In dem erbitterten Ringen zwischen walfang- und walschutzinterssierten Ländern brachte die erste IWC-Konferenz seit 2018 wenig, aber immerhin etwas Fortschritt: Per Konsens verabschiedete sie eine Resolution zur Problematik des Plastikmülls in den Meeren. Wie Wale davon betroffen sind, zeigen besonders augenfällig die zahlreichen Strandungen von Tieren mit großen Plastikmengen in ihren Mägen. Zum einen muss das Problemfeld noch besser verstanden werden, zum anderen besteht dringender Handlungsbedarf, um es in den Griff zu bekommen. Andere Resolutionsvorlagen auf der Tagung verfolgten hingegen Walfanginteressen, und an ihnen schieden sich die Geister.
Der verlängerte Arm Japans: Antigua und Barbuda
Japan als wichtigstes Walfangland war 2019 aus der IWC ausgetreten, aus Enttäuschung über den schutzorientierten Kurs der IWC. Derzeit jagt Japan im nationalen Alleingang Wale innerhalb seiner Ausschließlichen Wirtschaftszone, der 200-Seemeilen-Zone vor den eigenen Küsten. Bei der IWC ist Japan aber als Beobachter weiterhin in der Konferenz anwesend und zieht offenbar weiter im Hintergrund die Fäden, um die IWC wieder auf einen Walfangkurs zu bringen:
Zahlreiche kleine Inselstaaten z.B. in der Karibik und arme Entwicklungsländer etwa in Afrika sind in der IWC seit langem Vasallen Japans, die als Gegenleistung für japanische Wirtschaftshilfen die Walfanginteressen Japans unterstützen. Neu ist nach dessen Austritt, dass im Plenum der IWC die Wortführerschaft des Pro-Walfang-Lagers auf den karibischen Inselstaat Antigua und Barbuda übergegangen ist, dessen Delegationsleiter Daven Joseph ein altbewährter Walfang-Hardliner ist.
So legte Antigua und Barbuda nun einen Resolutionsentwurf vor, der formelle Gespräche zur Einrichtung eines Programms forderte, mit dem das seit 1986 weltweit geltende IWC-Moratorium für kommerziellen Walfang demnächst aufgehoben werden kann. Unterstützt wurde die Vorlage von St. Lucia, einem anderen karibischen Vasallen Japans. Dieser Vorstoß, der deutlich japanische Handschrift trägt, steht aber im Widerspruch zu dem Schutzkurs, auf den sich die IWC bei ihrer letzten Konferenz 2018 verpflichtet hatte. Deshalb erzeugte er ein kritisches Medienecho.
Die Regierung Antiguas und Barbudas sah sich zu einer Erklärung veranlasst, dass sie keiner Aufhebung des Walfangmoratoriums zugestimmt habe. Tatsächlich hatte Premierminister Gaston Browne noch im September bei der UNO ganz andere Akzente gesetzt und zum Kampf gegen den Klimawandel aufgerufen, was auch im Interesse des Walschutzes ist.
Der Resolutionsentwurf wurde auf die nächste IWC-Konferenz 2024 vertagt und es bleibt die Frage zurück, inwieweit die IWC-Delegation Antiguas und Barbudas die Linie ihrer Regierung vertritt oder mehr die Interessen Japans.
Walfang gegen Welthunger?
Einen anderen Resolutionsentwurf legte Antigua und Barbuda zusammen mit Gambia, Guinea und Kambodscha vor: Er sieht Walfleisch als ein Mittel zur Bekämpfung des Hungers in der Welt an. Ähnliche Vorlagen gab es schon in den vorigen IWC-Tagungen, doch wurden sie nie angenommen. Auch dieses Mal wurde der Entwurf mangels Erfolgsaussichten auf die Tagung 2024 verschoben.
Für die Ernährungssicherheit wäre es sinnvoller, Fischbestände zu erhalten und vor Überfischung zwecks kurzfristiger Profite zu schützen. Aber einem Vertrag der Welternährungsorganisation (FAO) zur Bekämpfung illegaler Fischerei ist Antigua und Barbuda bisher nicht beigetreten.
Abweichen von der Geschäftsordnung
Zu Beginn der Tagung verzeichnete die IWC 88 Mitgliedsstaaten, von denen etliche aber aktuell kein Stimmrecht hatten, weil sie in Rückstand mit ihren Beitragszahlungen waren. So hatte Antigua und Barbuda einen Rückstand von drei Jahren und beklagte, dass während dieser Zeitspanne arme Länder erhebliche Zusatzbelastungen infolge der Corona-Pandemie schultern mussten. Dieser Argumentation folgend, wich die IWC für diese Tagung von ihrer Vorschrift ab und gewährte das Stimmrecht auch solchen Ländern, die bis zu drei Jahre in Zahlungsrückstand waren. Davon profitierten sieben Nationen.
In einer grotesken Wendung nutzten Pro-Walfang-Länder dann aber ihr Stimmrecht dergestalt aus, dass sie davon eben keinen Gebrauch machten:
Walschutzgebiet Südatlantik
Wie in früheren Tagungen, lag auch dieses Mal ein Antrag auf Einrichtung eines Walschutzgebietes im Südatlantik vor. In der Vergangenheit war er immer wieder an der dafür notwendigen Dreiviertelmehrheit gescheitert. Als er nun zur Abstimmung kommen sollte, zogen es 17 Pro-Walfang-Länder vor, nicht im Saal zu erscheinen. Dort entbrannte dann eine Diskussion um die Frage der Beschlussfähigkeit der Versammlung.
So wurde die Abstimmung über den Antrag verhindert. Nun soll sich eine Arbeitsgruppe mit den offenen Fragen der Abstimmungsregularien befassen und dazu Vorschläge entwickeln. Darüber soll die nächste IWC-Tagung befinden, bevor irgendwelche weiteren Sachentscheidungen getroffen werden. Festzuhalten bleibt, dass die IWC trotz jahrelanger Bemühungen um ihre eigene Reformierung bisher noch nicht einmal ein eindeutiges Regelwerk für ihre Abstimmungen besitzt.
Kooperationen
Die IWC vertieft ihre Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, so der FAO und der Tunfisch-Kommission für den Indischen Ozean, wo es jeweils um die Beifang-Problematik geht. Desgleichen stärkt sie die Kooperation mit COMHAFAT, einer Fischerei-Organisation von Staaten an der Atlantikseite Afrikas, und mit dem Zentrum für Küstenstudien (CCS), das viel Erfahrung im Umgang mit Walen hat, die sich in Fischereigerät verheddert haben. Mit der UN-Konvention über wandernde Arten (CMS) soll es einen gemeinsamen Workshop geben, der sich mit der Rolle der Wale im Ökosystem des Meeres befasst.
Finanzen und Verwaltung
Die IWC verabschiedete eine Strategie für eine Haushaltsreform, und für die nächsten zwei Jahre einen ausgeglichenen Haushaltsplan. Belgien, das eine freiwillige Zahlung von 85.000 Pfund bereitstellt, wurde als neues Mitglied in das „Büro“ gewählt, ein Gremium, das die Arbeit der IWC zwischen den großen Konferenzen koordiniert.
Turnusgemäß wählte die IWC am Ende einen neuen Vorsitzenden: Verabschiedet wurde Andej Bibič aus dem Gastgeberland Slowenien, neuer Vorsitzender ist Amadou Diallo aus Guinea.
Slowenien wird 2023 zum wiederholten Mal Gastgeber für die Arbeitstagung des IWC-Wissenschaftsausschusses. 2024 wird er in Antigua und Barbuda zusammenkommen. Die nächste Konferenz der IWC als Ganzes findet 2024 in Lima (Peru) statt.
Einblicke in den Walfang 2021
Zahlen aus dem Report of the Infractions Sub-Committee (IWC/68/REP/INF/01).
IWC Mitglieder
Land | Region | Walart | Anzahl | Kommentar |
---|---|---|---|---|
Dänemark (S) | Grönland-Ost | Zwergwale | 21 | |
Grönland-West | Finnwale | 2 | ||
Grönland-West | Buckelwale | 5 | ||
Grönland-West | Zwergwale | 177 | Inkl. 10 verlorenen Zwergwalen. | |
Russland (S) | Tschukotka | Grauwale | 127 | Inkl. 1 verlorenem und 4 „stinky“ Walen. |
St. Vincent und die Grenadinen (S) | Westindische Inseln | Buckelwale | 1 | |
USA (S) | Alaska | Grönlandwale | 70 | Inkl. 13 erlegten und verlorenen Walen. |
Norwegen (K1) | Nordostatlantik | Zwergwale | 577 | Inkl. 9 verlorenen Walen. |
Island (K2) | Island | Zwergwale | 1 | |
Südkorea (I) | Korea | Zwergwale | 12 | Illegaler Fang |
Nicht-IWC Mitglieder
Land | Region | Walart | Anzahl | Kommentar |
---|---|---|---|---|
Kanada (S) | Hudson Bay | Grönlandwale | 2 | |
Japan (K) | Japan | Zwergwale | 91 | |
Nordwestpazifik | Seiwale | 25 | ||
Nordwestpazifik | Brydewale | 187 | ||
Indonesien (N) | Indonesien | Pottwale | 18 | Keine aktuelle Information, Durchschnitt 2016-2018 verwendet. |
Das Teaserbild stammt aus der IWC Pressemitteilung für Tag 2
Links zum Thema
- Internationale Walfangkommission
- Bonner Konvention / Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals (CMS)
- Center for Coastal Studies (CCS)
- ATLAFCO -The Ministerial Conference on fisheries cooperation among African States bordering the Atlantic Ocean (Französisch COMHAFAT)
- Indian Ocean Tuna Commission (IOTC)