen’s Whaling Museum, Sandefjord (Norwegen): 58 S. (Buchbesprechung von Holger Bittlinger)

Barthelmess, Klaus (2008):
Die Walknochen der Nordseeinsel Borkum. Kulturgeschichte bedeutsamer Denkmäler aus der Blütezeit des europäischen Arktiswalfangs mit Überlegungen zu ihrer Konservierung.
Books on Demand, Norderstedt: 24 S. (Buchbesprechung von Alfred Schmidt)

Barthelmess, K. (2009):
Basque whaling in pictures, 16th-18th century.
Itsas Memoria. Revista de Estudios Marítimos del País Vasco 6: 643-67.

Barthelmess, K. (2009):
Die Gegner der OLYMPIC CHALLENGER. Wie amerikanische Geheimdienste, Norweger und Deutsche das Walfangabenteuer des Aristoteles Onassis beendeten.
Polarforschung 79: 155-76.

Barthelmess, K. und I. Svanberg (2009):
Two eighteenth-century strandings of sperm whales (Physeter macrocephalus) on the Swedish coast.

Archives of Natural History 36: 63-69.

3 Gedanken zu „Klaus Barthelmeß (4.9.1955 – 6.2.2011)“

  1. Ich gehörte nicht zum inneren Kreis des Kölner Walfangtreffens, aber ich habe Klaus Barthelmess als sehr offenen und hilfsbereiten Menschen kennen gelernt, dem ich für viele Hinweise zu Dank verpflichtet bin. Gleichzeitig haben seine fast schon monoman wirkende Hingabe zu dem Thema Walfang und sein hier zu Lande denkbar schwer zu vermittelndes Eintreten für den Walfang mich oft schmunzeln lassen. Dabei bewunderte ich stets, wie er sein Thema durchdrungen hatte, allen denkbaren Spuren nachging und den Mittelpunkt eines sehr speziellen internationalen Netzwerkes bildete, dessen Treffen er mit großer Professionalität organisierte. Man trifft selten Menschen, die sich einem Thema dauerhaft mit solchem Eifer widmen, wie Klaus Barthelmess es tat, obwohl er außerhalb eines engen Kreises vermutlich weder in der universitären Wissenschaft noch unter Walfreunden auf Vorteile oder Anerkennung hoffen konnte.

  2. Dieser Mann hatte Kinder und Frau . Wie irgendein halb-normaler Mensch solch eine Aussage formulieren kann liegt mir fern.
    Dass Respekt und Anstand Ihnen fremd ist, scheint klarer als je irgendeine Einschätzung zum Walfang sein kann.
    Artikel dieser Art wurden und werden nie verfasst um Meinungen über verfasste Werke zu äußern , sondern um Freunde und Bekannte zur Trauer aufzurufen.

    Ihnen wünsche ich noch ein schönes Leben.

  3. die trauer hält sich bei mir sehr in grenzen. wie wohl seine wissenschaftliche arbeit wichtig sein mag. mögen nachfolgende generationen entscheiden … 

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