Die Wale von Linz in Österreich

von Johannes Albers | cetacea.de | Essen | 31. Dezember 2009

Die ersten beiden Schädel und ihre Vereinigung

Abb. 1: Patriocetus ehrlichii. Der Schädel von 1841 (OL 1999/2) in Seitenansicht. Die letzten beiden Zähne sind gut erhalten, die Schnauzenspitze fehlt. Dies ist der Holotyp, auf den die Art gegründet wurde. (Foto: Oberösterreichische Landesmuseen.)

1841 übernimmt Kustos Carl Ehrlich die erste professionelle Betreuung der geowissenschaftlichen Sammlung des Museums. In jenem Jahr finden sich im oberoligozänen weißen Sand von Linz mehrere Wirbel und Fragmente eines Schädels mit zwei gut erhaltenen Backenzähnen im linken Oberkiefer (Abb. 1). Die Schädelstücke werden durch Weishäupl zusammengesetzt, und den ersten Bericht darüber veröffentlicht von Klipstein 1842 in Berlin. Er vermutet einen Saurier.

Eine Zeichnung des Schädels schickt von Klipstein 1843 an den Frankfurter Privatgelehrten Hermann von Meyer, der darin einen Wal erkennt. Er schreibt ihn dem Squalodon zu, das sonst aus der Gegend von Bordeaux (Frankreich) vorlag und hinter dem Gattungs- noch keinen Artnamen trug. Von Meyer nennt die Art nun Squalodon Grateloupii.

Heute weiß man, dass die französische Art eine andere ist als die Linzer; der erste Linzer Walschädel heißt heute Patriocetus ehrlichii. Wie es dazu kam, werden wir noch sehen. Die Berechtigung des zweiten Namensteils wurde 1923 durch den amerikanischen Paläontologen Arthur Remington Kellogg bestritten: Er meinte, von Meyer habe den Namen Squalodon Grateloupii allein auf den Linzer Schädel gegründet, nicht auch auf den französischen. Daher habe man zwar die Gattungszuordnung ändern, aber nicht den Artnamen austauschen dürfen. Dieser Linie folgt 2005 eine französische Forschergruppe um Bruno Cahuzac. Sie will jedoch von Meyers 1843er Text nicht als gültige Artbeschreibung anerkennen und sich erst auf eine Wiederholung des Artnamens bei Carl Ehrlich 1848 stützen.

Gegen Kellogg und die Cahuzac-Gruppe stellt sich 2009 ein Team aus dem Linzer Kurator Björn Berning, Felix G. Marx von der englischen Universität Bristol und mir selbst. Wir sehen die Namenszuordnung bei von Meyer und ihre Gültigkeit in völlig anderem Licht und stehen im Einklang mit der überwiegenden Verwendung der Namen in der Forschungsliteratur, wie sie oben skizziert ist. Dabei gilt die ursprüngliche Benennung durch Hermann von Meyer weiterhin für die französische Art Squalodon grateloupii. Die einzige Änderung ist, dass der zweite Namensteil (also der Spezies- oder Artname) heute grundsätzlich klein geschrieben wird, auch wenn er von einem Eigennamen abgeleitet ist.

1846 finden sich in den Linzer Quarzsanden neue Wirbel, ein Zahn und ein zweiter fragmentarischer Schädel (heute als Agriocetus bekannt). Er besteht nach den späteren Worten des österreichischen Paläontologen Othenio Abel im wesentlichen aus dem Schädeldach, den beiden Jochfortsätzen der Squamosa und dem Hinterhaupt mit Resten beider Condylen. Hermann von Meyer erwähnt ihn erstmals am 4. Januar 1847 und stellt ihn ebenfalls zu Squalodon Grateloupii.

Zudem äußert er die Ansicht, die Wirbel von 1841 gehörten zu einer anderen und größeren Art, deren Schädel noch unbekannt sei. Bei dieser größeren Art denkt Professor Johannes Müller in Berlin an ein Zeuglodon. (Dieser Name ist ein jüngeres Synonym für den eozänen Urwal Basilosaurus, wurde aber auch vielen Walformen beigelegt, die heute in völlig andere Gattungen gestellt werden.)

Die beiden fragmentarischen Linzer Walschädel kombiniert Carl Ehrlich im Februar 1848 in einer Zeichnung zu einer Gesamtdarstellung von Squalodon Grateloupii. Wir werden auf diese Schädel zurückkommen, doch zunächst gebührt unsere Aufmerksamkeit einem neuen Fund: