Schweinswale: Totfunde an europäischen Küsten zusammenhängend untersucht

von Cetacea.de | Universität Utrecht | Utrecht | 8. September 2020

Seit 1990 wurden mehr als 16.000 tote Schweinswale, darunter 2600 an britischen Stränden, an Europas Küsten rund um die Nordsee gefunden. Dies geht aus einer neuen internationalen Studie hervor, die von der Universität Utrecht in den Niederlanden zusammen mit neun weiteren Einrichtungen durchgeführt wurde. Auch das Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover war beteiligt. Die Studie zeigt seit 2005 einen deutlichen Anstieg der jährlichen Strandungszahlen in Gebieten der südlichen Nordsee. Die Strandungszahlen in den nördlichen Regionen veränderten sich kaum. Der Anstieg im Süden geht einher mit einer Zunahme von Schweinswalsichtungen in dieser Region. Trotzdem lässt sich eine eindeutige Ursache für den anhaltend starken Anstieg der Strandungen noch nicht ausmachen.

Das Studiengebiet: Die Nordsee. Die Farben zeigen die sechs Regionen, aus denen Daten von Schweinswalstrandungen in die Untersuchung eingegangen sind. Region A (in grau) mit dem Nordosten von Schottland von Thurso bis St Fergus, mit den Orkney Inseln; Region B (in rot) von St Fergus, Schottland bis Newcastle, England; Region C (in dunkelblau) von Newcastle, England bis Great Yarmouth, England; Region D (in hellblau) die restliche südliche Nordseeküste Englands, die belgische Küste, und das Delta Gebiet der Niederlande; Region E (in gelb) der Rest der Niederlande mit dem Wattenmeer und Region F (in pink) mit den Nordseeküsten Schleswig-Holsteins und Dänemarks. Niedersachsen hat keine Daten geliefert. Graphik Herrmann/Cetacea.de adaptiert nach IJSSELDIJK et al. 2020, CC-BY 4.0

Die Studie, deren Ergebnisse in der Fachzeitschrift Biological Conservation veröffentlicht wurden, umfasste Schweinswal-Strandungen aus fünf Ländern über einen Zeitraum von 28 Jahren, wobei spezielle Strandungsprogramme aus Schottland, England, Belgien, den Niederlanden, Schleswig-Holstein und Dänemark Daten beisteuerten.

Auftraggeber der Untersuchung ist die niederländische Generaldirektion für öffentliche Arbeiten und Wasserwirtschaft Rijkswaterstaat. Im Rahmen des Offshore-Windenergie-Ökologieprogramms (WoZEP) wollte man dort wissen, wie sich die Offshore-Windenergieentwicklungen auf die marinen Ökosysteme der Nordsee auswirken.

Strandungsnetzwerke rund um die Nordsee

Die Hauptautorin der Studie, Lonneke IJsseldijk, sagte: „Der Schweinswal ist die am häufigsten vorkommende Walart in der Nordsee. Die meisten Länder sammeln Daten und untersuchen Strandungen von Schweinswalen auf nationaler Ebene. Aber Schweinswale sind eine sehr mobile Art und bewegen sich unabhängig von diesen nationalen Grenzen. Es ist daher sinnvoll, diese Informationen auf einer ökologisch relevanten Skala zu untersuchen und Daten aus allen einzelnen Ländern für einen Überblick auf Populationsebene zusammenzutragen“.

Die Studie wirft einen Blick auf die saisonalen Unterschiede und Variationen zwischen den Jahren bei den Strandungszahlen im gesamten Nordseegebiet. Jede Region zeigte saisonal abhängige Häufigkeiten von Schweinswal-Totfunden. Diese saisonalen Muster waren in den verschiedenen Regionen unterschiedlich. In den Regionen selbst blieben die saisonalen Häufigkeiten in den 28 Jahren, die von der Studie abgedeckt wurden, konsistent. So kommt es an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins und Dänemarks vor allem im Frühsommer zu vermehrten Strandungen.

Totfunde von Schweinswalen an den europäischen Nordseeküsten (ohne Niedersachsen) von 1990 bis 2017. Graphik: Herrmann/Cetacea.de, Datenquelle: IJSSELDIJK et al. 2020, CC-BY 4.0

Die Variation der Strandungshäufigkeiten kann durch eine Reihe von Faktoren bedingt sein, darunter Schwankungen in der Häufigkeit, Verteilung und Sterblichkeit von Tieren. Um etwas Licht auf die potenziellen Triebkräfte für die verschiedenen in der Studie gefundenen Muster zu werfen, untersuchten die Forscher biologische Parameter der gestrandeten Tiere.

Wie alle Wale stehen Schweinswale in europäischen Gewässern unter Naturschutz, sind aber bekanntermaßen schwer zu überwachen.

Schweinswale sind schwer zu untersuchen

Schweinswal vor Wilhelmshaven

Mariel ten Doeschate von Scottish Marine Animal Stranding Scheme (SMASS) und Mitleiterin der Untersuchung sagte „Schweinswale gehören zu den kleineren und schwer fassbaren Walarten. Die Tiere leben meist allein oder in kleinen Gruppen und verbringen sehr wenig Zeit an der Oberfläche. Das bedeutet, dass sie eine besonders schwer zu überwachende Art sind, und es ist sehr schwierig, Informationen selbst über die grundlegendsten Populationsmetriken zu sammeln.

„Es werden Zählstudien im Nordseeraum durchgeführt, um zu versuchen, Vorkommen und Verbreitung der Art abzuschätzen, aber diese sind oft logistisch beschränkt. Andererseits sind gestrandete Tiere überall an der Küste zu finden und werden das ganze Jahr über gemeldet. Die Einrichtungen, die Daten zu dieser Studie beisteuern, erfassen in ihren Regionen alle Strandungen von Schweinswalen systematisch.

„Die Untersuchung gestrandeter Individuen ermöglicht es uns zusätzlich, Informationen über Parameter wie Alters- und Geschlechtsklasse zu sammeln, die Aufschluss über die Populationsstruktur und die Habitatnutzung geben – wichtige Daten, die durch Erhebungen an lebenden Tieren nur sehr schwer zu erhalten sind“.

IJsseldijk sagte, es gebe immer noch eine große Unsicherheit über die möglichen Auswirkungen der Offshore-Entwicklung erneuerbarer Energien auf Meeressäuger und ihre Lebensräume.

Veränderung der Strandungsdichten von Schweinswalen über drei Jahrzehnte in der Nordsee.Graphik adaptiert nach IJSSELDIJK et al. 2020, CC-BY 4.0

Sie fügte hinzu: „Um die negativen Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Schweinswale vorherzusehen und so gering wie möglich zu halten, ist es unerlässlich, dass anfällige Populationen und räumlich-zeitliche Schwankungen in der Widerstandsfähigkeit der Schweinswale berücksichtigt werden. Unsere Studie hat wertvolle Einblicke in die Grundvariation der Strandungsraten und der Populationsstruktur geliefert und war daher ein wertvoller erster Schritt, um unser Verständnis der Demographie der Schweinswale in der Nordsee zu verbessern.

Die Forschung war eine Zusammenarbeit zwischen der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Utrecht in den Niederlanden, dem Scottish Marine Animal Stranding Scheme, dem UK Cetacean Stranding Investigation Programme, dem Department of Bioscience der Universität Aarhus, dem Institut für terrestrische und aquatische Wildtierforschung der Tierärztlichen Hochschule Hannover, dem Königlich-Belgischen Institut für Naturwissenschaften, dem Naturalis Biodiversity Center, dem Cetacean Atlas of Denmark und dem Natural History Museum & Fisheries and Maritime Museum Denmark.

Besprochene Veröffentlichung

IJSSELDIJK, L. L., M. T. I. TEN DOESCHATE, A. BROWNLOW, N. J. DAVISON, R. DEAVILLE, A. GALATIUS, A. GILLES, J. HAELTERS, P. D. JEPSON, G. O. KEIJL, C. C. KINZE, M. T. OLSEN, U. SIEBERT, C. B. THØSTESEN, J. VAN DEN BROEK, A. GRÖNE, und H. HEESTERBEEK (2020):
Spatiotemporal mortality and demographic trends in a small cetacean: Strandings to inform conservation management.
Biological Conservation 249:108733.

Dieser Text basiert auf einer Übersetzung einer Mitteilung der Universität Utrecht: „Death toll of North Sea porpoises revealed

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Lonneke Ijsseldijk