Buchbesprechung von JOHANNES ALBERS
Songs with the Whales
, die neue Scheibe des Musikers Dennis Hart, verbindet Natur und Kunst: Synthesizer-Klänge verweben sich mit Tonaufnahmen von Schwertwalen, Pottwalen und den unvermeidlichen Buckelwalen. Das Ergebnis kann sich als Musik hören lassen: Dennis Hart hat einen guten Job gemacht. Das Coverfoto einer Walfluke vor abendliche
m Horizont ist ein Greenpeace-Bild. Doch das ist nicht alles, was Greenpeace mit dem Projekt zu tun hat:
Die CD-Schmiede INCO Records (in Melbeck bei Lüneburg) produzierte das Werk in Zusammenarbeit mit dem Greenpeace e.V., der Songs with the Whales
als Präsent für neue Förderer anbietet. Der Klappentext stammt von Gerhard Wallmeyer, dem obersten Fundraiser des Greenpeace e.V. Und damit wird klar, um was es geht: Der Silberling soll Silberlinge einbringen.
Herr Wallmeyer hätte aber besser daran getan, den Text von einem Fachmann schreiben zu lassen: Pottwale, so erklärt er, nutzen ihre Laute als Sonar. Deshalb hört sich der Pottwal überhaupt nicht melodiös an.
Bartenwale hingegen brauchen ihre Töne für ihr Liebesspiel. Ihre Stimmen klingen deshalb viel melodiöser.
Als ob Pottwale mit ihren Klicklauten nicht auch kommunizieren würden! Aber auf Zitate solcher Art wartet nur die Walfanglobby, um damit Greenpeace lächerlich zu machen.
Mit seinem Sonar kann der Pottwal laut Wallmeyer die Kraken in ihren Schutzhöhlen aufspüren.
Und dann? Zwängt sich der Pottwal dann in die Schutzhöhle hinein? Wenn er mal nur nicht stecken bleibt… Solch kritische Anfragen werden freilich von Dennis Harts Synthesizer geflissentlich hinweggewabert.
Die 12 Musiktitel mit einer Gesamtspieldauer von 57:09 Minuten sind im Innencover mit Textkommentaren (Songs 1-4, Songs 5-12) versehen, die uns suggerieren, wir würden durch das Hören der Stücke mit den Stimmen der verschiedenen Walarten und -populationen vertraut gemacht. So laden Querverweise zwischen den einzelnen Aufnahmen dazu ein, die Laute atlantischer und pazifischer Schwertwale miteinander zu vergleichen. Doch es zeigt sich durchgehend eine Diskrepanz zwischen den zunächst fachlich anmutenden Kommentaren und dem tatsächlich zu Hörenden: Die menschengemachte Musik legt sich immer wieder so dominierend über die Walstimmen, dass diese nur noch eine gefällige Untermalung abgeben. Wer Walstimmen studieren will, sollte besser auf die Vorlagen zu dieser CD zurückgreifen.
Eine der Vorlagen ist die CD Gesänge der Schwertwale
von Florian Graner (INCO 99717). Hier handelt es sich um reine
Naturaufnahmen von 1992-93. Auch mit diesem INCO-Produkt hat Greenpeace bereits gearbeitet, und die Textkommentare zu den Dennis-Hart-Stücken lehnen sich oft eng an die entsprechenden Texte bei Florian Graner an. Dabei hat sich aber ein Fehler eingeschlichen: Der Hart-Titel Nr. 8 ist mit einem Kommentartext versehen, der sich in seiner Ursprungsfassung bei Graner auf eine andere, deutlich unterschiedene Aufnahme bezieht. Und wenn Graner auf Geräusche einer Zementfabrik aufmerksam macht, wäre ein solcher Hinweis bei Hart schlichtweg undenkbar.
Ansonsten offenbart ein Vergleich der Texte, dass die geradezu wissenschaftlichen Angaben und Erklärungen Graners („Kavitationsgeräusche“, „inkompressibles Wasser“) beim Dennis-Hart-Projekt gnadenlos ausradiert werden. Übernommen wurde hingegen das stimmungsvolle Foto des Backcovers: eine norwegische Fjordlandschaft vor tief stehender Sonne. Songs with the Whales
ist halt ein Stimmungsmacher und sollte auch als solcher ausgegeben werden.
Diese CD können Sie direkt bei Dennis Hart bestellen. Bestellung über E-Mail: info bei dennishart.de.
Oder Sie werden Förderer von Greenpeace und erhalten die CD als Begrüssungsgeschenk.
Insgesamt stellt sich der Eindruck ein, Songs with the Whales
sei die ideale CD für solche Walfreunde, denen es zu langweilig ist, ihren Lieblingen zuzuhören. Und solche scheint es nicht wenige zu geben. Sonst bestünde kein Bedarf, Aufnahmen wie die von Florian Graner durch einen Musiker wie Dennis Hart überarbeiten zu lassen. Wie weit die Überarbeitung geht, zeigt die Aufnahme der Pottwallaute, die eine echorhythmische Anpassung
an die menschliche Ästhetik erlitten haben. Doch Puristen seien daran erinnert, dass schon Roger Payne in seinen legendären Songs of the Humpback Whale
von 1970 (Original-LP: Capitol ST-620) Manipulationen vorgenommen hat, indem er eine Buckelwal-Aufnahme zusammenschnitt und verlangsamt wiedergab. Trotzdem führte Payne die Hörer an die Akustik der Wale heran, während Hart die Natur des Wals auf den Menschen hin zurechtbiegt.
Doch damit macht Hart nur von der Freiheit der Kunst Gebrauch, die Natur in ihren Dienst zu nehmen. Wenn das wiederum der Natur dient, indem Greenpeace das eingehende Geld für gute Arbeit einsetzt, soll der Kunst ihr Recht zugestanden sein. Vorausgesetzt, die Wale dienen nicht nur als Lockvögel, sondern sind auch Nutznießer der genannten guten Arbeit. Hier ist Greenpeace gefordert.
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