Fabian Ritter (2004): Wale beobachten. Ein Leitfaden zum sanften Whale Watching in Europa und Übersee.

von | | | 30. November 2004

Fabian Ritter (2004): Wale beobachten. Ein Leitfaden zum sanften Whale Watching in Europa und Übersee. (= Outdoor Handbuch Band 25; Basiswissen für draußen). 138 Seiten, 16 Fotos und 27 weitere Illustrationen. Conrad Stein Verlag, Welver. ISBN 3-89392-325-X. Euro/D: 7,90. sFr: 14,60.
Fabian Ritter (2004):
Wale beobachten. Ein Leitfaden zum sanften Whale Watching in Europa und Übersee.
(= Outdoor Handbuch Band 25; Basiswissen für draußen). 138 Seiten, 16 Fotos und 27 weitere Illustrationen. Conrad Stein Verlag, Welver.
ISBN 3-89392-325-X.
Euro/D: 7,90. sFr: 14,60.

Buchbesprechung von JOHANNES ALBERS

Eine völlig neue Ausgabe von „Wale beobachten“ liegt im handlichen Format 16,5 x 11,5 cm vor. Sie löst den Vorgänger von 1996 aus der Feder von Erich Hoyt ab. Der neue Autor ist Fabian Ritter vom M.E.E.R. e.V. in Berlin, der auf der Kanareninsel La Gomera naturverträgliches Whale Watching mit wissenschaftlicher Forschung und Bildungsarbeit kombiniert. Der Autor kommt also aus der Praxis.

Das neue Buch bietet nicht mehr den altgewohnten Rundum-Service bis hin zu Telefonnummern, unter denen man Whale Watching direkt buchen kann. Bei explosionsartig sich vermehrenden Angeboten mögen solche Angaben in einem Buch nicht mehr nötig erscheinen. Bei aus der Ferne kaum kalkulierbaren Qualitätsunterschieden der Anbieter sind sie in diesem Buch auch nicht mehr opportun. Denn der Verfasser setzt starke Akzente auf kritische Auswahl und Bewusstseinsbildung. Den Tenor gibt bereits der neue Untertitel des Buches an: Es geht um „sanftes“, also tier- und naturverträgliches Whale Watching – im Gegensatz zu rücksichtsloser touristischer Ausbeutung lebender Wesen. Fabian Ritter entfaltet sein „sanftes“ Konzept in Aufsätzen zu Beginn des Buches mit überzeugenden Grundgedanken und daraus folgenden Empfehlungen für Touristen und Bootseigner.

Der Mittelteil des Buches besteht wie in der Hoyt-Ausgabe aus einer illustrierten Reihe von Portraits solcher Wal- und Delfinarten, denen der Tourist auf Whale Watching begegnen kann. Es folgen geografisch geordnete Tabellen darüber, wo welche Walarten wann und wie anzutreffen sind. Diese Tabellen enthalten nicht mehr so vielfältige Einzelinformationen wie der Text in Hoyts Vorgänger-Ausgabe, sondern wollen einen weltweiten Überblick zur schnellen Orientierung schaffen.

Der Anhang liefert Literatur- und Linklisten, ein Glossar und eine völlig kommentar- und nutzlose Aneinanderreihung der lateinischen Namen für die im Buch vorgestellten Arten – wobei diese Namen bereits in den jeweiligen Artenportraits genannt worden sind. Hilfreich ist hingegen das Netz der zahlreichen Querverweise innerhalb des Buches.

Allgemein eignet sich die Neuausgabe zur grundlegenden Planung und Vorbereitung einer Reise zu den Walen: Sie vermittelt „Basiswissen“, wie es schon im Titel der Buchreihe heißt. Der Autor selbst empfiehlt Vertiefung, indem der Leser sich etwa ein weiteres Bestimmungsbuch kauft.

Sehen wir nun etwas näher in das Buch hinein: Der vordere Aufsatzteil beginnt akademisch ausgefeilt mit Definition und Gliederung des Gegenstandes; später erhält er die Züge einer engagierten Predigt. Fabian Ritter offeriert Ökotipps von Wasser sparen bis zur Einschränkung des Fischkonsums. Denn die Wale sind Teil eines globalen Zusammenhangs, für den das Buch den Blick schärfen will.

Auf die Darstellung von Geschichte und heutigem Spektrum des Whale Watchings folgt seine Verortung in der Gegenüberstellung mit dem Walfang einerseits und den Delfinarien andererseits. Sodann wird abgewogen, welche Chancen sich durch Wal-Beobachtungstourismus ergeben und welche Risiken den Tieren damit drohen können. Stets appelliert Ritter an die Verantwortung der Whale Watcher. Aber er akzeptiert durchaus verschiedene Antworten z.B. auf die Frage, ob man mit frei lebenden Walen und Delfinen schwimmen sollte. Ein Schlüsselsatz seiner Darlegungen lautet: „Alles ist eine Frage des Maßes“ (S. 49).

Sprachlich fallen die relativ häufigen Grammatik-Fehler auf, etwa dort, wo die Predigt einen eifernden Stil annimmt. Als Beispiel sei eine Stelle in der Auseinandersetzung mit Delfinarien angeführt: „Die Enge in den Becken lassen (sic!) einen Großteil des natürlichen Verhaltensrepertoires gar nicht zu. In der heutigen Zeit, in denen (sic!) die Kinder schon in der Schule lernen (…)“ (S. 28).

Zehn Jahre hinter seiner Zeit hinkt der Autor her, indem er wiederholt behauptet, Norwegens Walfang werde mit wissenschaftlichen Zwecken begründet (S. 22 und 117). Seit 1995 wird diese Jagd nur noch offen als kommerzielle betrieben. Damit bestätigt die Geschichte bereits die Vermutung des Autors, der wissenschaftliche Walfang diene der Vorbereitung neuer kommerzieller Jagd.

Im Mittelteil des Buches verabschiedet sich der Conrad Stein Verlag von Pieter Folkens‘ vorzüglichen Walzeichnungen, die er zunächst 1986 in „Alle Wale der Welt“ von Erich Hoyt vorgelegt hatte. 1996 waren sie für Hoyts „Wale beobachten“ in ein kleineres Format gebracht worden – mit der Folge, dass feine Helligkeitskontraste nicht mehr zum Tragen kamen. So erschienen manche Darstellungen fast nur noch als schwarze Silhouette. Die neuen Illustrationen Fabian Ritters wirken an sich zwar etwas amateurhaft, doch muss man sie im Kontext ihres Verwendungszwecks sehen: Die Kontraste sind so grob gehalten, dass alle wichtigen Details wie z.B. Augen meist gut erkennbar sind.

Ein übersichtliches Muster stets wiederkehrender Stichpunkte gibt Erläuterungen zu den einzelnen Arten. Dabei werden freilich unter den Punkten „Farbe“, „Pigmentierung“ und „Besonderheiten“ manche Dinge doppelt oder gar dreifach genannt. Zu empfehlen wäre, die Punkte „Farbe“ und „Pigmentierung“ zusammenzufassen.

Verwirrung stiftet die doppelbödige Verwendung des Begriffs „Delfine“. Von der Familie „Delphinidae (Delfine, ca. 25 Arten)“ abgetrennt werden die „Globicephalidae (Schwert- und Grindwale, 6 Arten)“. Zugleich aber werden Schwertwale als „größte Vertreter der Delfine“ vorgestellt, und auch die Grindwale zählen „wie die Schwertwale zu den Delfinen“ (S. 87 und 89). Hier täte Einheitlichkeit in der Systematik dem Leser gut. Schweinswale bilden laut S. 109 die Familie „Phoconoidae“ (statt Phocoenidae) und werden im Anhang S. 137 mal mit Delfinen vermischt und mal von ihnen unterschieden.

Unklar bleibt, warum zwischen verschiedenen Delphinus-Arten differenziert wird, aber nicht zwischen verschiedenen Tursiops-Arten. Dass der Weißschnauzendelfin (Lagenorhynchus albirostris) nicht durch direkte Tötung in Japan bedroht sein kann (wie S. 106 behauptet), folgt schon daraus, dass diese Art nur im Nordatlantik vorkommt. Für die Flussdelfine wird beispielhaft der Amazonasdelfin beschrieben, die Illustration dazu zeigt jedoch einen Gangesdelfin (S. 111). Und wenn in einem Aufwasch sowohl Grönlandwal als auch Nord- und Südkaper abgehandelt werden (S. 75 f), hätte man besser auf den Grönlandwal verzichtet, der ohnehin nicht abgebildet wird und auch im Text kaum hervortritt. Beim Pottwal vergisst der Stichpunkt „Wo zu beobachten?“ Neuseeland, obwohl Ritter 60 Seiten zuvor ausführlich auf das Whale Watching in Kaikoura eingeht.

Eine Auflistung von Walfangländern bzw. –gegenden führt zwar u.a. Grönland und die Färöer-Inseln an, nicht aber Alaska oder Sibirien (S. 117). Das verwundert einen sehr. Doch wieder akzeptiert Ritter verschiedene Antworten auf die Frage, ob Whale Watcher in ein Walfangland reisen sollten oder nicht.

Die Tabellen über das Vorkommen der diversen Wale kennzeichnen jede Art mit einem Code aus drei Buchstaben. SPD bedeutet z.B. Spinnerdelfin. Öfters taucht in den Tabellen STD auf. Doch dieses Kürzel sucht man im Artenschlüssel vergeblich. Das dort registrierte BWD wiederum tritt nirgends in den Tabellen auf. Die Erklärung liefert nun der Rezensent: Beides sind Abkürzungen für verschiedene Namen derselben Art. Der Streifendelfin (STD!) trägt auch den Namen Blau-Weißer Delphin (BWD!). Hier ist dringend eine Vereinheitlichung der Codes geboten, um die Tabellen nutzbar zu halten.

Fazit:
Die völlige Neufassung von „Wale beobachten“ enthält noch einzelne Kinderkrankheiten, die sich in künftigen Auflagen vielleicht beheben lassen. Und solche Auflagen darf man dem Buch viele wünschen: Für „sanftes“ Whale Watching als respektvolle Nutzung der Natur versteht Fabian Ritter Begeisterung zu wecken. Seine Ratschläge sollte jeder kennen und beherzigen, der aufs Meer hinaus zu Walen und Delfinen fahren will.

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