Wale können sich nicht wehren

von | | | 11. Januar 2006

Früher Walfang

Obwohl das Kesseltreiben auf die großen Wale seinen verheerenden Anfang in nordpolaren Regionen nahm, waren es nicht die indigenen Völker, die ihnen nahezu den Garaus machten. Erst die Walfänger aus dem fernen Europa haben bereits vor mehr als 200 Jahren ganze Arbeit geleistet: Auf der Suche nach dem »flüssigen Gold« für die Tranfunzeln Europas. Amerika ist erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in das gnadenlose Geschäft eingestiegen (siehe auch Tab.1).

Wie der Grönlandwal gehört auch der Nordkaper (Eubalaena glacialis) zu den Glattwalen (Balaenidae) – und zu den ersten Opfern des Walfangs. Weil diese Bartenwale (Mysticeti) mit der glatten Unterseite – ohne Kehlfurchen – so fett und langsam sind, werden sie im Englischen »Right Whales« genannt, die »Richtigen« für die Harpune. Schon mit Handharpune und Handlanze konnten die Walfänger sie von geruderten Schaluppen aus töten (Abb. 1, Tab. 1). Ihre Kadaver sinken nicht auf den Meeresboden, von wo die Männer sie mit primitiver Technik nicht hätten bergen können.

historische Walfangszene auf Französischer Schokolade (Bild: A. Schmidt).Abb. 1: historische Walfangszene auf Französischer Schokolade (Bild: A. Schmidt). Der frühe Walfang, wie z.B. auf Schokolade dargestellt, war schon ein gutes Geschäft aber auch sehr mühsam. Gefährlich für Mannschaft und Boote wurden nicht die gutmütigen Wale, wie hier ein Grönlandwal, sondern die rauen Bedingungen in den Polarmeeren. Manche Schiffe froren im Packeis ein, und Boote gingen mit »Mann und Maus« verloren.

Die ersten professionellen Walfänger waren Basken, die schon im 12. Jahrhundert Jagd auf den Nordkaper im Golf von Biskaya machten. Vor ihnen war Walfang eher dem Zufall überlassen, wenn Bewohner von Küstenregionen gestrandete Wale ausschlachteten oder ihnen mit Giftpfeilen beim Stranden nachhalfen, um den Speck der riesigen »Fische« zu nutzen. Bald, nachdem die Basken den Wert der Meeressäuger entdeckt hatten, gaben sie sich nicht mehr mit denen zufrieden, die im Winter vor ihrer Küste auftauchten. Sie bauten seetüchtige Schiffe und verfolgten die Beute auf ihren Wanderrouten in die sommerlichen, arktischen »Weidegründe«.

Anders als die Grönlandwale wandern Nordkaper zwischen ihren arktischen Nahrungsgebieten im Sommer und ihren Fortpflanzungsgründen in gemäßigten Breiten im Winter. GASKIN (1982) bezeichnet die jährliche Migration der Cetacea als Kompromiss zwischen ihren Ernährungs- und Fortpflanzungsbedürfnissen. In den gemäßigten Breiten – ohne üppiges Nahrungsangebot – zehren die Wale von ihrem Speck und gebären ihren Nachwuchs. Fast alle Jungmeeressäuger werden mit dünnem Speckmantel geboren. Den Blubber müssen sie sich über die fette Muttermilch erst antrinken. Sie wachsen schnell, sowohl in die Länge als auch in die Breite.

Während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts tauchten die Basken vor der Küste von Labrador auf, wo sie Landstationen unterhielten, um den »Blubber«, den Speck der Wale, zu verkochen. Nahe der Küsten waren die mit ihren 4 km/Stunde Marschgeschwindigkeit langsamen und leicht zu erlegenden Tiere schnell selten geworden. Die »Baienfischerei« lief auf Hochtouren. Neben dem begehrten Blubber, der bei den eismeertauglichen 50– 60 t schweren Tieren aus gutem Grund 50 cm Dicke erreichen und 30 t Speck ergeben kann, interessierten sich die Walfänger zunehmend für die Barten. Die an den Enden ausgefransten Hornlamellen dienen den Tieren als Filterapparat beim Nahrungserwerb. Sie schwimmen mit »gefletschten« Barten durch ein Meer von Nahrung aus Plankton, hauptsächlich kleinen Krebstieren. Der Meeresfrüchte-Cocktail bleibt in den Barten hängen, während die Wale das Wasser an den Maulrändern abquetschen und die Nahrung mit der Zunge zur Kehle befördern. Mit ihren etwa 350 Bartenplatten pro Oberkieferhälfte, die in der Mitte eine Länge von 4,30 m erreichen können, haben Grönlandwale die längsten und schönsten Barten. Das stabile und biegsame »Fischbein« diente der Fabrikation von Korsetts, Regen- und Sonnenschirmen, Angelruten, Sprungfedern für Kutschen usw. Über eine Tonne konnte ein großes Tier von etwa 15 m liefern.

Im Laufe des 17. Jahrhunderts waren auch die Deutschen gestartet. Zwischen dem 15. und der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert war durch den extensiven Walfang im Norden eine Population nach der anderen so gut wie ausgerottet (Abb. 2). Nach Schätzungen von DE JONG (1983) töteten niederländische Fänger zwischen 1661 und 1823 allein 73.000 Wale. Um 1866 waren die Fänge so stark zurückgegangen, dass die Walfänger auch Walrosse und andere Robben – alles, was genügend Speck auf den Rippen hat – verkochten. Wo der Walfang begann, kam er alsbald zum Höhepunkt – und zum Erliegen, in jeweils höchstens 50 Jahren (Abb. 2).