„Scanning Lisa“: Der Narwalschädel des Centrums für Naturkunde wird erforscht

von | Uni Hamburg | Hamburg | 24. August 2015

Auch die „Mona Lisa der Hamburger Naturkunde“ ist einzigartig: Nur 20 Narwalschädel mit gleich zwei Stoßzähnen sind weltweit bekannt, und bisher wird nur einer einem weiblichen Tier zugeschrieben, nämlich „Lisa“ aus der Zoologischen Sammlung des Centrums für Naturkunde (CeNak) der Universität Hamburg, die man laut einem historischen Bericht zusammen mit ihrem ungeborenen Jungtier fing. Diese Zuordnung wird nun als Teil einer aktuellen wissenschaftlichen Untersuchung erstmals auf die Probe gestellt.

Während die Herkunft des mehr als 300 Jahre alten Schädels zwar bekannt ist, konnte eine genaue Bestimmung des Geschlechts bisher nicht erfolgen. Auch die Frage, wozu Narwale ihre gewaltigen Stoßzähne überhaupt brauchen, ist noch ungeklärt. Um hier Aufschluss zu bekommen, werden am CeNak jetzt entsprechende Studien durchgeführt.

Narwalschädel mit zwei Stoßzähnen im Zoologischen Museum in Hamburg, fotografiert im September 2004 von Sönke Behrends (CC BY-SA 3.0).
Narwalschädel mit zwei Stoßzähnen im Zoologischen Museum in Hamburg, fotografiert im September 2004 von Sönke Behrends (CC BY-SA 3.0).

Im ersten Schritt wird eine Geschlechtsbestimmung mithilfe von „ancient DNA“, also der im Knochen erhaltenen alten Erbsubstanz, vorgenommen. Das soll am 31. August erfolgen.

Die bisher einzige Quelle für das Geschlecht von „Lisa“ – wie sie von den Forscherinnen und Forschern des CeNak getauft wurde – ist ein Kupferstich aus dem Jahr 1684, der den spektakulären Walfang vor Spitzbergen dokumentiert und auch ein ungeborenes Jungtier zeigt.

Für den DNA-Vergleich werden bei dem Pressetermin nicht nur Proben von „Lisa“ genommen, sondern auch von weiteren in der Zoologischen Sammlung vorhandenen Narwalschädeln, von denen einer einzahnig ist und eindeutig einem Männchen zugeordnet werden kann. Die anschließende Analyse ist dann eine institutsübergreifende Angelegenheit: Die DNA-Bestimmung findet am Institut für Biochemie und Biologie der Universität Potsdam statt.

„Darüber hinaus werden wir im Verlauf der kommenden drei Jahre eine Vielzahl modernster Forschungsmethoden an Lisa zum Einsatz bringen“, sagt Prof. Thomas Kaiser, Säugetierexperte am CeNak. Dazu gehören die Erstellung präziser 3D-Modelle und die Modellierung des Wasserwiderstandes ebenso wie die Oberflächenanalyse der gewaltigen Stoßzähne. Die Forscherinnen und Forscher erhoffen sich so Hinweise darauf, wie die Tiere ihre mächtigen Lanzen unter Wasser benutzen.

„Dieser Narwalschädel ist ein hervorragendes Beispiel für das Potenzial wissenschaftlicher Sammlungen“, erklärt Prof. Matthias Glaubrecht. „Mit den heutigen Methoden können wir auch jahrhundertealte Stücke noch für die moderne Forschung nutzen und neue Erkenntnisse gewinnen, die vor einigen Jahren nicht möglich gewesen wären.“

Dies ist eine Pressemitteilung der Universität Hamburg

Aktuellere Fachliteratur zu Narwalzähnen:

NWEEIA, M. T., F. C. EICHMILLER, P. V. HAUSCHKA, E. TYLER, J. G. MEAD, C. W. POTTER, D. P. ANGNATSIAK, P. R. RICHARD, J. R. ORR und S. R. BLACK (2012):
Vestigial tooth anatomy and tusk nomenclature for Monodon monoceros.
Anatomical Record: Advances in Integrative Anatomy and Evolutionary Biology 295: 1006-16.

NWEEIA, M. T., F. C. EICHMILLER, P. V. HAUSCHKA, G. A. DONAHUE, J. R. ORR, S. H. FERGUSON, C. A. WATT, J. G. MEAD, C. W. POTTER, R. DIETZ, A. A. GIUSEPPETTI, S. R. BLACK, A. J. TRACHTENBERG und W. P. KUO (2014):
Sensory ability in the narwhal tooth organ system.
Anatomical Record: Advances in Integrative Anatomy and Evolutionary Biology 297: 599-617.

GRANDFIELD, K., N. L.-T. CHATTAH, S. DJOMEHRI, N. EIDELMANN, F. C. EICHMILLER, S. WEBB, P. J. SCHUCK, M. NWEEIA und S. P. HO (2014):
The narwhal (Monodon monoceros) cementum-dentin junction: A functionally graded biointerphase.
Proceedings of the Institution of Mechanical Engineers Part H-Journal of Engineering in Medicine 228: 754-67.