Die frühen Urwale Indopakistans

von Johannes Albers | cetacea.de | Essen | 25. Juli 2010

Die Spur der Zähne zum ältesten Wal

Die alte Anschauung der Paläontologie über die Verwandtschaft der Wale mit den Mesonychiern beruhte z.B. auf einer großen Ähnlichkeit der Zähne. Jetzt scheint es, dass sich in der Bezahnung eine parallele Entwicklung bei unterschiedlichen Verwandtschaftsgruppen vollzogen hat. Wie ähnlich die Zähne von Mesonychiern und frühen Cetaceen einander sein können, zeigt gerade die Erforschungsgeschichte von Ichthyolestes pinfoldi:

1958 beschrieben die deutschen Forscher Richard Dehm und Therese zu Oettingen-Spielberg Säugetier-Fossilien aus dem Eozän von Pakistan und stellten dabei anhand eines Oberkieferstücks mit zwei Zähnen eine neue Art und Gattung der Mesonychier auf: Ichthyolestes pinfoldi. Der Gattungsname bedeutet Fischräuber“, mit dem Speziesnamen wurde Chefgeologe Pinfold von der Attock Oil Company Ltd. geehrt.(13) Ende der 70er Jahre aber stellte Philip Gingerich nach neuen Zahnfunden die Art zu den Cetaceen.(14) Die weiteren Funde bestätigten die Cetaceennatur dieser Form, die aus Flusssedimenten bekannt ist.

Ebenso wurde auch Gandakasia potens 1958 von den Deutschen als neue Art und Gattung der Mesonychier vorgestellt. Hiervon lagen ein Unterkieferfragment mit zwei Zähnen und zwei losgelöste Zähne vor. Nachdem Gingerich in den 70er Jahren neues Zahnmaterial in einer Meeresablagerung gefunden hatte, wurde Gandakasia den Cetaceen zugeordnet.

Eine in manchen Merkmalen urtümlichere Zahnmorphologie als PakicetusIchthyolestes und Gandakasia zeigt der pakistanische Nalacetus ratimitus, der bis 1995 noch mitPakicetus identifiziert wurde.(15) Von Nalacetus (zu Deutsch: Flussbett-Wal) kennt man Zähne aus dem Ober- und Unterkiefer, auch vom Milchgebiss. Ihre Merkmale sind zum Teil auch ursprünglicher als bei Mesonychiern.(16) In anderen Merkmalen vermittelt die Bezahnung zwischen verschiedenen anderen urtümlichen Cetaceen.(61) Dass es sich um ein Waltier handelt, bestätigt die cetaceenartige Gestalt der Ohrknochen (Bulla tympanica).(2) Man kennt heute auchNalacetus-Knochen von Rumpf und Gliedmaßen.(63) Daher weiß man, dass Nalacetus ähnlich groß wie Pakicetus, aber zierlicher gebaut war. Mit Blick auf Zähne besteht nun eine Reihe von Vergleichsmöglichkeiten, um weiteres Material den Cetaceen zuzuordnen:

Der geologisch bisher älteste Walfund ist 53,5 Millionen Jahre alt und besteht aus einem linken Unterkieferfragment mit den beiden hintersten Zähnen darin. Das Stück ist etwa 24 Zentimeter lang und stammt von den südlichen Ausläufern des Himalaya im indischen Bundesstaat Himachal Pradesh. Geborgen wurde es von einem indisch-französischen Forscherteam (Sahni, Jaeger, Courtillot und Buffetaut) aus Meeresablagerungen des frühen Eozän. Die offizielle Beschreibung des Fundes erschien im Dezember 1998. Dabei erhielt das Tier den Namen Himalayacetus subathuensis: Himalayawal aus der Subathu-Formation“.(17) Aufbewahrt wird das Fossil an der nordindischen Universität Roorkee.

Himalayacetus wird von Gingerich und seinen Kollegen in die Familie Pakicetidae gestellt (317), die ansonsten Nalacetus,Ichthyolestes und die Nominatgattung Pakicetus enthält. Thewissen und seine Kollegen stellen ihn hingegen in die Familie Ambulocetidae (38), zu der bis auf weiteres auch die immer noch wenig bekannte Gattung Gandakasia zählt. Sie halten auch das Alter des Fundes für zweifelhaft.