Die grotesken Walrosswale von Peru: Odobenocetops

von Johannes Albers | cetacea.de | Essen | 16. September 2012

Der Wal — das Walross — die Walrosswale. Man denke sich eine Kreuzung zwischen Narwal und Walross, und man gewinnt eine Vorstellung von den skurrilen Walrosswalen, wissenschaftlich Odobenocetops. Zwei fossile Arten sind bekannt. Sie lebten vor ca. 3 — 5 Millionen Jahren und kommen nur in Südperu vor, in der weltberühmten Pisco-Formation. Deren reiches Spektrum fossiler Zahn- und Bartenwale hat sich den Forschern seit dem 19. Jahrhundert nur nach und nach erschlossen. Die Walrosswale, erst ab 1993 beschrieben, setzen allen früheren Entdeckungen die Krone auf.

Kapitelübersicht

  1. Teure Hotels und obere Stockwerke
  2. Odobenocetops peruvianus
  3. Odobenocetops leptodon
  4. Einordnung der Walrosswale
  5. Zeitgenossen: Meeresfaultiere
  6. Literatur
  7. Druckversion (PDF, 1,8 MB)

Teure Hotels und obere Stockwerke

Die peruanische Küste nahe bei Paracas. In dieser Gegend beginnt die fossilreiche Pisco-Formation aus dem Jungtertiär. Sie lieferte Wale, Robben und im Meer schwimmende Faultiere.
Bild: Erich Nietgen

1957 erzählt Annemarie Lennartz in einem Buch von ihrem Leben als Frau eines deutschen Walfängers in Peru. Sie wohnte in der Hafenstadt Pisco und fuhr gelegentlich aus dem Ort hinaus in Richtung Süden, zur öde und abseits gelegenen Walfangstation. Manchmal sogar noch ein Stück weiter, bis zum Küstenort Paracas. Der war buchstäblich eine Oase in der Wüste der drögen Landschaft Südperus, mit Villen, Hotels und Badestränden. Aber die zivilisationshungrige Deutsche befand: „Der Aufenthalt in Paracas ist schon durch die Preise nur ab einer bestimmten Schicht aufwärts möglich.“ Für die Walfängerfrau war hier Endstation. Doch gerade jenseits von Paracas wird es in Hinblick auf Wale ab einer bestimmten Schicht aufwärts interessant:

Die Küstenwüste Südperus. Der Passat weht nicht nur Steine frei, sondern auch fossile Walskelette. Sie verwittern im Wind, wenn sie nicht abgeborgen oder an Ort und Stelle geschützt werden.
Bild: Erich Nietgen

Im selben Jahr wie das Buch von Annemarie Lennartz erschien in der Geologischen Rundschau eine voluminöse Arbeit von Werner Rüegg über die Geologie Südperus. Und südlich von Paracas dehnt sich in der Küstenwüste rund 350 Kilometer lang die Pisco-Formation aus. Rüegg schreibt: „In den mittleren und oberen Stockwerken kommen gelegentlich gestrandete Walfische vor, sogar ganze Friedhöfe von Incacetus broggii, E. H. COLBERT (1944)“.

Hatte letzterer Autor seinen Incacetus noch für einen Schnabelwal (Familie Ziphiidae) gehalten, so wurde die Art später mit Flussdelphinen verglichen und dann in die Verwandtschaft der Kentriodonten (und damit der Delphinartigen) gestellt. Aber in der Pisco-Paläofauna lernte man seit Rüeggs Abhandlung viele neue Gattungen kennen und von Incacetus zu unterscheiden: Piscolithax, Pliopontos, Ninoziphius und Lomacetus sind bei den Zahnwalen zu nennen. Nicht immer ist die Einführung neuer Gattungen unumstritten. Ein Beispiel hierfür ist Piscorhynchus, 1989 von Pilleri und Siber aufgestellt. Der französische Paläontologe Christian de Muizon bezweifelt die Berechtigung dieser Gattung.

Die Walrosswale fallen aber so grotesk aus dem Rahmen alles Üblichen, dass Muizon für sie nicht nur eine neue Gattung einführte, sondern sogar eine ganz eigene Familie: Odobenocetopsidae.