Trotz massiven Drucks konnte die Walfanglobby keine zusätzlichen Fanggenehmigungen bei der IWC durchsetzen. Doch wichtige Entschlüsse wurden nicht gefasst, sondern verschoben. Angesichts einer Häufung von IWC-Sondertreffen verliert die Jahrestagung zunehmend ihre Rolle als zentrales Forum der Entscheidungsfindung, und wird zu einem Glied in einer kostspieligen und zeitraubenden Kette von Konferenzen, die den Fortschritt des Walschutzes eher untergräbt als fördert.
Von JOHANNES ALBERS
Japans Walfang
Seit zwei Jahren suchte der IWC-Vorsitzende Hogarth (USA, noch aus der Bush-Administration) nach Kompromisslösungen in dem festgefahrenen Tauziehen zwischen Walfang- und Walschutzländern. Im Zuge eines IWC-Sondertreffens (9. – 11. März 2009 in Rom) hatte er einen Plan für Japans Walfang vorgelegt: IWC-Erlaubnis für japanische Jagd in einer neu einzurichtenden Kategorie „Küstenfang“. Dafür erhebliche Reduktion des „wissenschaftlichen“ Walfangs durch Japan. Doch zu solch einer Reduktion war Japan nicht bereit. Auf der Jahrestagung verlief der „Hogarth-Deal“ im Sande. Er hätte die faktische Aufhebung des langjährigen IWC-Moratoriums für kommerziellen Walfang bedeutet.
Grönlands Antrag auf Buckelwale
Dänemark, als politischer Vertreter Grönlands, brachte den 2008 abgelehnten Antrag auf Ausweitung des grönländischen Walfangs erneut vor: 2010 – 2012 sollten pro Jahr 10 Buckelwale zum Abschuss freigegeben werden, als Erweiterung des Artenspektrums in Grönlands bisher bereits genehmigtem Eingeborenen-Subsistenzwalfang. Solcher Walfang zur Deckung des Eigenbedarfs indigener Völker ist von dem weltweiten IWC-Moratorium für kommerziellen Walfang nicht betroffen.
Doch Grönlands Walfang enthält auch kommerzielle Elemente, und die Walfanglobby will die Unterscheidung zwischen Subsistenz- und kommerziellem Walfang verwischen, um so den Weg zu einer Wiederzulassung des kommerziellen Fangs durch die IWC zu ebnen. Als Begründung für seinen Antrag nennt Grönland eine Bedarfssteigerung für Walfleisch, die aber nicht nachgewiesen ist, zumal da Grönland seine bestehenden Fangquoten nicht ausschöpft.
Als sich ein Scheitern des Antrags abzeichnete, versuchte Dänemark ihn auf den Fang für das Jahr 2010 zu beschränken. Das verlieh dem Antrag aber keine bessere Fundiertheit, und er blieb aussichtslos. Der um Konsens bemühte IWC-Vorsitzende vermied eine Abstimmung und vertagte die Entscheidung auf ein neues IWC-Sondertreffen, das noch 2009 extra zu diesem Zweck einberufen werden muss. In der Zwischenzeit soll eine Arbeitsgruppe den Antrag besser mit Daten unterfüttern.
Walschützer befürchten, dass viele Walschutzländer sich die Teilnahme an dem neuen Sondertreffen (schon die dritte IWC-Konferenz in 2009) nicht leisten können, und dass bei einer Abstimmung ihr fehlendes Votum entscheidend sein und den Walfängern zum Sieg verhelfen könnte.
EU und USA
Die EU-Länder hatten sich zu einer gemeinsamen Position bei der IWC verpflichtet. Da aber Grönland nicht zur EU gehört, beanspruchte Dänemark als Vertreter Grönlands für sich eine Sonderrolle. Über den Buckelwal-Antrag für Grönland waren die EU-Länder lange Zeit uneinig: Deutschland und Großbritannien waren dagegen, Schweden und Finnland dafür. Letztere fanden Unterstützung auch bei Italien und Slowenien, das 2008 noch die Ablehnung des Antrags durch die EU-Staaten verkündet hatte. So entstand innerhalb der EU erheblicher Koordinationsbedarf während der laufenden Tagung.
Die USA suchten in ihrem Streben nach Kompromiss und Konsens, unterstützt durch Australien und Neuseeland, Druck auf EU-Länder auszuüben, den Grönland-Antrag anzunehmen. Aber letztlich entschied die EU sich gegen die Ausweitung des Walfangs. Im Sinne des Walschutzes ist zu wünschen, dass die neue US-Regierung auch neue Delegierte bei der IWC einsetzt. Als Vorsitzender der IWC wird Hogarth nun turnusgemäß abgelöst durch den Chilenen Maquiera.
Island in neuem Gremium
Die IWC vereinbarte für die Entwicklung neuer Vorschläge zur Lösung ihrer internen Konflikte die Schaffung einer neuen Gruppe mit wenigen ausgewählten Mitgliedsländern, die bis zur nächsten Jahrestagung Vorschläge in Geheimtreffen erarbeiten soll. Das bedeutet die Fortsetzung der bisherigen Hogarth-Verfahrensweise mit mangelhafter Transparenz und Partizipationsmöglichkeit. In der neuen Gruppe ist Island vertreten, das kurz vor der Jahrestagung die Jagd auf Finnwale aufnahm, unter einer Vorbehaltsklausel gegenüber dem Moratorium der IWC. Protestiert hatten gegen Islands selbst erteilte Fangquoten im Vorfeld Deutschland, Frankreich, Großbritannien, die USA, Schweden und Finnland.
Tötungsmethoden
Island und Japan möchten ihre Daten über das Sterben der Wale nicht von der IWC untersuchen lassen. Island will sie lieber der fangfreundlichen Nordatlantischen Meeressäuger-Kommission (NAMMCO) vorlegen, die aber im Gegensatz zur IWC kein Mandat zur Regulierung des Walfangs besitzt. Deutschland rief die Japaner auf, ihre Daten der IWC zugänglich zu machen. Monaco wies darauf hin, dass Japan in der Antarktis übermäßig viele trächtige Weibchen tötet.
Minkewal-Bestände
Trotz anhaltender Untersuchungen nach wie vor unklar ist die Bestandslage der Antarktischen Minkewale, die von Japan zu vorgeblich „wissenschaftlichen“ Zwecken bejagt werden. Im Nordpazifikraum werden offenbar weit mehr Minkewale aus dem Bestand des Japanischen Meeres getötet als offizielle Zahlen angeben. Genetische Untersuchungen zeigen, dass Tiere dieses stark bedrohten Bestandes einen hohen Anteil an dem Minkewal-Fleisch in Japans Geschäften ausmachen. Für die Minkewale an der Westküste Grönlands empfahl das Wissenschaftliche Komitee der IWC eine Senkung der jährlichen Fangquote von 200 auf 178. Erst 2007 hatte die IWC die Quote von 175 auf 200 hochgeschraubt. Faktisch wurden aber 2008 nur 146 Tiere dieses Bestandes erbeutet.
Klimawandel und Kleinwale
Viele Jahre lang vernachlässigt hat die IWC die Behandlung von Bedrohungen für Wale jenseits der Jagd. Nun verabschiedete sie im Konsens eine Resolution über den Klimawandel als eine wachsende Gefährdung für Wale. Ein Klimawandel-Workshop über Kleinwale soll in Österreich stattfinden, mit finanzieller Unterstützung durch Australien und die USA. Südkorea vertritt zwar die Position der Walfangländer, dass die IWC keine Kompetenz über Kleinwale habe, sagt aber zu, den Tod von rund 340 Finnenlosen Schweinswalen bei der Fischerei in der Korea-Straße zu untersuchen. Japan will über seine massenweise Jagd auf Dall-Tümmler nicht im IWC-Plenum mit sich diskutieren lassen.
Norwegens Walfang
Nicht eigens thematisiert wurde auf der IWC-Tagung der kommerzielle Walfang Norwegens unter Vorbehalt gegen das IWC-Moratorium. Doch diese Jagd machte trotzdem von sich reden, indem während der Konferenz die Nachricht eintraf, dass Norwegen die Jagd für dieses Jahr vorläufig abgebrochen hat. Grund ist der mangelhafte Absatz von Walprodukten.
Nichtregierungsorganisationen
Wie 2008, bekamen Vertreter von sechs Nichtregierungsorganisationen die Möglichkeit, je 5 Minuten im IWC-Plenum zu sprechen: drei Vertreter der Walschutzseite und drei Vertreter der Walfanglobby. Frankreich blieb mit der Forderung nach künftig besserem Rederecht für die Organisationen allein.
Vorzeitiges Ende
Da Diskussionen und Entscheidungen über kontroverse Themen vermieden wurden, konnte die IWC ihre Jahrestagung bereits einen Tag früher abschließen als ursprünglich geplant. Eine Verringerung des Ausstoßes an klimaschädlichem Kohlendioxid ergibt sich dadurch aber nicht, weil ein komplett neues Treffen zur Entscheidung über den Grönland-Antrag angesetzt wurde. Die Klima-Bilanz der IWC verschlechtert sich also, obwohl eine gegenteilige Absicht in der Diskussion vorgetragen wurde. Die Jahrestagung 2010 wird in Marokko stattfinden.
Herzlichen Dank an Mike Baird, bairdphotos.com und an Bob Balmer für die abgebildeten Photographien.