Kurzflossen-Grindwale sind weltweit verbreitet, mit Lebensräumen im Indischen, Pazifischen und Nordatlantischen Ozean. Trotz dieser weiten Verbreitung wurden die Wale als eine einzige Art betrachtet. Nun hat eine aktuelle Untersuchung ergeben, dass es zwei Unterarten von Kurzflossen-Grindwalen gibt. Die Studie wurde am 3. Juni 2019 in der Zeitschrift Molecular Ecology veröffentlicht.
„Wenn man sich eine Gruppe von Tieren als eine einzige Spezies vorstellt, und es stellt sich heraus, dass sie es nicht ist, könnte man versehentlich eine ganze Unterart verlieren, ohne es zu wissen“.
Amy Van Cise, Wissenschaftlerin am WHOI
Rundköpfe und Kastenköpfe
Japanische Walfänger und Wissenschaftler haben lange Zeit zwei „Formen“ von Kurzflossen-Grindwalen mit unterschiedlichen Körpertypen beschrieben – die „Naisa“-Form, die in südjapanischen Gewässern lebt und eher quadratische Köpfe hat, und die „Shiho“-Form, die in nordjapanischen Gewässern vorkommt und rundliche Köpfe hat. „Dennoch hatte keine vorherige Studie die genetische Vielfalt dieser Wale auf globaler Ebene untersucht,“ sagt Amy Van Cise, Wissenschaftlerin am WHOI und leitende Autorin der Studie.
„Man kann Tiere nicht global betrachten, ohne ihre Vielfalt zu verstehen. Wenn man eine Gruppe von Tieren als eine einzige Spezies betrachtet, und es stellt sich heraus, dass sie es nicht sind, könnte man versehentlich eine ganze Unterart verlieren, ohne es zu wissen“, sagt sie.
DNA-Erkenntnis und Überraschung bei der Verbreitung
Van Cise konnte die gesamte globale Populationsstruktur der Wale mit Meeressäugergewebe untersuchen, das im Southwest Fisheries Science Center der NOAA archiviert wurde. In der Sammlung von Gewebeproben fand sie mehr als 700 Proben von Kurzflossen-Grindwalen und extrahierte aus jeder Probe die DNA.
Nach der DNA-Analyse stellte Van Cise fest, dass es tatsächlich zwei verschiedene Unterarten von Kurzflossen-Grindwalen gibt. Überraschenderweise, sagt sie, seien diese Unterarten nicht durch eine kontinentale Barriere getrennt, sondern durch die riesige Weite des östlichen Pazifiks.
„Man würde erwarten, in jedem Meer eine andere Unterart von Walen zu sehen – im Atlantik, im Indischen Ozean und im Pazifik. Das wäre der Normalfall. Aber wir haben festgestellt, dass Kurzflossen-Grindwale im Atlantik die gleichen Unterarten sind wie die im Indischen Ozean und im Westpazifik“, sagt sie. Wale, die vor Nordjapan und im östlichen Pazifik leben, schienen jedoch eine einzige eigenständige Unterart zu sein.
Aus evolutionärer Sicht, so Van Cise weiter, zeigt die Studie, dass die riesige zentrale Region des Pazifiks – ein Gebiet mit geringer Produktivität bzw. Nahrung für Wale – eine große Barriere für die globale Verbreitung der Wale bildete.
Ozeanische Wüste im Pazifik
„Es scheint, dass diese Walgruppen so lange getrennt waren, dass sie sich in zwei unterschiedliche Typen entwickeln konnten“, sagt sie. „Das bedeutet, dass Kontinente und Landformen vielleicht nicht so bedeutend als Barriere waren, wie wir es für die Entwicklung dieser Art dachten. Stattdessen hat die ozeanische „Wüste“ im Pazifik wohl eine höhere Bedeutung.“
Schau mir in die Mitochondrien, Kleines
Um diese Ergebnisse zu testen, verwendete Van Cise einen kleinen Teil der mitochondrialen DNA (mtDNA) der Wale, um die genetische Divergenz, also die Unterschiede des genetischen Codes, jeder Gruppe zu bestimmen. Durch den Vergleich dieser Divergenz mit bekannten Walen und Delfinen konnte sie feststellen, ob es sich bei diesen Gruppen um eigenständige Arten, Unterarten oder Populationen handelt.
„Die Verwendung von mtDNA ist eine übliche Technik, um die Populationsstruktur einer Spezies zu untersuchen. Mitochondriale DNA ist reichhaltig im Gewebe vorhanden und viel einfacher zu sequenzieren als Zellkern-DNA. Sie hat nur 16.300 Basenpaare im Gegensatz zu ein paar Milliarden.“ Da sie relativ einfach zu sequenzieren ist, konnten Wissenschaftler einen kurzen Teil der mtDNA bei Walen und Delfinen untersuchen, um verschiedene Arten zu identifizieren. Mit dieser leistungsstarken Gen-Datenbank können sie zuvor übersehene Arten oder Unterarten leicht mit Gewebeproben identifizieren. Der traditionelle Ansatz sich auf die Beobachtung der Körperform zu verlassen ist oft langsamer und teurer in der Umsetzung.
Who is WHOI?
Die Woods Hole Oceanographic Institution ist eine private, gemeinnützige Organisation auf Cape Cod, Massachusetts, die sich der Meeresforschung, dem Ingenieurwesen und der Hochschulbildung widmet. Gegründet 1930 auf Empfehlung der National Academy of Sciences, besteht ihre Hauptaufgabe darin, die Ozeane und ihre Wechselwirkung mit der Erde als Ganzes zu verstehen und ein grundlegendes Verständnis der Rolle der Ozeane in der sich verändernden globalen Umwelt zu vermitteln. Für weitere Informationen besuchen Sie bitte www.whoi.edu.
Dieser Beitrag basiert auf einer Übersetzung einer Presseinformation des WHOI
Literatur
VAN CISE, A. M., R. W. BAIRD, C. S. BAKER, S. CERCHIO, D. CLARIDGE, R. FIELDING, B. HANCOCK-HANSER, J. MARRERO, K. K. MARTIEN, A. A. MIGNUCCI-GIANNONI, E. M. OLESON, M. OREMUS, M. M. POOLE, P. E. ROSEL, B. L. TAYLOR und P. A. MORIN (2019):
Oceanographic barriers, divergence, and admixture: Phylogeography and taxonomy of two putative subspecies of short-finned pilot whale.
Molecular Ecology
Links
Mitwirkende der Studie sind:
- Robin W. Baird vom Cascadia Research Collective,
- C. Scott Baker und Marc Oremus von der Oregon State University,
- Salvatore Cerchio vom New England Aquarium,
- Diane Claridge von der Bahamas Marine Mammal Research Organization,
- Russell Fielding von der University of the South,
- Brittany Hancock-Hanser, Karen Karen K. Martien, Erin M. Oleson und Phillip A. Morin vom National Marine Fisheries Service (NOAA);
- Jacobo Marrerro von der La Laguna University auf Teneriffa, Spanien;
- Antonio A. Mignucci-Giannoni von der Universidad Interamericana in Puerto Rico;
- M. Michael Poole vom Marine Mammal Research Program in Französisch Polynesien.