Wandel bei den Walen: Zur Entstehung der Bartenwale

von | cetacea.de | Wittmund | 15. Oktober 2010

Zu den Bartenwalen gehören die gewaltigsten Tiere, die jemals auf der Erde gelebt haben. Wie kam es zur Entwicklung dieser riesigen Lebewesen? Welche Forscher haben sich an die detektivische Arbeit gemacht und mit Hammer, Meißel und Pinsel unbekannte Wale aus altem Gestein freigelegt? Der Experte für fossile Wale Johannes Albers beschreibt in seinem Aufsatz „Ohne Zähne im Oligozän“ die aktuellen Erkenntnisse zum Aufkommen zahnloser Bartenwale.

In seinem Artikel „Bartenwale mit Zähnen“ hat Johannes Albers dargelegt, wie kontinentale Umformungen im Paläogen (vor 65,5 – 23 Mio. Jahren) zu neuen Kaltwasserströmungen, dem Auftreten von Plankton und schließlich zur Verbreitung der Bartenwale beigetragen haben.

Im neuen Aufsatz „Ohne Zähne im Oligozän“ geht es nun um die Bartenwale, die – wie wir es von den rezenten Bartenwalen kennen – statt Zähnen Barten im Maul trugen. Der älteste bekannte zahnlose Bartenwal, belegt durch ein Fundstück aus dem US-Bundesstaat Washington, hat im Eozän vor 34 – 35 Millionen Jahren gelebt. Johannes Albers beschreibt weltweite Fundstätten von zahnlosen Bartenwalen und schildert wichtige Etappen der Erforschungsgeschichte. Ein besonderes Augenmerk richtet er auf die neuseeländischen Beiträge zur Erforschung dieser Tiere.

Im Wadi der Wale

Über fossile Wale handelt auch ein Artikel in der Oktober-Ausgabe von National Geographic Deutschland: „Im Wadi der Wale“, S. 140 – 159. Dazu berichtet Johannes Albers:

Dieser Artikel (Text von Tom Mueller, Fotos von Richard Barnes) befasst sich mit den Urwal-Forschungen des berühmten Amerikaners Philip D. Gingerich, der in Pakistan und Ägypten zahlreiche Ausgrabungen geleitet hat. Die englische Version des Beitrags erschien bereits in der August-Ausgabe des amerikanischen Originals von National Geographic („Valley of the Whales“, S. 118 – 137).

Die Fotos zeigen u.a. Skelette von Maiacetus inuus aus Pakistan und von Basilosaurus isis aus Ägypten. Interessant ist aber nicht nur der naturkundliche Inhalt des Artikels, sondern auch seine Stellung in einem spannungsgeladenen kulturellen Geflecht:

Gingerichs Mitarbeiter in Pakistan. Einige von ihnen seien hier hervorgehoben: Links mit roter Kappe sitzt Munir ul-Haq, hinter ihm steht der Jordanier Iyad Zalmout. Diese beiden Forscher fanden im Jahr 2000 zwei Knochenstücke, die sich in Gingerichs Hand als zusammengehörig erwiesen. Sie lieferten in ihrer Ganzheit den Beweis, dass die Wale von Paarhufern abstammen. Vorn links sitzt mit weißem Turban Mohammad Arif. Er war der Erste, der Knochen des berühmten Urwals Ambulocetus natans fand, eines Missing Links zwischen Landbewohnern und rein wasserlebenden Walen. Dass rechts neben ihm ein Mann sein Gesicht vor der Kamera verbirgt, deutet auf eine kulturell geprägte Haltung im Islam hin. Bild: © Philip D. Gingerich

Als Paläontologe ist Gingerich ein Evolutionsforscher. In den USA steht er aber einer starken evolutionskritischen Welle des Kreationismus gegenüber. Dabei stammt er selbst aus amisch-mennonitischen Verhältnissen, die man als christlich-fundamentalistisch bezeichnen darf. Seine Feldforschung hingegen betreibt er in islamischen Ländern, in denen starke muslimisch-fundamentalistische Strömungen aktiv sind. Dabei kooperiert er stets mit einheimischen Forschern, die sich innerhalb der Wissenschaft wiederum mit widerstrebenden Theorien und Hypothesen auseinanderzusetzen haben. Dieses ganze Geflecht findet sich in dem lesenswerten Artikel wieder. Gingerich erweist sich als ein Grenzgänger zwischen Orient und Abendland, zwischen christlichem und muslimischem Kulturkreis, zwischen Religion und Wissenschaft.

Allerdings ist die deutsche Übersetzung etwas gekürzt und zeugt im Vergleich zu dem Original von weniger Verständnis für die Feinheiten des wissenschaftlichen Disputes über den Ursprung der Wale. Die Übersetzung erlaubt sich auch andere Akzentuierungen als das Original. Dort sagt Gingerich z.B. mit Blick auf die inspirierende Arbeit in der Wüste: „Hier ist Platz für alle Religion, nach der man nur verlangen kann“ („There´s room here for all the religion you could possibly want“; S. 137). Die deutsche Übersetzung macht daraus: „Hier ist Platz für genau so viel Religion, wie man braucht“ (S. 159). Somit zieht sich die Spannungsgeladenheit bis in den Vorgang der Übersetzung hinein.

Schon um der herausgekürzten Inhalte willen ist die Lektüre der englischen Originalfassung gegenüber der deutschen Übersetzung vorzuziehen. Doch auch die deutsche Version ist gehaltvoll genug, um auf Jeden bereichernd zu wirken, der sich für die Erforschung der frühen Wale interessiert.

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