In Ulsan, einer Stadt in Südkorea, von der aus ehemals auch Walfang betrieben wurde, findet kommende Woche die 57. Tagung der internationalen Walfangkommission (IWC) statt. Diese Übersicht stellt einige Hintergrundinformationen und die Kernpunkte der kommenden Konferenz dar. Die Tagung verspricht anders zu werden als alle vorherigen, da zum ersten Mal seit dem Verbot des kommerziellen Walfangs Pro-Walfang-Staaten eine Stimmenmehrheit erlangen könnten. Genau wird man dies aber erst am 20. Juni bei Konferenzbeginn wissen. Japan droht ausserdem mit dem Verlassen der IWC, sollten bei der diesjährigen Tagung seine Forderungen nicht erfüllt werden. Eine politisch motivierte Drohung, um den Druck auf die IWC zu erhöhen, den Walfanginteressen Japans nachzukommen.
Hintergründe
Im Jahr 1982, nachdem die Walbestände jahrzehntelang ausgebeutet worden waren und viele Walpopulationen kurz vor der Ausrottung standen, beschloss die IWC (eine Vereinigung, die 1946 ins Leben gerufen wurde, um den Walfang zu regulieren und Wale zu schützen) ein Verbot des kommerziellen Walfangs (Moratorium). Das Moratorium trat 1986 in Kraft und ist seitdem im Grossen und Ganzen eine erfolgreiche Schutzmassnahme, da es den höchstmöglichen legalen Schutz für Wale vor kommerzieller Bejagung bietet. Die jährlichen Fangzahlen konnten somit drastisch reduziert werden, obwohl immer noch Wale aufgrund von „Schlupflöchern“ kommerziell bejagt werden. Einige (jedoch bei weitem nicht alle) Walpopulationen sind heute tatsächlich im Begriff, sich langsam zu erholen. Trotz des Verbots nutzen Japan und Island ein Schlupfloch im Konventionstext (Art.VIII, Walfang für wissenschaftliche Zwecke) und töten jedes Jahr Hunderte Wale für kommerzielle Zwecke. Darüber hinaus erlaubt die IWC bestimmten indigenen Gruppen, aus kulturellen Gründen oder zur Deckung des Nahrungsbedarfs Tiere ausschliesslich zum „lokalen Verzehr“ zu jagen.
Japan tötet seit 1987 Zwergwale durch Ausnutzung eines legalen Schlupfloches im Rahmen des so genannten wissenschaftlichen Walfangs. Zur Zeit werden von Japan über 400 Zwergwale jährlich in der Antarktis (eine Region, die im Jahr 1994 von der IWC als Schutzgebiet anerkannt wurde) und 160 Zwergwale, 10 Pottwale, 50 Brydewale und 10 Seiwale im Nordpazifik gejagt. Medienberichten zufolge plant Japan ausserdem, die Jagd in der Antarktis im Jahr 2005 auszuweiten – die Zwergwalquote soll verdoppelt und zusätzlich Finn- und Buckelwale gejagt werden. In Japan werden jedes Jahr ausserdem Zehntausende Kleinwale (Delphine, Dall-Hafenschweinswale etc.) für den heimischen Markt getötet – trotz des hohen Grades an Giftstoffen, die im Fleisch dieser Arten regelmässig gefunden werden. Im Jahr 2001 legalisierte Japan das Töten von Walen, die in Fischernetzen mitgefangen werden, und erlaubte den Verkauf des Fleisches, worauf die Beifang-Rate unmittelbar anstieg. Für dieses Jahr wird erwartet, dass etwa 5000 Tonnen Wal- und Delphinprodukte auf den japanischen Markt gelangen. Ob der Markt die zusätzliche Menge an Walfleisch trotz sinkender Nachfrage aufnehmen kann, bleibt abzuwarten.
Norwegen jagt seit 1993 Zwergwale im Nordatlantik. Durch einen legalen Vorbehalt gegen das Moratorium von 1982 ist es von dem Walfangverbot entbunden. Norwegen legte für diesen Sommer eine Fangquote von 796 Zwergwalen fest und kündigte zudem an, diese Zahl in naher Zukunft um das Dreifache anheben zu wollen. Darüber hinaus überlegt Norwegen, auch den wissenschaftlichen Walfang aufzunehmen, der andere Arten ins Visier nehmen würde. In Norwegen gibt es nur einen sehr geringen Absatzmarkt für Walfleisch. Tausende Tonnen Walspeck sammeln sich in Lagern, werden verbrannt oder im Meer versenkt, seitdem der internationale Handel mit Walprodukten im Rahmen des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) in Übereinstimmung mit dem Moratorium der IWC verboten wurde.
Island verliess 1992 die IWC aus Protest gegen das Moratorium. Im Jahr 2002 trat es erneut mit einem Vorbehalt gegen das kommerzielle Walfangverbot ein und verkündete, im Jahr 2006 mit kommerziellem Walfang beginnen zu wollen. In der Zwischenzeit jagt Island Wale im Rahmen des wissenschaftlichen Walfangs: 36 Zwergwale 2003 und 25 im Jahr 2004 fielen diesem zum Opfer.
Was passiert bei der IWC-Tagung 2005? Erhalten die Walfänger die Mehrheit?
Obwohl sich viele Regierungen gegen den Walfang Norwegens, Islands und Japans aussprechen, gibt es eine zunehmende Zahl von vor allem Entwicklungsländern, die der IWC beitreten und die Walfangländer dabei unterstützen, das kommerzielle Walfangverbot zu kippen. Der Beitritt Kiribatis, Malis, Surinams, der Elfenbeinküste und Tuvalus in den vergangenen 12 Monaten und Gerüchte darüber, dass mindestens zwei weitere Länder planen, der IWC beizutreten, lassen befürchten, dass die Walfangstaaten sehr nahe daran sind, eine einfache Mehrheit zu erlangen. Sollte dies noch vor der IWC 57 geschehen, könnten die Pro-Walfang-Staaten durch verschiedene Massnahmen sowohl die Tagung grundsätzlich beeinflussen als auch die Wiederaufnahme des kommerziellen Walfangs in greifbare Nähe rücken lassen. So müsste befürchtet werden, dass die Richtlinien der Komitees und der Arbeitsgruppen geändert würden, um alle Schutzaspekte zu entfernen oder diese Treffen ganz abschaffen. Ausserdem könnten auch Schutzorganisationen wie OceanCare von einer Teilnahme an der Konferenz ausgeschlossen werden. Die Abschaffung des Moratoriums wäre allerdings nicht so einfach möglich, da es dazu einer Dreiviertel-Stimmenmehrheit bedürfte. Der Schaden an der Funktionsweise der IWC und ihrer Arbeit wäre jedoch signifikant und sehr weitreichend.
Wahrscheinlich basieren Japans Vorschläge zur Streichung verschiedener Tagesordnungspunkte der IWC auf der Aussicht der einfachen Mehrheit beim diesjährigen Treffen. Auf der Streichliste stehen unter anderem die Diskussion über die Walbeobachtung (die wirtschaftliche Nutzung von Walen, ohne diese dabei zu töten) sowie Tierschutzaspekte des Walfanges (Tötungsmethoden etc.). Japan schlägt außerdem vor, den erst kürzlich eingerichteten Erhaltungsausschuss (Conservation Committee) aufzulösen, mit der Begründung sein Mandat liege ausserhalb der Kompetenz der Kommission.
Bewirtschaftungsverfahren (engl. RMS)
Nur wenige Jahre nachdem das Moratorium in Kraft getreten war, begann die IWC über ein Verfahren zu verhandeln, dass das Verbot ersetzen sollte: das so genannte Bewirtschaftungsverfahren (Revised Managment Scheme, RMS). Die Diskussionen um das Bewirtschaftungsverfahren laufen seit 1994. Aber während die Anti-Walfang-Nationen seitdem zahlreiche Zugeständnisse bezüglich der Rahmenbedingungen gemacht haben, kommen von den Walfangländern keinerlei Kompromissangebote. Stattdessen erhöhen sie seit einiger Zeit ihre von der IWC geduldeten Walfangaktivitäten in einem Ausmass, so dass heute viele Mitgliedsstaaten der IWC bereits der Meinung sind, dass die Annahme eines schwachen RMS einem unterwanderten Moratorium vorzuziehen ist.
Japan fordert, dass in Ulsan über den RMS-Entwurf abgestimmt wird und droht damit, die IWC zu verlassen, wenn dieser nicht angenommen wird. Auf der anderen Seite deckt ein neuer Bericht unserer Partnerorganisationen WDCS, Pro Wildlife und der Humane Society International (HSI) auf, dass die Walfangnationen immer dann, wenn sich die Möglichkeit ergibt, Bestimmungen der IWC zu umgehen, einen Vorteil daraus ziehen (z.B. geschützte Arten zu jagen; in Schutzgebieten und während Schonzeiten zu jagen; falsche Angaben über Fangzahlen zu machen). Diese Verstösse werden auch in Zukunft möglich sein, da das RMS zu schwach ist, um sie zu verhindern oder zu ahnden. Anhand vieler konkreter Beispiele aus den letzten Jahrzehnten über den Missbrauch von IWC-Bestimmungen deckt die Publikation „Der RMS – Eine Frage des Vertrauens“ Manipulationen und Fälschungen im Walfang auf, dass die IWC mit einem Bewirtschaftungsverfahren weiterhin nicht in der Lage wäre, Verstösse aufzudecken, zu verhindern oder zu bestrafen. Wissenschaftlicher Walfang und Walfang unter Vorbehalt können auch durch das Bewirtschaftungsverfahren nicht gestoppt und humane Tötungsmethoden nicht gesichert werden – zur Zeit ist noch nicht einmal die Finanzierung des Verfahrens gesichert. Die Lektionen aus der unrühmlichen Vergangenheit der IWC werden im RMS-Entwurf ignoriert und sind deshalb prädestiniert dafür, wiederholt zu werden.
Indigener Walfang
Ungeachtet des Moratoriums für den kommerziellen Walfang sichert die IWC indigenen Gruppen weiterhin das Recht auf Subsistenzwalfang (aboriginal subsistence whaling, ASW) zu, wenn sie darlegen, dass Wale in ihrer Kultur und im Rahmen ihrer Ernährung von Bedeutung sind. Sämtliche Quoten wurden im Jahr 2002 für 5 Jahre erneuert. Sie bewilligen das Töten von fast 400 Walen jährlich. OceanCare ist besorgt darüber, dass die Regelungen zur Handhabung des ASW nicht korrekt umgesetzt werden und diese Kategorie teilweise missbraucht wird. Insbesondere der Walfang Grönlands gibt hier Anlass zur Sorge.
Grönland
Schon seit einiger Zeit bezweifelt OceanCare die Nachhaltigkeit von Grönlands Subsistenzwalfang auf Zwerg- und Finnwale sowie die Jagd auf Hunderte Delphine und Schweinswale jährlich. Die Informationen über den Bestand der westgrönländischen Zwergwale (letzte Zählung 1993) und Finnwale (letzte Zählung 1987) sind nicht ausreichend, um sichere Quoten festzusetzen. Grönland kommt weiterhin den Aufforderungen des Wissenschaftsausschusses der IWC nicht nach, grundlegende Forschung durchzuführen und die daraus resultierenden Daten vorzulegen. 93,3 % der Wale aus dem zentralen Nordatlantik (und 71,9 % aller Zwergwale), die von Grönland getötet werden, sind weiblich. Dies führt zu einem unbekannten Verlust der von den weiblichen Tieren abhängigen Kälber und kann Auswirkungen auf die Entwicklung der Populationen haben.
Zwei regionale Organisationen, die Daten zur Situation von Meeressäugern in arktischen Gebieten erheben, äussern seit längerem ernste Bedenken“ über die Nachhaltigkeit von Grönlands Narwal- und Belugajagd. Fangquoten sollen auf 135 Narwale und 100 Belugas (Weisswale) reduziert werden. Dessen ungeachtet setzt Grönland jährliche Quoten von 300 Narwalen und 320 Belugas fest. Grönland gibt öffentlich zu, dass der eigene Bedarf an Walfleisch geringer ist als die tatsächliche Jagdausbeute und dass es deshalb Interesse am internationalen Handel hat. Der Einsatz ungeeigneter Waffen beim Walfang hat zur Folge, dass es Stunden dauern kann, bis der Tod eintritt. Bei einem Wal wurde im Jahr 2003 ein 12-stündiger Todeskampf festgestellt. OceanCare ist der Meinung, dass die Quote für den grönländischen Subsistenzwalfang nicht unterstützt werden kann und dass Grönlands Walfang als dringliche Angelegenheit von der Kommission überprüft werden sollte.
Kontaminiertes Walfleisch
Japan
Seit 1999 finanziert OceanCare zusammen mit ihrer Partnerorganisation WDCS Untersuchungen über die Kontamination von Wal- und Delphinprodukten, die in Japan für den menschlichen Verzehr in den Handel gelangen. Die Ergebnisse zeigen, dass fast die Hälfte der Produkte, die als Walfleisch verkauft wurden, kontaminiert sind (mit Schwermetallen wie Blei oder organischen Verbindungen wie PCBs). Die Belastung übersteigt dabei die Richtwerte von japanischen Behörden und zahlreicher Verbraucherschutzorganisationen. Darüber hinaus ist fast ein Drittel der als Walfleisch deklarierten Produkte falsch bezeichnet – sie enthalten andere Arten als Beimengung oder als Ersatz für Walfleisch. Einige der Testproben enthalten gefährlich hohe Belastungswerte: Zum Beispiel enthielt das Produkt eines Grindwales die 600fache Menge an Quecksilber, die als Höchstwert für den Verzehr empfohlen wird. Pottwale, die in Japan gefangen werden, sind dermassen kontaminiert, dass sie nicht mehr für den menschlichen Verzehr verkauft werden dürfen. Trotzdem jagt Japan im Rahmen seines nordpazifischen Walfangprogramms weiterhin Pottwale in steigender Zahl. Japan weigert sich, seinen BürgerInnen die Risiken, die beim Verspeisen von Walfleisch bestehen, offen zu legen und wirbt im Gegenzug für den Verzehr des Fleisches.
Seit kurzem hat Japan begonnen, den Verkauf von Walfleisch an Schulen und Krankenhäuser zu subventionieren. Zur Zeit gibt es in fast 85 % der öffentlichen Grundschulen und weiterführenden Schulen im Bezirk Wakayama Walfleisch zu Mittag. Als die Regierung im Jahr 2003 endlich eine Stellungnahme zu der Problematik abgab, wurden nur drei Arten erwähnt, so dass daraus geschlossen werden musste, dass der Verzehr der anderen am Markt angebotenen Arten (über 20) unbedenklich sei – trotz ausreichender Beweise für das Gegenteil! Norwegen Nachdem Japan den Import von Zwergwalfleisch aus Norwegen aufgrund gesundheitlicher Bedenken abgelehnt hatte, liess die norwegische Regierung umfassende Tests an Walprodukten durchführen. Schwangeren und stillenden Frauen wurde daraufhin geraten, Walfleisch wegen der hohen Quecksilberbelastung nicht zu essen. Ungeachtet dessen versucht Norwegen weiterhin, Japan und andere Staaten vom Import zu überzeugen und exportierte 2003 sechs Tonnen Walfleisch an die Faröer Inseln.
Island
Im Jahr 2003 empfahl Islands Gesundheitsminister schwangeren und stillenden Frauen, den Verzehr von Zwergwalfleisch aufgrund der hohen Belastung mit Quecksilber und PCBs einzuschränken. Möglicherweise war dies dafür verantwortlich, dass 66 % des in Island angehäuften Walfleisches im Jahr 2003 nicht verkauft werden konnte.
Delphintötungen
Bis zu 20.000 Delphine und Kleinwale werden jedes Jahr in japanischen Küstengewässern getötet. Die Jagd auf Kleinwale fällt nicht unter das Moratorium der IWC. OceanCare kritisiert diese Jagden nicht nur weil sie unglaublich grausam, sondern auch unzureichend reguliert und in einigen Fällen nicht nachhaltig sind. In Japans Treibjagden“ werden Delphine mit Hilfe von Motorbooten in Buchten zusammengetrieben, wo ihnen anschliessend durch Netze der Weg nach aussen versperrt wird. Dann werden die Tiere einzeln mit Messern getötet. Einige werden auch lebend entnommen und zu hohen Beträgen an die Delphinarienindustrie verkauft: Für lebende Grosse Tümmler zahlt man zurzeit bis zu 30.000 Dollar. Dies ist ein starker Anreiz für die Fischer, die traditionellen Treibjagden weiterhin durchzuführen – denn das Schlachten findet als Nebenprodukt“ der Gefangennahme statt.
Schutzgebiete
1994 deklarierte die IWC das Südpolargebiet (Antarktis) als Schutzgebiet für Wale. Japan legte jedoch einen Einspruch gegen die Entscheidung ein und tötet seitdem weiterhin Zwergwale in dieser Region. Obwohl der Einspruch sich lediglich auf Zwergwale bezieht, beabsichtigt Japan offensichtlich auch Finn- und Buckelwale in der Antarktis zu jagen. Brasilien, Argentinien und Südafrika werden während der IWC 57 erneut vorschlagen ein Walschutzgebiet im Südatlantik einzurichten und Australien und Neuseeland werden dies für den Südpazifik vorschlagen.
Internationaler Handel mit Walprodukten
Sowohl Norwegen, als auch Japan und Island haben einen Vorbehalt gegen das Verbot eingebracht, international mit Walprodukten zu handeln. Dieses Verbot wurde vom Artenschutzabkommen CITES in Kraft gesetzt. (Auch wenn Japan den internationalen Handel befürwortet, so weigert es sich doch, norwegisches Zwergwalfleisch aufgrund seiner hohen Kontamination zu importieren). Während des CITES-Treffens im Oktober 2004 wurde Japans erneuter Versuch, den internationalen Handel mit Zwergwalfleisch wieder aufzunehmen, abgelehnt. Damit widersetzte sich die internationale Gemeinschaft klar dem Ansinnen Japans, Wale zum Profit auszubeuten.
OceanCare und die IWC
OceanCare ist seit 1992 an der IWC vertreten und wird in Südkorea vor Ort sein, um den Verlauf der Konferenz durch aktive Lobbyarbeit zu beeinflussen und direkt über die aktuellen Entwicklungen berichten zu können.
Dies ist eine Presseinformation von OceanCare.