Bartenwale mit Zähnen

von Johannes Albers | cetacea.de | Essen | 7. April 2013

Schillernde Einordnungen

Kekenodon-Schädel von oben.

Die Zähne früher Mysticeti schließen sich in ihrer Form an diejenigen ihrer Vorfahren an, der fortgeschrittenen Urwale (Basilosauridae): Die Kronen der Backenzähne bilden schmale Schneiden, bei denen jeder Zahn außer einer Hauptspitze noch eine Reihe mehrerer Nebenspitzen auf den Schneidekanten trägt. Dieses Baumuster finden wir auch bei frühen Zahnwalen (Odontoceti), die es ebenfalls von den Urwalen ererbt haben. Solche Ähnlichkeiten führten bei fragmentarischem Fundmaterial manchmal zu einem Hin und Her in der Frage, welcher Unterordnung bestimmte Fossilien angehören:

Ein Zahnfund aus Südaustralien z.B. wurde nacheinander allen drei Wal-Unterordnungen zugewiesen: 1881 beschrieb SANGER ihn als Zeuglodon Harwoodi und damit als Archaeoceten. 1914 stellte OTHENIO ABEL die Art in die Gattung Microzeuglodon. 1977 hielten NEVILLE PLEDGE und KARLHEINZ ROTHAUSEN sie für einen Odontoceten und nannten sie Metasqualodon harwoodi. Später wurde sie dann den Mysticeti zugesellt.

Ebenfalls 1881 beschrieb JAMES HECTOR anhand von Schädel- und Kieferfragmenten, Zähnen und Gehörknochen aus Neuseeland die Art Kekenodon onamata. Man erblickte in ihr einen späten Ausläufer der Archaeoceti aus dem Miozän, also bereits dem Neogen (Jungtertiär). Andererseits wurde auch das Eozän vermutet. Dann korrigierte man die zeitliche Einstufung auf das dazwischen liegende Oligozän. EDWARD D. MITCHELL richtete 1989 zunächst eine eigene Unterfamilie Kekenodontinae ein. 1992 erhob ROBERT EWAN FORDYCE sie zur eigenständigen Familie Kekenodontidae, die nunmehr als bezahnte Mysticeti interpretiert wurde. 2004 ist er jedoch wieder zur Einstufung als eine Unterfamilie innerhalb der Archaeoceti zurückgekehrt.

In diese Familie bzw. Unterfamilie stellte man auch den französischen Phococetus vasconum, dessen Ähnlichkeit mit Kekenodon der deutsche ERNST STROMER bereits 1903 erkannte. Phococetus wurde 1873 von DELFORTRIE als Urwal Zeuglodon Vasconum beschrieben, auf der Basis eines einzelnen Backenzahns von Saint-Médard-en-Jalle im Becken von Bordeaux. 1876 stellte GERVAIS ihn in die eigene Gattung Phococetus. Zeitweise sah man in dieser Form auch einen Zahnwal. So ist dies ein weiteres Beispiel dafür, wie ein Zahn im Laufe der Forschungsgeschichte allen drei Wal-Unterordnungen zugewiesen wurde. Auch dieses Fossil stufte man lange in das Miozän ein; heute hält man Phococetus für ähnlich alt wie den ältesten bekannten wirklichen Mysticeten: Llanocetus.