Neue Schnabelwalart beschrieben: Mesoplodon eueu

von Anne Boston | Universität Auckland | Auckland | 27. Oktober 2021

Bisher waren vor allem männliche Wissenschaftler der westlichen Welt Namensgeber von Walen. Aber diese Tradition wird sich bald ändern, denn eine neu entdeckte Walart wird einen indigenen Namen und den Namen einer Frau tragen.

Künstlerische Darstellung des Ramari-Schnabelwals. Bild: Vivian Ward

Sein wissenschaftlicher Name wird Mesoplodon eueu sein, was auf seine indigenen Wurzeln in Südafrika verweist. Der Alltagsname soll „Ramari-Schnabelwal“ werden, nach Ramari Stewart, einer Mātauranga-Māori-Wal-Expertin.

Nihongore ist kein True Zweizahnwal

Bislang dachte man, dass es sich bei diesem Schnabelwal um den True-Zweizahnwal handelt, doch vor fast einem Jahrzehnt wurde ein Weibchen an der Westküste von Te Waipounamu (Südinsel), Aotearoa Neuseeland, angeschwemmt. Es war 5 Meter lang und tragend. Der örtliche Stamm Ngāti Māhaki gab ihr den Namen Nihongore und ihre Knochen wurden zur Konservierung an das Te Papa Tongarewa Museum in Wellington-Neuseeland geschickt.

„Als Nihongore auftauchte, wusste ich, dass sie etwas Besonderes war, weil ich so etwas noch nie gesehen hatte“, sagt Ramari Stewart.

Wenn Tradition und Wissenschaft zusammenkommen

Ramari Stewart und der Schädel von Nihongore. Bild: Tanya Cumberland

Ramari Stewart ist eine renommierte Tohunga Tohorā (Walexpertin), die von ihren Ältesten im traditionellen Wissen der Māori über das Moana (Meer) erzogen wurde. Zusammen mit der Biologin Dr. Emma Carroll von der Universität von Auckland, Waipapa Taumata Rau, werden sie die Welt der Mātauranga Māori und der Wissenschaft zusammenbringen, um die Natur und die Ursprünge dieses Wals zu erforschen.

„Ramari hat umfangreiches Wissen in das Projekt eingebracht und war unter anderem federführend bei der Vorbereitung von Nihongore für das Te Papa Museum. Es ist großartig, dass Ramari die Ehre akzeptiert hat, diese Art nach sich benennen zu lassen, in Anerkennung ihres Mātauranga- und westlichen Wissens über Wale und Delfine. Da ‚Ramari‘ in der Māori-Sprache (Te Reo) auch ’seltenes Ereignis‘ bedeutet, ist es auch ein passender Tribut an die verborgene Natur der meisten Schnabelwale“, sagt Dr. Carroll.

Entscheidende Blicke auf’s Kopfskelett und in die Genetik

Fundstellen im Nordatlantik (schwarze Kreise) und in der südlichen Hemisphäre (gelbe Kreise). Karte in Spilhaus Projektion, die die Verbindung der Ozeane zeigt. Fundstellen und Verbreitung von Mesoplodon mirus und der vorgeschlagenen Art M. eueu. Abbildung: Vivian Ward, Universität von Auckland (aus CARROLL et al. 2021, CC BY 4.0).

Zunächst dachte das neuseeländische Forschungsteam, dass dies der erste True-Schnabelwal sei, der im Land gefunden wurde. Aber das änderte sich im Laufe der Zusammenarbeit mit einem weltweiten Netzwerk von Forschern aus Europa, Australien, Süd- und Nordamerika. Sie stellten bald fest, dass sich die genetischen Merkmale und die Schädelform der True-Schnabelwale auf der Nordhalbkugel stark von denen der True-Schnabelwale auf der Südhalbkugel unterscheiden. Sie sind seit etwa einer halben Million Jahren getrennt, wahrscheinlich weil sie das warme Wasser in Äquatornähe nicht mögen. Es ist klar, dass es sich um verschiedene Arten handelt.

„Es ist wunderbar, dass die westliche Wissenschaft langsam erkennt, dass Mātauranga Māori genauso großartig ist wie die westliche Wissenschaft und dass beide zusammenarbeiten können. Es ist besser, dass wir uns beide an einen Tisch setzen, als nur eine Beziehung zu überbrücken und das Wissen der indigenen Praktiker zu übernehmen“, sagt Ramari Stewart.

24 Schnabelwalarten

Mit dieser Entdeckung erhöht sich die Gesamtzahl der Schnabelwalarten auf 24. Eigentlich unscheinbar, macht ihre Größe und die Notwendigkeit, zum Atmen an die Oberfläche zu kommen, die Schnabelwale zu den auffälligsten Bewohner der Tiefsee. Zu dieser Gruppe gehören die am tiefsten tauchenden Säugetiere, die Hunderte oder Tausende von Metern tief tauchen können, um ihre Beute zu finden. Der Ramari-Schnabelwal verbringt wahrscheinlich viel Zeit in tiefen Gewässern, da bisher nur wenige Exemplare entdeckt wurden.

Der wissenschaftliche Name Mesoplodon eueu verbindet die männlichen Exemplare, die für diese Untersuchung verwendet wurden, mit ihrer Herkunft aus Südafrika, einem Gebiet, das von den Khoisan-Völkern bewohnt wird. Der Name eueu wurde vom Rat der Khoisan vergeben und bedeutet in der Khwedam-Sprache „großer Fisch“. Dies ist repräsentativ für die Sprachen der Region, da die Sprachen der Völker, die die Küste bewohnten, an der die Wale gestrandet sind, heute größtenteils ausgestorben sind.

In Zusammenarbeit mit einem internationalen Team von über 30 Wissenschaftlern werden die Forschungsergebnisse unter der Leitung von Dr. Emma Carroll in der internationalen Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht:

CARROLL, E. L., M. R. MCGOWEN, M. L. MCCARTHY, F. G. MARX, N. AGUILAR, M. L. DALEBOUT, S. DREYER, O. E. GAGGIOTTI, S. S. HANSEN, A. VAN HELDEN, A. B. ONOUFRIOU, R. W. BAIRD, C. S. BAKER, S. BERROW, D. CHOLEWIAK, D. CLARIDGE, R. CONSTANTINE, N. J. DAVISON, C. EIRA, R. E. FORDYCE, J. GATESY, G. J. G. HOFMEYR, V. MARTÍN, J. G. MEAD, A. A. MIGNUCCI-GIANNONI, P. A. MORIN, C. REYES, E. ROGAN, M. ROSSO, M. A. SILVA, M. S. SPRINGER, D. STEEL and M. T. OLSEN (2021):
Speciation in the deep: genomics and morphology reveal a new species of beaked whale Mesoplodon eueu.
Proc Biol Sci 288(1961):20211213.
DOI: 10.1098/rspb.2021.1213.

Übersetzung einer Pressemitteilung der Universität von Auckland.

Weitere Fachliteratur zum Thema

CONSTANTINE, R., E. CARROLL, R. STEWART, D. O. N. NEALE and A. V. HELDEN (2014):
First record of True’s beaked whale Mesoplodon mirus in New Zealand.
Marine Biodiversity Records 7(99-e1):1-3.

TALBOT, F. H. (1960):
True’s beaked whale from the south-east coast of South Africa.
Nature 186(4722):406-406.