Island zwischen Whale Watching und Walfang 

von Jörg Ratayczak | cetacea.de | | 19. September 2007

Deutlich weniger Zwergwale als im Vorjahr sahen Walsafariunternehmen in ihrem Beobachtungsgebiet Faxaflói, der grössten Bucht Islands vor den Toren der Hauptstadt. Ein Dorn im Auge sind den Anbietern dabei die Zwergwalfangboote. Wiederholt jagen jene auch in diesem Jahr in Walsafarigebieten rund um Island.

von JÖRG RATAYCZAK

Harpune auf dem Zwergwaljäger Dröfn 35. © Foto Jörg Ratayczak.
Harpune auf dem Zwergwaljäger Dröfn 35. © Foto Jörg Ratayczak.
Zwergwaljäger Dröfn 35, der auch in diesem Jahr aktiv an der Westküste unterwegs war. © Foto Jörg Ratayczak.
Zwergwaljäger Dröfn 35, der auch in diesem Jahr aktiv an der Westküste unterwegs war. © Foto Jörg Ratayczak.
Die Grafik zeigt die Walsafarigebiete (blau) und die Zwergwalabschusstellen (rote Punkte). Jene roten Punkte ohne schwarze Umrandung sind diesjaehrige Zwergwalabschüsse - viele also direkt im Safarigebiet - oder eben Safaris in traditionellen Zwergwaljagdgebieten. Die Grafik stammt vom isländischen Walsafariverband ice whale.
Die Grafik zeigt die Walsafarigebiete (blau) und die Zwergwalabschusstellen (rote Punkte). Jene roten Punkte ohne schwarze Umrandung sind diesjaehrige Zwergwalabschüsse – viele also direkt im Safarigebiet – oder eben Safaris in traditionellen Zwergwaljagdgebieten. Die Grafik stammt vom isländischen Walsafariverband ice whale.
Der Zwergwal, kleiner Bruder des berühmten Blauwals, zeigt vielfältige Verhaltensweisen gegenüber Booten. Viele Individuen sind scheu und wahren Distanz zu Schiffen. Beliebt bei Walbeobachtern aber ist die andere Sorte Zwergwal: einzelne Tiere, die Neugierde zeigen, wenige Meter vor dem Boot aus dem Wasser tauchen und die Beobachter beobachten. Dabei unterscheiden diese Zwergwale nicht zwischen Walsafari- und Walfangbooten. Das macht den friendly minke, wie er im Englischen genannt wird, zum leichten Ziel für die Harpunen.

Aber nicht nur der isländische Walsafariverband ice whale übt Kritik. Im Gegenzug beklagen sich die Walfänger über zu intensiven Walsafaritourismus und daraus resultierenden negativen Auswirkungen auf die Wale. Trotz steigender Touristenzahlen und zehntausender Walsafaribesucher jährlich gibt es auf Island keine verbindlichen Verhaltensrichtlinien für Walsafariunternehmen gegenüber den Meeressäugern.

Für Gisli Vikingsson, Wissenschaftler am Reykjaviker Institut für Meeresforschung, offenbart sich zurzeit ein ganz anderer Brennpunkt: In einigen Küstengewässern Islands stellten wir in den letzten Jahren eine deutliche Erwärmung fest. Dies führe, so Vikingsson, zu Reproduktionsfehlern beim Sandaal. Magenuntersuchungen haben ergeben, dass der silbrig-schlanke Schwarmfisch die Hauptbeute der Zwergwale vor der Süd- und Westküste Islands darstellt. Ausbleibender Sandaalnachwuchs sei mit grosser Wahrscheinlichkeit verantwortlich für das geringere Auftreten von Zwergwalen in Faxaflói, folgert Vikingsson.

Nicht nur die Anzahl beobachteter Wale in Faxafloi fiel geringer aus als im Vorjahr. In Süd- und Westisland schrumpften die Papageientaucherkolonien merklich zusammen. Vielerorts zeigt sich die Lokalbevoelkerung besorgt um ihren Symbolvogel und einstmals wichtige Nahrungsquelle. Durch fehlenden Sandaalnachwuchs verhungerten in den letzten Jahren wahrscheinlich viele Papageientaucherküken in den Bruthöhlen. Da wir solche Erwärmungen in Küstengewässern schon früher mehrere Male verzeichneten, hoffen wir auch jetzt auf eine erneute Abkühlung., meint Vikingsson. Man ziehe am Institut aber auch in Betracht, dass diese Entwicklung mit langfristigem Klimawandel zu tun haben könne.

Der Autor Jörg Ratayczak hat Deutsch und Geografie an der E.-M. Arndt Uni Greifswald studiert. Seit seinem Zivildienst bei der Schutzstation Wattenmeer ist sein Wal- und Vogelinteresse erwacht und er arbeitet regelmäßig als Naturführer. Im Jahr 2006 hat er in Andenes (Norwegen) als Guide das Zusammentreffen von Walfängern und Walbeobachtern erlebt und für Cetacea.de beschrieben.
Kontakt: joerg-ratayczak bei web.de.

Corina Gericke bezeichnet den isländischen Ort Húsavík als die Hauptstadt der Walbeobachter. Für Cetacea.de hat sie einen Bericht über einen Arbeitsausflug dorthin verfasst.

Das Wal-Museum in Husavik beherbergt viele Walskelette.

Links und Literatur:

Icewhale – The Icelandic Whale Watching Association
www.icewhale.is

Marine Research Institute
www.hafro.is/index_eng.php

OceanCare, Globalance, WDCS
Whale watching future blog 
www.whalewatchingfuture.info

WDCS
Island: Ende des kommerziellen Walfangs in Sicht?
www.wdcs-de.org

WILLIAMS, N. (2006):
Iceland shunned over whale hunting.
Current Biology 16, S. R975-R976