Eurhinodelphis & Co. – Wale mit Speerschnauze

von Johannes Albers | cetacea.de | Essen | 10. November 2008

„Zu den unbestritten abenteuerlichsten Waltieren“ zählt der Sammler und Wissenschaftler Ulrich Schliemann die miozänen Arten, die unter dem Namen Eurhinodelphis bekannt wurden. Das Miozän ist die Zeit vor ca. 24 – 5 Millionen Jahren, und die delphingroßen Vertreter von Eurhinodelphis finden sich z.B. im deutschen Nordwesten, in den Niederlanden und in Belgien. Man kennt sie aber auch aus dem Süden Deutschlands und Frankreichs, sowie aus Italien. Häufig sind sie auch in Amerika, namentlich in Maryland und Virginia.

Bild 1: Modell eines Eurhinodelphiniden im Bachmann-Museum Bremervörde. Angefertigt von Ulrich Schliemann.
Foto: Johannes Albers.

Kapitelübersicht

  1. Eurhinodelphis
  2. Eurhinodelphis cocheteuxi von Biemenhorst
  3. Schizodelphis longirostris von Freetz
  4. Eurhinodelphis bossi aus USA: Ein Wettlauf zwischen Gut und Böse
  5. Eurhinodelphis und ähnliche Wale: Ein systematisch-historischer Überblick
  6. Skelettstudien Othenio Abels
  7. Der Riesenzahnhai
  8. LITERATUR

Verschiedene Wirbeltierklassen brachten Meeresbewohner hervor, deren Schnauze einen speerförmigen Fortsatz trägt: An Fischen leben heute Schwertfisch, Fächerfische, Speerfische und Marline. Fischsaurier wie Eurhinosauruswaren schon lange ausgestorben, bevor die ersten Wale auftauchten. Unter den Meeressäugern wurde die fossile Walgattung Eurhinodelphis für eine solche Schnauzenform berühmt. Ihr langer Rostralfortsatz am Oberteil der Schnauze wird von den zahnlosen Prämaxillae (Zwischenkiefern) gebildet und überragt weit den Unterkiefer. Hinter diesem Fortsatz tragen Ober- und Unterkiefer Reihen spitzer Zähne. Ähnlich und nahe verwandt sind Gattungen wie Argyrocetus und Schizodelphis, die eine gemeinsame Familie mit Eurhinodelphis bilden.

Bild 2: Schnitt durch das Ohrgehäuse (Perioticum) eines Eurhinodelphiniden. Man erkennt die Austrittsöffnung des Hörnervs (unten) und die Windungsgänge der Schnecke.
Präparat und Foto: Ulrich Schliemann.

Der Rostralfortsatz dieser Zahnwale diente wohl als Hilfsmittel auf der Jagd nach Nahrungstieren. Im Detail hat man verschiedene Hypothesen entwickelt: Der Österreicher Othenio Abel glaubte 1909 an den Einsatz als Schlagstock bei der Fischjagd im Freiwasser. 1931 nahm er vorrangig ein Stöbern nach Kopffüßern in Tangwäldern an. Der Niederländer Everhard Johannes Slijper dachte 1962 an ein Durchstöbern des schlammigen oder sandigen Meeresbodens auf der Suche nach Fischen. Von der Bodenjagd speerschnauziger Zahnwale ist Mitte der 80er Jahre auch Giorgio Pilleri, Leiter des Hirnanatomischen Instituts der Universität Bern, überzeugt. 2002 meinen die Italiener Giovanni Bianucci und Walter Landini, dass solche Tiere im frühen Miozän zunächst das küstennahe Flachmeer bewohnten, dass einige von ihnen dann aber auch die Hochsee eroberten. Damit wäre eine Veränderung in der Funktionsweise des Fortsatzes ebenso denkbar wie eine immer schon vorhanden gewesene Variabilität.

Freie Halswirbel belegen eine gute Beweglichkeit des Kopfes, und der Knochenbau der Tiere verrät eine starke Muskulatur. Offenbar waren diese Wale schnelle Schwimmer. In der knöchernen Gehörschnecke bleibt der Spalt zwischen den Leisten zur Aufhängung der Basilarmembran schmal. Das lässt auf die Verwendung von Ultraschall und damit auf eine gut entwickelte Echoortung schließen.

Machen wir uns näher mit diesen Tieren vertraut, indem wir drei Funde von drei unterschiedlichen Arten betrachten. Dabei folgen wir der Fundchronologie und steigen in der Stratigraphie schrittweise vom Obermiozän in das Mittelmiozän hinab. An allen drei Fundorten wurden vor dem jeweiligen Speerschnauzenwal bereits Bartenwal-Reste ausgegraben.