Ein Abriss über die fossilen Bartenwale

von Johannes Albers | cetacea.de | Essen | 27. August 2012

Mammalodon

MITCHELL stellte Llanocetus denticrenatus in eine eigene Familie Llanocetidae und ordnete ihn zeitlich dem späten Eozän zu. Dann stufte man ihn aber in das frühe Oligozän ein. Aus dem Oligozän stammt auch ein Schädelfund aus Südaustralien: Mammalodon colliveri. Hierauf gründete MITCHELL 1989 die Familie Mammalodontidae. Mammalodon colliveri lebte vor 24 Millionen Jahren und ist damit rund 10 Millionen Jahre jünger als Llanocetus. Doch wirkt das Tier im Vergleich zu manchen seiner Zeitgenossen wie ein Relikt aus älteren Zeiten. Seine Schnauze ist noch nicht sehr weit nach vorn verlängert. Bereits entwickelt ist aber die Fähigkeit der Kieferknochen, sich gegeneinander zu bewegen. Das gilt für den Ober- wie auch für den Unterkiefer und ist ein Vorteil bei den starken mechanischen Belastungen, denen das Maul eines Bartenwales beim Fressen ausgesetzt ist.

Die Erstbeschreibung des Mammalodon durch seinen Entdecker PRITCHARD erschien im Januar 1939. Auch dieser Bartenwal besaß noch Zähne, und PRITCHARD, der den Fund fälschlich dem Eozän zuschrieb, hielt sein Mammalodon für einen Angehörigen des „Zeuglodon„-Formenkreises, also für einen Archaeoceten. Erst später erkannte man, dass der Wal zu den Mysticeti zu stellen ist. Ähnlich behauptete 1884 HERMANN LANDOIS aus Münster den Fund eines „Zeuglodon“ im westfälischen Vreden. Hier befand man später, es handele sich um einen frühen Vertreter der Zahnwale (Odontoceti). Ihren Grund haben diese Verwechslungen in der je ähnlichen Gestalt der Zähne bei späten Urwalen und frühen Zahn- und Bartenwalen. Ein südaustralischer Zahnfund wurde nacheinander allen drei Unterordnungen zugewiesen: 1881 beschrieb SANGER ihn als Zeuglodon Harwoodi, also als Archaeoceten. 1914 stellte OTHENIO ABEL die Art in die Gattung Microzeuglodon. 1977 hielten NEVILLE PLEDGE und KARLHEINZ ROTHAUSEN sie für einen Odontoceten und nannten sie Metasqualodon harwoodi. Inzwischen wurde sie den Mysticeti zugesellt.

Aetiocetus

Dem Oligozän rechnete man zunächst auch einen Fund von der Pazifikküste Oregons (USA) zu, der aber inzwischen in das (jüngere) Miozän gestellt wurde: 1966 beschrieb DOUGLAS EMLONG den Aetiocetus cotylalveus, den er damals als einen Vertreter der Archaeoceti ansah, der sich auf dem Weg zu den Mysticeti befindet. Auch diese Form wirkt wie ein Übrigbleibsel früherer Evolutionsphasen. Der deutsche Paläontologe ROTHAUSEN glaubte hier auch Schädelmerkmale zu erkennen, die typisch für Odontoceti sind. Er sprach von eigenartigen Merkmalskombinationen, wie sie bei verschiedenen Arten vorkommen. Dabei votierte er dafür, die systematische Stellung dieser Wale offen zu lassen: Es seien vielleicht Entwicklungsversuche abseits der großen Linien, die bald wieder erloschen seien. Doch heute wird Aetiocetus cotylalveus als Bartenwal angesehen. Auch er hatte noch Zähne, und auf ihn wurde die Familie Aetiocetidae gegründet, die auch aus dem US-Bundesstaat Washington vorliegt. Bezahnte Bartenwale kennt man inzwischen auch von anderen Stellen des Nordpazifikraums. Seit 2000 z.B. aus dem Grenzbereich Oligozän – Miozän Kaliforniens.