Ostsee-Schweinswale und Fischerei

von | BUND, GRD, GSM | Schwerin, München, Quickborn | 5. März 2008

Gefährdung des Ostsee-Schweinswals durch Stellnetz-Fischerei weiterhin zu hoch: die Mehrzahl der Netze hat keine akustischen Warnsignale! Umweltverbände fordern die schnelle Einführung einer Wal-freundlichen Fischerei-Praxis

Umweltverbände halten die bislang eingeleiteten Maßnahmen zum Schutz des Schweinswals in der Ostsee für unzureichend. Nur ein sehr geringer Teil der Fangflotte in Mecklenburg-Vorpommern wird derzeit auf schweinswalfreundlichere Fischfangmethoden umgestellt, sagen der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Mecklenburg-Vorpommern, die Gesellschaft zur Rettung der Delphine (GRD) und die Gesellschaft zum Schutz der Meeressäuger (GSM) in einer gemeinsamen Erklärung.

Besorgniserregend sind in jüngster Zeit die Funde toter Schweinswale an der Ostseeküste: ihre Zahl hat sich gegenüber den Werten der letzten 10 Jahre verdreifacht! Fast 60 tote Tiere wurden im Laufe des Jahre 2007 an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns registriert. Diese Zahlen sind erschreckend, denn sie liegen deutlich über der natürlichen Vermehrungsrate. Von der östlichen Unterart des Ostseeschweinswals gibt es nur noch 200 bis 600 Tiere. Damit gehört sie zu den in Europa am stärksten gefährdeten Kleinwal-Populationen.

Der Haupt-Gefährdungsfaktor für den Schweinswal ist die Fischerei mit Grundstellnetzen, in denen die Kleinwale regelmäßig ertrinken. Um diese Gefahr zu reduzieren, können an die Netze so genannte "Pinger", akustische Abschreckungsgeräte, angebracht werden. Die Anbringung derartiger Pinger ist nach einer EU-Verordnung aus dem Jahr 2004 allerdings nur für Fischkutter ab 12 m Länge vorgeschrieben. "Kleinere Boote bringen zwar die gleichen Netze aus wie größere Boote, doch die zugrunde liegende EU-Verordnung ist stark Fischerei-freundlich ausgerichtet und widerspricht völlig dem heutigen Wissensstand zum Thema Schweinswal-Schutz", sagt Ursula Karlowski, Vorstandsmitglied des BUND MV. "Die umfangreichen Schutzbestimmungen für den Kleinwal in unserer Ostsee laufen dadurch ins Leere!"

Entsprechend der EU-Verordnung müssen auch in MV bereits seit Januar 2007 Pinger an den Stellnetzen der größeren Boote angebracht werden. Laut Pressemitteilung des Umweltministeriums vom 25.2.08 geschieht dies erst jetzt, über ein Jahr später.

In MV besitzen laut Aussage des Ministers für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Till Backhaus maximal 35 Fischkutter eine Länge von über 12 m. Die große Mehrzahl der Fischerei-Fahrzeuge wird daher nicht von der Regelung erfasst: 850 Boote dürfen weiterhin ihre Stellnetze ohne jede Schutzvorkehrung für Schweinswale ausbringen.

"Wenn nur einige Netze mit Pingern ausgerüstet werden, können die Tiere von den Geräuschen geradezu in die Pinger-freien Netze getrieben werden", warnt der Meeresbiologe Sven Koschinski von der Gesellschaft zur Rettung der Delphine.

Die Umwelt- und Naturschutzverbände BUND, GRD und GSM fordern den sofortigen und vollständigen Ersatz der todbringenden Grundstellnetze durch die Einführung einer schweinswalfreundlichen Fischerei-Praxis. Dazu zählen Langleinen, Fischfallen und Kammer-Reusen. "Beim Einsatz von Kammer-Reusen können in die Netze geratene Kleinwale zum Atmen an die Oberfläche kommen und von den Fischern lebend in die Freiheit entlassen werden", sagt Koschinski. "Diese Fischereiform ist in Dänemark üblich. Ein Nebeneffekt ist, dass Wissenschaftler versehentlich gefangenen Walen sogar noch Sender anbringen können, um so genauere Daten zu ihrem Verhalten zu bekommen."

Dies ist eine gemeinsame Presse-Erklärung von BUND Mecklenburg-VorpommernGesellschaft zur Rettung der Delphine e. V.Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere e. V.