63. Jahrestagung der Internationalen Walfangkommission (IWC) in St. Helier (Kanalinsel Jersey), 11. – 14. Juli 2011: Überblick und Ergebnisse

von | cetacea.de | Essen | 15. Juli 2011

Die IWC zählt 89 Mitgliedsstaaten. Zu Konferenzbeginn auf der britischen Kanalinsel Jersey hatten aber 21 Länder noch nicht ihren Beitrag gezahlt und deshalb kein Stimmrecht. Das ist vor allem eine Folge der japanischen Meereskatastrophe vom 11. März und ihrer nuklearen Auswirkung. Denn Japan hat kein Geld mehr übrig, um die IWC-Beiträge für arme Entwicklungsländer zu zahlen, die dafür zugunsten von Japans Walfanginteressen abstimmen müssen. Deshalb verschoben sich die Gewichte innerhalb der IWC dieses Jahr deutlich in Richtung Walschutz.

von JOHANNES ALBERS

Verbesserte Transparenz

Der größte Erfolg der Tagung auf Jersey ist die Annahme einer Vorlage zur Verbesserung der Transparenz in der IWC. Damit müssen Mitgliedsstaaten nun ihre Beitragszahlungen über ein offizielles Regierungskonto leisten. Es können nicht mehr vor Ort Briefumschläge mit Geldscheinen die Hände wechseln. Damit wird der Stimmenkauf, wie von Japan bekannt, künftig erschwert.

Die Vorlage war ursprünglich von Gastgeber Großbritannien erarbeitet worden, wurde dann aber in abgespeckter Form als gemeinsamer Antrag der EU-Staaten durch Polen eingebracht. Da sich der Antragsteller änderte, sah Russland die Verfahrensregel verletzt, dass Beschlussvorlagen 60 Tage im Voraus einzureichen sind. Das führte dazu, dass die Delegationsleiter über den Transparenz-Antrag im Geheimen berieten. Schließlich aber kam er zur Entscheidung und wurde per Konsens angenommen.

Verzichtet hat die EU-Vorlage auf die ursprüngliche Forderung der Briten, bei IWC-Tagungen ein Rederecht für Nichtregierungsorganisationen zu verankern. Hierin gaben die EU-Staaten dem Drängen Dänemarks nach, das als Vertreter Grönlands in der IWC Walfanginteressen verficht.

Walfang

Walfang Norwegens und Islands

Norwegen und Island akzeptieren nicht das weltweite IWC-Moratorium für kommerziellen Walfang. Aber die Norweger meldeten rückläufige Fangzahlen: Wurden 2009 noch 484 Zwergwale erbeutet, so wurden 2010 nur 468 geschossen, von denen zwei in der Tiefe versanken und nicht geborgen werden konnten. Nur 18 Boote gingen auf Jagd. Erlaubt hatte Norwegens Regierung 2010 den Fang von 1286 Zwergwalen. Dieselbe Quote gilt für 2011; sie übersteigt weit die Absatzmöglichkeiten in Norwegen.

Island fing 2010 wegen Absatzproblemen nur 60 Zwergwale und schob dieses Jahr die geplante Jagd auf 145 Finnwale zunächst auf. Islands Regierung erlaubt für 2011 auch 200 Zwergwale. Gelagert hat Island noch 2500 Tonnen Walprodukte. Naturschützer kritisieren, dass Island in den letzten Jahren Walprodukte nach Japan, aber auch Weißrussland, Lettland, Dänemark und Norwegen geliefert hat, obwohl solche Exporte im Washingtoner Artenschutzübereinkommen verboten sind. Island will das Exportverbot nicht anerkennen, aber der EU beitreten, wo das Verbot geltendes Recht darstellt.

Japans Nordpazifik-Walfang

Der Tsunami vom 11. März hatte direkte Folgen für japanische Walfänger: Ayukawa im Nordosten Japans ist ein Ort, der sogenannten Kleinen Küstenwalfang betreibt und am „wissenschaftlichen“ Fang von Zwergwalen beteiligt ist. Durch den Tsunami wurde er schwer getroffen. Die Fangoperationen wurden deshalb nach Kushiro auf der Nordinsel Hokkaido verlegt. Als Ersatz für ein zerstörtes Fangboot aus Ayukawa wurde ein Boot aus Taiji nach Kushiro verlegt. Taiji erhielt dafür einen Ausgleich, indem die dortige Treibjagd-Saison auf Delfine um einen Monat verlängert wurde.

Eingeborenen-Subsistenzwalfang

Bereits auf Jersey begannen Vorbereitungen in Hinblick auf die Jahrestagung 2012, wo wieder Quoten im Eingeborenen-Subsistenzwalfang zu vergeben sind, wie alle 5 Jahre üblich. So schlugen die USA vor, den Begriff „Eingeborenen“ zu ersetzen. Indien meinte, man solle auch beim Walfang indigener Völker eine Reduzierung der Fangquoten und andere Nahrungsquellen anstelle von Walen erstreben. Russland und Dänemark als Vertreter indigener Walfänger in Sibirien und Grönland verlangten einen Widerruf von Indien, das Wale nicht als Ressourcen, sondern als Lebewesen mit Rechten ansieht.

Verhedderte Wale in Fischereigeschirr

War die IWC noch vor wenigen Jahren in einem Grabenkrieg zwischen Walfang- und Walschutzlager festgefahren, so sucht man heute eher eine Überbrückung der Gegensätze und Fortschritte dort, wo sie möglich sind. Anschaulich wird das im Bemühen, dem Problem des Verhedderns von Großwalen in Fischereigeschirr zu begegnen. Treibende Kraft in der IWC ist dabei eine Dreiergruppe aus dem Walfangland Norwegen, dem Walschutzland Australien und den USA, die in den letzten Jahren eine Kompromissposition zwischen den gegnerischen Lagern einnahmen. Die Themenstellung rückt in den Blick, dass Wale heute Schutz nicht nur vor direkter Jagd brauchen. Andererseits reflektiert der Fokus auf Großwale die Anschauung des Walfanglagers, dass die IWC für Kleinwale wie z.B. Delfine nicht zuständig sei. Aber viele Kleinwale weltweit verfangen sich in Fischernetzen und kommen darin um.

Schiffskollisionen mit Walen

Ein anderes Thema jenseits direkter Jagd sind Kollisionen von Schiffen mit Walen. Hierzu hat die IWC eine Datenbank aufgebaut, die inzwischen 539 Fälle dokumentiert. Eine Arbeitsgruppe der IWC, die sich kontinuierlich mit der Problematik befasst, enthält 16 Mitgliedsstaaten. Deutschland ist darin durch Dr. Karl-Hermann Kock vertreten. Den Vorsitz hat Belgien. Das Kollisionsthema überschneidet sich mit dem Lärmproblem im Meer. Zu beiden Themen kooperiert die IWC mit der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO. Auch der WWF stellte die Kollisionsthematik 2011 in den Blickpunkt.

Müll im Meer

Relevant für Wale ist auch das Problem des vielgestaltigen Mülls im Meer. Hierzu unterstützt die IWC die Entwicklung der „Honolulu-Strategie“ zur Vermeidung und Verringerung von Meeresmüll. Seinen Namen hat das Projekt von einer internationalen Konferenz, die im März 2011 in Honolulu stattfand. Dort wurde die Erarbeitung der Strategie angestoßen, indem die Teilnehmer 12 Richtlinien aufstellten.

Lateinamerika und Südatlantik

Ähnlich der EU, so bemühen sich auch lateinamerikanische Staaten um ein gemeinsames Auftreten. Im Vorfeld der IWC-Tagung trafen 11 Länder eine Vereinbarung gegen Walfang: Argentinien, Brasilien, Chile, Costa Rica, die Dominikanische Republik, Ecuador, Panama, Peru, Mexiko, Uruguay und Kolumbien. Letzteres ist das einzige Land, das der IWC seit 2010 neu beigetreten ist. Argentinien wird im September einen Workshop zur Populationseinschätzung Südlicher Glattwale ausrichten.

In St. Helier legten Argentinien und Brasilien zum wiederholten Male einen Antrag auf ein Walschutzgebiet im Südatlantik vor. Als eine Abstimmung gefordert wurde, verließen Japan und seine Verbündeten den Saal und torpedierten damit die Entscheidungsfindung. Daraufhin berieten die Delegationsleiter erneut hinter verschlossenen Türen, und eine Entscheidung über den Antrag wurde auf 2012 verschoben. Dann wird die Jahrestagung der IWC Anfang Juli in Panama City stattfinden.

Die Internationale Walfangkommission hat die Arbeitsergebnisse jeden Sitzungstages in täglichen Pressemitteilungen zusammengefasst. Die knapp 70 Diskussionspapiere, Berichte und Anträge des 63. Jahrestreffens lassen sich als PDF Datei von der Website der IWC herunterladen.


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