Schweinswale aus der Luft

von Anita Gilles | WuM | Hannover | 31. Januar 2007

Flugzählungen mariner Säugetiere in Nord- und Ostsee

Anita Gilles
Forschungs- und Technologiezentrum Westküste
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Hafentörn 1
25761 Büsum
gilles – bei – ftz-west.uni-kiel.de

Vortrag am 31. Januar 2007 an der Tierärztlichen Hochschule Hannover in der „Alten Apotheke“

Zusammenfassung

Hintergrundinformation

Der Gemeine Schweinswal Phocoena phocoena ist auf der Nordhalbkugel in kalten und gemäßigten Küsten- und Schelfmeeren verbreitet. Im Nordostatlantik kommt er von den nördlichen Küstengewässern Norwegens bis in den Englischen Kanal vor. Der Schweinswal ist durch eine Vielzahl anthropogener Einflüsse gefährdet (Hutchinson et al. 1995; Kaschner 2001; Scheidat & Siebert 2003). Nachgewiesen wurden schädliche Einflüsse durch den hohen Eintrag von Schadstoffen (Aguilar & Borrell 1995; Jepson et al. 1999; Siebert et al. 1999; Siebert et al. 2002), den Beifang in der Fischerei (Kock & Benke 1996; Vinther 1999; Lockyer & Kinze 2003), die Dezimierung von Fischbeständen durch natürliche und menschliche Faktoren (Evans 1990; Lowry & Teilmann 1994) sowie durch Lärmbelastung und Schiffsverkehr (Kröger 1986; Richardson et al. 1995; Ketten 1995).

Zur Beurteilung der Bedeutung weiterer anthropogener Einflüsse auf Schweinswale, wie z.B. die Konstruktion von Bauwerken (z.B. geplante offshore Windenergie-anlagen) im Bereich der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), benötigt man belastbare Daten über die Abundanz der Schweinswalbestände sowie über deren saisonale Verteilung in deutschen Gewässern. Nur so kann langfristig festgestellt werden, ob die Anzahl von Schweinswalen unter dem Einfluss anthropogener Faktoren konstant bleibt, ansteigt oder abnimmt. Da es sich bei Schweinswalen um hochmobile Tiere handelt, verändert sich vor allem die räumliche Verteilung über die Zeit. Wird diese natürliche Variation erforscht, kann bewertet werden, ob und inwieweit eine Veränderung in der Bestandsgröße bzw. in der Verteilung stattfindet.

Zu diesem Zweck wurde im Mai 2002 das Projekt MINOS (Marine Warmblüter in Nord- und Ostsee: Grundlagen zur Bewertung von Windkraftanlagen im Offshore-Bereich) gestartet, das zunächst bis Ende 2003 lief und dann im Folgeprojekt MINOSplus bis 2006 fortgesetzt wurde. Beide Projekte wurden vom Bundesministerium für Umwelt (BMU) gefördert. MINOS und MINOSplus waren Verbundprojekte, die aus sieben Teilprojekten zu unterschiedlichen Fragestellungen bestanden (Informationen finden sich auf www.minos-info.de). Zu Beginn der MINOS-Projekte gab es nur wenige Informationen über die Verteilungsmuster und die Dichte von Schweinswalen in deutschen Gewässern. Bestandsabschätzung von Schweinswalen, die ausschließlich den gesamtdeutschen Teil der Nord- und Ostsee betreffen, gab es bisher nicht. Der einzige großräumige Survey zur Erfassung von Schweinswalen sowie anderen Kleinwalarten war bis dato der EU-weite SCANS Survey (Small Cetacean Abundance in the North Sea and Adjacent Waters), der im Juli 1994 durchgeführt wurde (Hammond et al. 2002). Die Abdeckung in einigen Gebieten der deutschen Nord- und Ostsee war jedoch nicht vollständig, z.B. fehlten belastbare Daten über die Gebiete vor Ostfriesland und östlich von Rügen. Siebert und Kollegen fassten alle verfügbaren Datenquellen (Flugzählungen, Strandungen, zufällige Sichtungen) zum Vorkommen von Schweinswalen im Zeitraum 1980 bis 2002 zusammen (Siebert et al. 2006).

Zusätzlich zu den Erfassungen in MINOS, wurden vom FTZ im Zeitraum 2002 bis 2005 Untersuchungen für das Bundesamt für Naturschutz (BfN) durchgeführt. Im Projekt EMSON (Erfassung von Meeressäugetieren und Seevögeln in der deutschen AWZ von Nord- und Ostsee) sollten bestimmte, ökologisch besonders wertvolle, Gebiete hinsichtlich ihrer Nutzung durch Schweinswale untersucht werden. Dies hatte folgenden Hintergrund: Seit 1992 sind die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten zu schaffen. Grundlage dazu ist die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie 92/43/EWG) zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen. Diese Schutzgebiete bilden zusammen mit den europäischen Vogelschutzgebieten (gemäß EU-Vogelschutzrichtlinie 79/409/EWG) das EU-weite Schutzgebietssystem NATURA 2000. Innerhalb der deutschen AWZ von Nord- und Ostsee müssen u.a. Vorkommen, räumliche und saisonale Verteilung von Meeressäugetieren für die Aufstellung eines Bestandsmonitorings, sowie für die Entwicklung von Managementplänen weiter analysiert werden. Weitere Informationen finden sich unter www.habitatmarenatura2000.deund in Scheidat et al. 2006.

Methode der Flugzählungen

Die Erfassung der Schweinswale wurde mittels Flugzählungen durchgeführt. Die Methode basiert auf der für marine Säugetiere etablierten line-transect“ Methode (Buckland et al. 2001), die es erlaubt die Dichte von biologischen Populationen abzuschätzen. Bei einer konstanten Geschwindigkeit (100 Knoten) und Flughöhe (183 m) werden definierte Transekte (syn. Transektlinien) innerhalb des Untersuchungsgebietes abgeflogen. Die Transekte müssen dabei so gewählt sein, dass diese in ihrer Lage voneinander unabhängig sind. Gibt es einen bekannten Dichtegradienten der untersuchten Tierpopulation, sollten die Transekte senkrecht zu diesem gewählt werden. Da die Dichteverteilung von Walen oftmals mit Tiefenlinien assoziiert ist, schneiden die Transekte die Tiefenlinien im rechten Winkel. Dies gewährleistet auch eine Vergleichbarkeit der Transekte untereinander, so dass diese später als einzelne Stichproben betrachtet werden können. Ingesamt wurde ein Gebiet mit einer Fläche von 64.000 km2 untersucht. Die folgenden Teilgebiete (sog. Strata) wurden regelmäßig abgeflogen (Abb. 1): A-Entenschnabel, B-Offshore, C-Nordfriesland, D-Ostfriesland, E-Kieler Bucht, F-Mecklenburger Bucht und G-Rügen. Jedes dieser Teilgebiete konnte in maximal 10 h abgeflogen werden. Zwei der drei Untersuchungsgebiete in der deutschen Ostsee wurden aus logistischen Gründen über die Grenze der deutschen AWZ hinaus bis zu den dänischen Inseln erweitert. In den Strata E und F wäre die Fläche ansonsten zu klein gewesen, um eine sinnvolle Erfassung mit dem Flugzeug durchzuführen.

Abbildung 1: Untersuchungsgebiete der Projekte MINOS und MINOSplusin der AWZ und 12 sm-Zone. Die Transekte sind als durchgezogene graue Linien eingezeichnet. Der Transektabstand beträgt 10 km in Stratum A-C und 6 km in Stratum D-G.

Für die hier durchgeführte Studie wurde als Flugzeugtyp eine Partenavia 68 genutzt, ein Schulterdecker (Abb. 2), der mit ausgewölbten Fenstern, den sogenannten Bubble“-Fenstern, ausgerüstet ist. Diese speziellen Fenster erlauben es den Beobachtern das Transekt direkt unter der Maschine zu beobachten.

Das Team im Flugzeug besteht immer aus drei Personen und dem Piloten: Vorne rechts neben dem Piloten sitzt der sogenannte Navigator. Dieser bedient den Computer, der mit einem GPS verbunden ist. Die Position des Flugzeuges wird alle 2 Sek. abgespeichert. Der Navigator überwacht die Einhaltung der konstanten Flughöhe und Geschwindigkeit, er koordiniert die Befliegung der Transekte mit dem Piloten und gibt die Sichtungen der Schweinswale bzw. anderer mariner Säugetiere direkt in den Computer ein. Er selbst führt keine Beobachtungen durch. Außerdem ist der Navigator für die Eingabe der Sichtungsbedingungen zuständig, die diesem ebenfalls von den Observern mitgeteilt werden.

Abbildung 2: Partenavia P68 der SyltAir. rechts: bubble-Fenster.

Die Umwelt- und Sichtungsbedingungen werden zu Beginn eines jeden Transekts bestimmt und bei jeglicher Veränderungen sofort angepasst. Dazu gehören Seegang (nach der Beaufort-Skala), Trübung, Niederschlag, Wolkenbedeckung und Reflektion der Sonne auf dem Wasser (sog. glare). Zudem schätzen die Observer, unter Berücksichtung aller genannten Umweltbedingungen, die Sichtungswahrscheinlich-keit für Schweinswale als gut, moderat oder schlecht ein. Die geschieht getrennt für jede Seite. Diese Einschätzung sowie eine standardisierte Aufnahme der Umweltbedingungen ist essentiell für eine spätere robuste Dichteabschätzung. Der Schweinswale ist, aufgrund seiner geringen Größe, der kleinen Gruppengröße von meist nur 1-2 Tieren und seines nicht auffälligen Verhaltens an der Oberfläche, eine der schwierigsten zu erfassenden Kleinwalart. Alle Daten, die während der Sichtungswahrscheinlichkeit schlecht aufgenommen wurden, wurden von der späteren Analyse ausgeschlossen.

Die beiden Beobachter (Observer) sitzen hinter dem Piloten rechts und links an den Bubble-Fenstern. Mit bloßem Auge scannen sie v.a. den Bereich der Transektlinie (d.h. direkt unter dem Flugzeug) und im rechten Winkel des Transekts (bis ca. 500 m auf jeder Seite). Für jede Sichtung werden, neben dem Sichtungswinkel, folgende Informationen festgehalten: Gruppengröße, Gruppenzusammensetzung (v.a. Vorkommen von Kälbern), Verhalten (z.B. Ruhen, Fressen), Schwimmrichtung in Relation zum Transekt, Sichtungsauslöser (cue, z.B. Körper, Spritzer), evtl. Reaktionen auf das Flugzeug und jegliche Kommentare. Diese Informationen werden direkt über das Interkomm-System an den Navigator weitergegeben und online registriert. Der Winkel zur Sichtung wird mit Hilfe eines Winkelmessgerätes (Inklinometer) bestimmt (Abb. 3)

Abbildung 3: Observer am Bubble“-Fenster mit Inklinometer zur Winkelmessung.

Für die Berechnung von Populationsgrößen mittels Distance sampling“ werden die Distanzen der Sichtungen zum Transekt bestimmt. Berechnet werden diese Entfernungen (x), indem die vertikalen Winkel ((), welche die Beobachter zu jeder Sichtung mittels des Inklinometers erfassen, in folgende Formel eingesetzt werden:

x = r * tan (90-α) (mit r = (konstante) Flughöhe)

Diesen Daten wird später eine Wahrscheinlichkeitsfunktion angepasst, die es ermöglicht, aus allen Entfernungen der Sichtungen zum Transekt die effektive Streifenbreite esw für die Transekte zu berechnen (Buckland et al. 2001). Den standardisierten Sichtungsbedingungen gut und moderat wird jeweils eine eigene esw zugeordnet. Sind die Sichtungsbedingungen verschlechtert, wie z.B. durch stärkeren Seegang oder eine hohe Trübung, so wird die Streifenbreite, in der man effektiv Schweinswale sichten kann, entsprechend verkleinert.

Die Berechnung eines weitere wichtigen Korrekturfaktors soll kurz angesprochen werden: Da Wale einen großen Teil ihres Lebens unter Wasser verbringen, sind sie für die Beobachter zum Teil nicht sichtbar. Als g(0) wird die Wahrscheinlichkeit bezeichnet, ein Tier zu sichten, das sich auf dem Transekt befindet. Würde angenommen, dass g(0) = 1 ist, so käme es im Falle von marinen Säugetieren zu einer Unterschätzung der Dichte. Es gibt zwei Gründe, warum nicht alle Schweinswale im Beobachtungsgebiet entdeckt werden können:
a) Die Wale sind (aufgrund von Tauchphasen) für den Beobachter nur für eine kurze Zeit sichtbar und
b) Die Wale werden, auch wenn sie sichtbar sind, nicht immer von den Beobachtern entdeckt. Diese Faktoren wurden von uns seit Mai 2002 im Rahmen einer sehr detaillierten Auswertung mit Hilfe der racetrack– Methode (Hiby & Lovell 1998, Hiby 1999) ermittelt. Dazu verlässt das Flugzeug genau 30 Sek. nach einer Schweinswalsichtung das Transekt, um einen Kreis zu fliegen. Dieser bringt das Flugzeug nach 120 Sek. wieder auf das Transekt; d.h. ein bestimmter Flugabschnitt wird doppelt beflogen. Aus dem Verhältnis gesichteter Schweinswale zwischen erster und zweiter Befliegung wird, unter Berücksichtigung mehrerer Faktoren (z.B. Schwimmgeschwindigkeit, möglicher Versatz der Sichtung), der g(0)-Wert ermittelt. Bisher wurden über 200 solcher racetracks erfolgreich absolviert.

Ausgewählte Ergebnisse

Da an dieser Stelle nicht alle Ergebnisse aus fünf Jahren Feldarbeit in Nord- und Ostsee gezeigt werden können, werden die Ergebnisse exemplarisch am Beispiel der Nordsee gezeigt. Alle weiteren Ergebnisse können in Gilles et al. 2007 & 2008nachgelesen werden. Eine Darstellung der georeferenzierten Daten erfolgt über Verteilungskarten. Wichtig bei dieser Darstellung sind nicht nur die reinen Sichtungspositionen, sondern v.a. der Suchaufwand unter den verschiedenen Sichtungsbedingungen. Diese beiden Information können in den sog. Rasterkarten gemeinsam dargestellt werden. Die Daten sind dann aufwandsbereinigt. Dazu wurde das Untersuchungsgebiet in 10 x 10 km große Rasterzellen unterteilt, die jeweils die mittlere Dichte pro Zelle (d.h. Indiv./100 km2) darstellen. In den nachstehenden Abbildungen sind die Flugdaten der fünf Untersuchungsjahre (2002 bis 2006) pro Jahreszeit zusammengefasst (gepoolt) worden. Zuvor wurde statistisch geprüft, ob die Voraussetzung zum Poolen gegeben war. Die Daten gleicher Saisons verschiedener Jahre dürfen nicht signifikant unterschiedlich sein, sondern müssen sich ähneln. Ist dies nicht der Fall, müssen die Daten getrennt pro Jahr betrachtet werden. Im Fall der Nordseedaten konnte eine signifikante Korrelation nachgewiesen werden.

Frühling
Sommer
Herbst

Abbildung 4: Saisonale Verteilungsmuster von Schweinswalen in der deutschen Nordsee (2002-2006). Dargestellt ist die mittlere Dichte der Schweinswale pro Rasterzelle (10×10 km) im Frühling (März-Mai), Sommer (Juni-Aug.), und Herbst (Sep.-Nov.). (aus : Gilles et al. 2008)

Es zeigten sich starke saisonale Unterschiede in der Verteilung der Schweinswale. In der Nordsee zeigt die aufwandsbereinigte Rasterkarte, dass die Verteilung im Frühling stark geklumpt ist. Es sind zwei hot spots hoher Schweinswaldichte erkennbar: Einer befindet sich im süd-westlichen Bereich der deutschen AWZ, ungefähr 60 km vor den ostfriesischen Inseln, im Gebiet um Borkum Riffgrund. Die höchste Aggregation von Schweinswalen befindet sich im Frühling im Bereich des Sylter Außenriffs, ca. 40-130 km vor den nordfriesischen Inseln Sylt und Amrum. Hohe Dichten wurden auch im Bereich der Insel Helgoland und auf der Doggerbank, 300 km von der deutschen Nordseeküste entfernt, vorgefunden.

Im Sommer ist ein ausgeprägter Nord-Süd Gradient zu erkennen, wiederum hervorgerufen durch sehr hohe Dichten nordwestlich der Inseln von Amrum und Sylt. Die Dichte im südlichen Teil der Deutschen Bucht nahm, abgesehen von kleineren lokalen Konzentrationen (wie beispielsweise bei Helgoland), ab. Die Dichte südlich 54°30’N ist zu dieser Jahreszeit ungefähr sechs mal niedriger als im Norden.

Im Herbst nimmt die Schweinswaldichte in der Deutschen Bucht stark ab. Es ist kein klarer Nord-Süd Gradient mehr erkennbar. Die Verteilung erscheint flächiger und ist nicht mehr stark geklumpt. Vergleichsweise hohe Dichten wurden wieder im Bereich des Sylter Außenriffs und um Helgoland entdeckt. Im Vergleich zu den Sommermonaten wurde im Bereich vor Ostfriesland eine höhere Anzahl an Schweinswalen entdeckt, obwohl die Dichte sehr viel geringer ist als im Frühling. Da im Rahmen von MINOS und MINOSplus keine Erfassungen jenseits der deutschen Gewässer durchgeführt wurden, ist es schwierig, eine Aussage darüber zu treffen, wohin die Tiere abgewandert sein könnten. Zu dieser Jahreszeit ist eine Abdeckung des Entenschnabels problematisch. Hier dargestellt ist nur ein Erfassungsflug, der im November 2005 statt gefunden hat. Eine abschließende Beurteilung der Nutzung dieses Gebietes durch Schweinswale im Herbst ist daher nicht möglich. Es scheint jedoch auch hier zu Abnahmen in der Dichte zu kommen.

Diskussion

Im Hinblick auf die räumliche Verteilung zeigen die Ergebnisse der MINOS und MINOSplus Erfassungen sehr deutlich, dass die Habitatnutzung heterogen ist, wobei Schweinswale klare Präferenzen für einige bestimmte Gebiete zeigen, die daher als wichtige Gebiete zur Nahrungssuche angesehen werden können. Diese Präferenz ist am deutlichsten im Frühling und Sommer ausgeprägt und weniger erkennbar im Herbst. Im Frühling, zu Beginn des Einziehens in deutsche Gewässer, kommt es zur Bildung zweier hot spots. Die Bereich um den Borkum Riff Grund und das Sylter Außenriff scheinen als Nahrungsgründe eine Schlüsselrolle einzunehmen und stellen die Gebiete dar, von denen aus die Tiere sich im weiteren Jahresverlauf in der Deutschen Bucht verteilen. Die Schweinswaldichte vor den ostfriesischen Inseln hat im Verlauf des Untersuchungszeitraumes zugenommen. Ab 2004 wurden vornehmlich im Frühling besonders hohe Sichtungszahlen verzeichnet. Gleichzeitig berichteten die südlich angrenzenden Nachbarstaaten, die Niederlande, Belgien und Nordfrankreich einen Anstieg an Schweinswalsichtungen und Strandfunden (Camphuysen 2004, Kiszka et al. 2004). Des weiteren ergab auch der EU weite SCANS II Survey (im Juli 2005), dass die durchschnittliche Schweinswaldichte im Untersuchungsgebiet südlich von 56ºN im Vergleich zu 1994 etwa doppelt so hoch war (P. Hammond, pers. Mitt.). Diese interannuellen Veränderungen in der Abundanz könnten auf kleinskalige Veränderungen in der Verteilung der Tiere und/oder ihrer Beute zurückzuführen sein, wobei eine Kombination beider Faktoren am wahrscheinlichsten ist.

Die erzielten Ergebnisse stellen eine Grundlage für alle nachfolgenden Erfassungen in der AWZ dar. Weitere Bemühungen sind jedoch unerlässlich. Die Abundanz der Tiere muss beobachtet werden und verlangt ein Monitoring, um mögliche Veränderungen der Zahlen in Zukunft frühzeitig aufdecken zu können. Der Bau der ersten Offshore-Windenergieanlagen in deutschen Gewässern steht kurz bevor und es ist wichtig die Dichte der Tiere zu beobachten und mögliche Verschiebungen in ihrer Verteilung zu verfolgen. In unseren Gewässern wurden wichtige Nahrungsgründe und im Vergleich zu allen anderen europäischen Gewässern höchste Schweinswaldichten gefunden. Deutschland trägt damit eine große Verantwortung für den Schutz dieser Tiere.

Danksagung

Für die Finanzierung der MINOS und MINOSplus EMSON bedanken wir uns recht herzlich beim BMU und BfN. Die Durchführung der zahlreichen Flugzählungen wäre unmöglich gewesen ohne den besonderen Einsatz der Observer und Navigatoren: Jörg Adams, Patrik Börjesson, Helena Herr, Iwona Kuklik, Kristina Lehnert, Linn Lehnert, Maik Marahrens, Denise Risch, Carsten Rocholl, Meike Scheidat, Thorsten Walter und Solvin Zankl. Unser besonderer Dank geht an die Piloten Peter Siemiatkowski, Kai-Uwe Breuel, Michi Lange, Clemens Frohmann und Daniela Kohnen von SyltAir (Sylt), an Leif Petersen vom Danish Air Survey (Roskilde) und an Stefan Hecke und Christoph Wehr von FLM Aviation (Kiel). Wir danken Lex Hiby und Phil Lovell für die Berechnung der effektiven Streifenbreiten und g(0).

 

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