Walfisch oder Königsechse – Die Erforschungsgeschichte des Basilosaurus

von Johannes Albers | cetacea.de | Essen | 15. September 2012

Die Funde aus Ägypten

Ähnliche Wirbel wie die des amerikanischen Basilosaurus bzw. Zeuglodon findet der Afrikaforscher Georg Schweinfurth 1879 auf der Geziret-Insel im Karun-See der ägyptischen Flussoase Fayum, westlich des Nils. Wissenschaftlich beschrieben werden sie 1883 durch Wilhelm Barnim Dames.

Salzlache am Rand des Karun-Sees im Fayum (Ägypten). Der See ist 50 Kilometer lang und bis zu 18 Meter tief. Seine Oberfläche liegt 45 Meter unter dem Meeresspiegel. In der Umgebung und auf einer Insel des salzhaltigen Sees hat man Fossilien eozäner Wale gefunden, so von Basilosaurus isis.
Bild: Peter Albers

Nahe dem Westufer des Karun-Sees findet um die Jahrhundertwende der Brite Hugh John Llewellyn Beadnell einen Unterkieferast mit Zähnen, rund 83 Zentimeter lang. Darauf gründet er eine neue Art, die er in seinen Aufzeichnungen Zeuglodon isis nennt. Diesen Namen übernimmt sein Kollege Charles William Andrews, als er 1904 in einem Artikel über die Art schreibt. Beadnell selbst erwähnt sie 1905 in einem Fachbuch. Doch erst 1906 legt Andrews eine Schrift vor, die offiziell als wissenschaftliche Erstbeschreibung anerkannt wird. Darin stellt er auch eine weitere neue Art auf, die sich ebenfalls auf einen Fund Beadnells gründet, einen Schädel von rund 60 Zentimetern Länge. Er stammt aus der Wüste des westlichen Fayum-Distrikts, aus dem später so genannten Zeuglodontental. Diese Art bezeichnet Andrews als Prozeuglodon atrox.

Atrox heißt „schrecklich“. Der Name bezieht sich offenbar auf das zähnestarrende Gebiss. Doch 1908 meint der Paläontologe Ernst Stromer aus München, dieses „schreckliche“ Wesen sei wohl nur das Jungtier von Zeuglodon isis, das noch Milchzähne trägt. Diese Ansicht setzt sich in der Weise durch, dass man die beiden Formen zu einer Art namens Prozeuglodon isis zusammenfasst. So steht es noch 1989 bei Arno Hermann Müller (Lehrbuch der Paläozoologie, Band III, Teil 3. 2. Aufl., Jena, S. 247).

Heute gilt diese Anschauung als überholt: 1990 erklärte ein Forscherteam um Philip D. Gingerich, ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis liege in den lang gestreckten Wirbelkörpern von Basilosaurus: Im Zeuglodontental finden sich zahlreiche Wirbelsäulen mit derartig verlängerten Wirbeln. Dazu gehören aber nie Schädel wie derjenige, den Andrews als Prozeuglodon atrox beschrieb. Zwar findet man solche Schädel dort oft, aber sie gehören zu völlig anderen Wirbelsäulen – mit normalen, kurzen Wirbeln. Es handelt sich also um zwei ganz unterschiedliche Arten (Science, Band 249, S. 154 – 157). Die eine Art nennt man heute korrekt Basilosaurus isis, die andere rechnet man inzwischen der Gattung Dorudon zu und nennt sie Dorudon atrox.

Der Schädel von Dorudon atrox (ANDREWS, 1906): Der Wirbeltier-Paläontologe des Geologischen Museums in Kairo zeigt die Unterseite des Holotypus. Diese Art wurde lange für das Jungtier von „Zeuglodon“ isis gehalten.
Photo © J. Albers.

Dieselbe Forschergruppe (Philip D. Gingerich, seine Frau B. Holly Smith und Elwyn L. Simons) lüftete 1989 im Zeuglodontental das bis dahin noch bestehende Geheimnis um die Hinterfüße des Basilosaurus. Gingerich erzählt: „Wir fanden einen Hüftknochen, dann Unterschenkelknochen, dann einen Fußknöchel. Schließlich gruben wir, einen nach dem anderen, drei winzige Zehen aus.“ So entdeckten die US-Forscher erstmals Hinterfüße von Urwalen. Allerdings konnte Basilosaurus damit nicht mehr an Land gehen. Er hatte die Hinterbeine normalerweise am Rumpf angelegt und konnte sie nur noch in eine bestimmte Position ausklappen – wie einen Ständer am Fahrrad oder Motorrad. Die Forscher vermuten, diese Beine könnten vielleicht noch als Klammerhilfen gedient haben, um sich bei der Paarung im Wasser gegenseitig festzuhalten. Reste ähnlicher Beine fanden sie auch von Dorudon atrox. Wegen seiner bedeutenden Walfossilien wurde das Zeuglodontental 2005 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt.

Basilosaurus isis und B. cetoides lebten vor rund 40 Millionen Jahren, wobei der zweite etwas größer wurde. Ein 1998 gefundener Wirbel aus Jordanien wurde im Jahre 2000 als 14. Schwanzwirbel von Basilosaurus isis bekannt gemacht. Damit ist diese Art nun auch aus einem neuen Land belegt.

Eine dritte Basilosaurus-Art, etwas älter als die anderen, beschreibt Gingerich mit einer Forschergruppe 1997 aus Pakistan: den Basilosaurus drazindai, benannt nach der geologischen Drazinda-Formation. Zu dieser Art stellt der amerikanische Forscher Mark D. Uhen 1998 auch zwei Wirbel aus Ägypten, genauer vom Mokattam-Berg östlich von Kairo. Geborgen hat sie bereits im Jahre 1902 der Fossiliensammler Richard Markgraf, der für die Museen in Stuttgart, München, Frankfurt und New York tätig war. Diese beiden Wirbel gehören dem Museum in Stuttgart. Schon 1903 hatte der Münchener Ernst Stromer sie dem „Zeuglodon“ zugeschrieben. Doch der Stuttgarter Paläontologe Eberhard Fraas ordnete sie 1904 dem von ihm beschriebenen Eocetus schweinfurthi zu, der ebenfalls vom Mokattam stammt und heute in Stuttgart liegt. So haben die beiden Fundstücke dank Uhen nach 94 Jahren ihre ursprüngliche Gattungszuordnung zurückerhalten.

Welche Verwirrung bis heute die Königsechse stiftet, zeigen Beschilderungen in zwei der berühmtesten Naturkunde-Museen Deutschlands:

Das Berliner Museum für Naturkunde erklärt ein Unterkieferfragment aus Ägypten als Dorudon isis. Das ist keine neue Wendung der Wissenschaft, sondern einfach ein Fehler. Richtig muss es heißen: Basilosaurus isis.

Im Frankfurter Naturmuseum Senckenberg behauptet der deutsche Text zu einem Schädelabguss derselben Art, das Tier habe sich durch wellenförmiges Auf- und Abbiegen des Körpers fortbewegt. Der englische Text hingegen sagt nichts von Auf und Ab. Er spricht vielmehr die schlangenförmige Gestalt des Körpers an. Tatsächlich glaubt die Forschung, bei dieser Gattung hätten seitliche Schlängelbewegungen eine große Rolle gespielt, anders als bei anderen Walen.

Zu guter Letzt irrt auch der Kölner Schriftsteller Frank Schätzing in seinem Buch Nachrichten aus einem unbekannten Universum – Eine Zeitreise durch die Meere(Köln 2006): In dem Kapitel Waltag ordnet er den Basilosaurus dem Zeitalter des Oligozän zu. Doch kurz vor dessen Beginn ist Basilosaurus bereits erloschen.