Schlüsselrolle für die EU: Jahrestagung der Internationalen Walfangkommission (IWC) steht bevor

von | cetacea.de | Essen | 14. Juni 2010

Vom 21. bis zum 25. Juni trifft sich die Internationale Walfangkommission (IWC) zu ihrer Jahrestagung in Agadir, Marokko. Im Zentrum des Interesses stehen zwei Themen, ein umfassendes und ein spezielles: Generell steht die Zukunft des Walfangmoratoriums von 1986 auf dem Spiel, das durch einen Kompromiss zwischen Walschutz- und Walfang-Bestrebungen ausgehebelt zu werden droht. Ein spezielles Thema ist der Antrag Dänemarks, die Jagd auf Buckelwale in Grönland zu erlauben. Sie soll im Rahmen des Eingeborenen-Subsistenzwalfangs stattfinden, der nicht dem Moratorium unterliegt.

von JOHANNES ALBERS

Kompromissvorschlag der IWC zum Walfangmoratorium

Walfang

Eine „kleine Arbeitsgruppe“ der IWC hat den Kompromissvorschlag entwickelt, der in Agadir zur Entscheidung steht und von Naturschützern heftig kritisiert wird. Dieser „Deal“ soll für die nächsten 10 Jahre gelten und will die Fangaktivitäten unter die Kontrolle der IWC bringen, die bisher unter Umgehung des Moratoriums von den Walfangländern in Eigenregie betrieben werden: Japan nutzt eine Statutenklausel für „wissenschaftlichen“ Walfang aus, Norwegen und Island machen von einem Einspruchsrecht Gebrauch und gehen trotz Moratoriums ganz offen auf kommerzielle Waljagd.

Der „Deal“ sieht im Kern vor, dass der Walfang dieser drei Länder von der IWC autorisiert und überwacht wird. Dabei sollen die Fangquoten beschränkt werden, z.B. für Japan in der Antarktis auf 400 Zwergwale und 10 Finnwale pro Saison. Island dürfte pro Jahr 160 Wale im Nordatlantik fangen. (Letztes Jahr tötete Island über 200 Wale.) Insbesondere für Norwegen ist aber sogar eine Steigerung der bisherigen Fangzahlen denkbar, da die tatsächlichen Fänge bislang hinter den selbstgesetzten Quoten der drei Jagdländer herhinken. Das gilt auch z.B. für Japans Finnwalfänge.

Doch selbst bei einem Sinken der Fangzahlen sehen die Walfänger in dem „Deal“ nur eine Übergangsregelung, die geradewegs auf eine künftige Expansion des Walfangs zuläuft. Jagen sie bisher gegen den Willen der IWC, so würden sie fortan deren Segen für den Walfang haben. Damit würde das weltweite IWC-Moratorium für kommerziellen Walfang durch die IWC selbst ausgehöhlt.

Haltung der Länder zum „Deal“

Deutschland erstrebt nach den Worten seines IWC-Kommissars Gert Lindemann ein völliges Ende des kommerziellen Walfangs. Deutschland hat zwar an der Konstruktion des „Deals“ mitgewirkt, will ihn aber in der jetzt vorliegenden Form nicht unterstützen. Bundesministerin Ilse Aigner wendet sich z.B. gegen Finnwaljagd im Walschutzgebiet der Antarktis und gegen internationalen Walfleischhandel. An solchem Handel hat u.a. Island Interesse, das den „Deal“ ablehnt, weil er Islands Walfanglobby nicht genug unterstützt.

Island erstrebt den Beitritt zur EU, die bei der IWC mit einer gemeinsamen Position auftreten will. Doch die nordischen EU-Länder Dänemark und Schweden verhindern bisher eine einheitliche Haltung zu dem „Deal“. Die EU-Länder sind sich nicht einmal darüber klar, ob sie intern eine Einstimmigkeit erreichen müssen, um nach außen unisono aufzutreten. Ohne Verständigung auf eine gemeinsame Linie besteht die Gefahr, dass die EU-Länder in der IWC sich alle der Stimme enthalten. Da sie aber ca. 30 % der IWC mit ihren 88 Mitgliedsstaaten ausmachen, und da viele weitere Länder sich an der EU-Position orientieren, kann an einer Enthaltung der EU-Länder der Walschutz nach 24 Jahren Moratorium nun scheitern.

Unterstützung findet der „Deal“ u.a. bei Neuseeland, das bisher ein herausragendes Walschutzland gewesen war, und bei den USA. Die erhoffen sich davon, dass der Eingeborenen-Subsistenzwalfang der Alaska-Eskimos für die nächsten 13 Jahre ohne weitere Diskussionen „durchgewunken“ wird.

Einen Gegenvorschlag als Kontrast zu dem „Deal“ hat Australien vorgelegt: Demnach soll jeder Walfang in der Antarktis innerhalb von 5 Jahren auf Null heruntergefahren werden. Neben diesem Vorstoß bei der IWC hat Australien den Internationalen Gerichtshof in Den Haag angerufen, damit er Japans „wissenschaftlichen“ Walfang im Walschutzgebiet der Antarktis als unrechtmäßig stoppe.

Antrag Dänemarks zur Jagd auf Buckelwale

Seit 2008 versucht Dänemark eine Genehmigung der IWC für die Jagd auf 10 Buckelwale im Jahr durch Grönland zu erwirken. Begründet wird der Antrag mit gestiegenem Bedarf an Walprodukten. Walschützer bezweifeln aber die Stichhaltigkeit dieses Argumentes: Bisherige Quoten Grönlands für andere Walarten werden nicht ausgeschöpft, und viel Material aus Grönlands Fangbeute wird nutzlos verschwendet. Dabei hat die IWC erst vor kurzem den grönländischen Walfang ausgeweitet, indem neben Zwerg- und Finnwalen auch Grönlandwale zur Jagd freigegeben wurden. Die rund 4000 Kleinwale, die jährlich in Grönland erlegt werden, waren in die Bedarfsberechnung für den Buckelwal-Antrag gar nicht eingegangen.

Weitere Bedenken der Walschützer weisen darauf hin, dass in Grönland viele Walprodukte in Supermärkten gegen Geld verkauft werden. Demnach handelt es sich beim grönländischen Walfang um eine Mischung aus Eingeborenen-Subsistenzwalfang zur Selbstversorgung der Küstenbewohner einerseits, und kommerziellem Walfang andererseits, der nach dem IWC-Moratorium untersagt ist.

Auch für den Umgang mit dem dänischen Buckelwal-Antrag gilt, dass das Bemühen der EU-Länder um eine gemeinsame Position ein besonderes Problem darstellt. Insgesamt schält sich heraus, dass die Haltung der EU ein entscheidender Faktor für die IWC-Tagung 2010 und für das Wohl oder Wehe der Wale wird.

Zur Vertiefung empfohlen:

Christoph Seidler: Walfang-Kommission erwägt Lockerung des Jagdverbots. – Spiegel online (3. Juni 2010): http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,698035,00.html

Mark Simmonds und Sue Fisher: Save the whales, not the whalers. – New Scientist Nr. 2755 (9. April 2010).

Die Verhandlungsdokumente der IWC-Jahrestagung sind vorab auf der Website der Internationalen Walfangkommission herunterzuladen.

Der Cetacea.de Autor Johannes Albers ist nicht nur Spezialist für fossile Wale, sondern auch Walfangexperte. Er hat für Greenpeace und Cetacea.de zusammenfassende Berichte über die IWC Konferenzen geschrieben (IWC 61 – 2009, IWC 60 – 2008).

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