Schutz der Flussdelphine in Bangladesch

von | zgap | Wittmund | 2. Februar 2010

Irawadidelphine und Ganges Flußdelphine zählen zu den gefährdeten Delphinarten. Das Bangladesh Cetacean Diversity Project erhebt wissenschaftliche Daten zu diesen und anderen Walen in und vor Bangladesch. Diese Arbeit ist von großer Bedeutung für den Schutz dieser Tiere in einer wirtschaftlich benachteiligten Region unserer Erde.
Von HELMUT DENZAU

Irawadidelphin, (Orcaella brevirostris), Photo: BCDP
Irawadidelphin, (Orcaella brevirostris), Photo: BCDP

Im Süden von Bangladesch liegt der größte zusammenhängende Mangrovenwald der Erde im Mündungsgebiet von Ganges, Brahmaputra und Meghna. 6000 km2 des Sundarbans genannten Waldes liegen in Bangladesch, 4000 km2 im indischen Bundesstaat Bengalen. Hier leben zwei bedrohte Flussdelphinarten, der Gangesdelphin (Platanista gangetica gangetica), auch Shushuk genannt, und der Irawadidelphin (Orcaella brevirostris).

Das Bangladesh Cetacean Diversity Project (BCDP) ist eine sehr aktive Gruppe aus Bangladeshis, die sich um die Erforschung der Cetaceen und ihren Schutz in Bangladeschs Gewässern kümmert. Die wissenschaftliche Leitung liegt in den Händen von Brian Smith (Wildlife Conservation Society (WCS) Asia, Koordinator IUCN Cetacean Specialist Group) und Professor Ahmed von der Chittagong Universität. Da praktisch keine aktuellen Daten über Cetaceen in Bangladesch vorlagen, haben sie ein Monitoring mit den beiden Schwerpunkten Süßwasser und Küstengewässer begonnen.

Verbreitung Ganges Flussdelphin

Circa 30 Kilometer vor der Küste der Sundarbans beginnt ein Tiefseecanyon, genannt „Swatch of no Ground“, in dem das Küstenschelf von ca. 60 Meter auf über 1000 Meter abfällt. Hier wurden von Mitarbeitern des BCDP systematische Untersuchungen zu Bestandszahlen von Meeresdelphinen und Walen vorgenommen und erstmals eine mehrjährige Foto-Identifikationskampagne des Großen Tümmler (Tursiops truncatus) unternommen, deren Auswertung mehr als 700 verschiedene Tiere ergeben hat. Dies wurde weltweit beachtet, worauf die Gruppe sehr stolz ist.

Methoden

Der andere Schwerpunkt „Monitoring von Süßwasserdelphinen“ war schwieriger zu realisieren als gedacht. Es wurden – mehrmals in Abständen zu verschiedenen Jahreszeiten wiederholt – viele Wasserwege insbesondere in den Sundarbans systematisch befahren und Daten wie Wasserqualität, Salinität usw. sowie Delphinsichtungen (unter Anleitung von Brian Smith) wissenschaftlich korrekt erfasst. Auch wir waren bei Bestandsaufnahmen dabei. Interessierte Studenten wurden ausgebildet und Mitarbeiter der Forstbehörde zu Seminaren eingeladen. Dabei zeigte sich, dass die Daten zwar gut, aber für viele Strecken doch lückenhaft waren.

Dann kam die Idee, Touristenboote mit einzubeziehen, die häufig von Khulna Port durch die Sundarbans nach Süden bis an die Küste und wieder zurück fahren. Schnell zeigte sich, dass die Kapitäne und Steuermänner dieser Boote neben einem GPS-Gerät (falls noch nicht vorhanden) ein Training benötigten, um sinnvoll Delphin-Monitoring durchführen zu können. Dieses Training wurde vom BCDP auch mit der Hilfe von studentischen Volontären sehr engagiert durchgeführt. Es ergab nach einigen Rückschlägen sehr gute und konsistente Daten wie Beobachtungsdatum, -zeit, Flussdelphinart, Gruppengröße, Anzahl von Kälbern sowie der Beobachtungsort, auf vorbereiteten Datenblättern festgehalten. Delphine, die unter einem Meter lang sind, wurden dabei als Kälber gezählt. Inzwischen sammeln diese Touristenschiffbesatzungen Delphindaten auf allen Wasserwegen in Bangladesch, die sie befahren, wobei immer wieder Kalibrierungen und Qualitätskontrollen jedes Beobachters vorgenommen und neue Leute trainiert werden. Dazu werden auch die Volontäre eingesetzt.

Ganges Flussdelphin, © BCDP
Ganges Flussdelphin, © BCDP

Ergebnisse

Dieses Beobachtungsnetz hat für die östlichen Sundarbans, in denen die Touristenschiffe hauptsächlich unterwegs sind, schon erstaunliche Ergebnisse gebracht. In drei Jahren wurde eine Strecke von mehr als 26.000 Flusskilometern observiert und von den Schiffsbesatzungen rund 2000 Gangesdelphine sowie fast 600 Irawadidelphine registriert. Die Beobachtungen umfassen die drei Jahreszeiten Trockenzeit (Dezember bis März), Monsun (Juni bis September) und Postmonsun (Oktober bis November). Nur für den Prämonsun (April bis Mai) ist die Datenmenge sehr gering.

Es konnten erstmalig „Hotspots“ bestimmt werden, in denen außergewöhnlich viele Flussdelphine vorkommen. Die dortigen Bedingungen (z. B. Salinität, Wassertiefe, Strömung) in diesen „Hotspots“ werden jetzt für die verschiedenen Jahreszeiten genauer unter die Lupe genommen.

Im Nordteil der Sundarbans überschneidet sich die südliche Verbreitungsgrenze des Gangesdelphins, der die Flüsse bis in den Brackwasserbereich herabwandert, mit der des Irawadidelphins, der etwas salzhaltiges Wasser bevorzugt. Bisher war angenommen worden, dass nur wenige hundert Exemplare des Irawadidelphins in den Sundarbans und dem angrenzenden Brackwasser-Küstenbereich vorkommen. Aus den von BCDP und WCS gesammelten Daten ergibt sich für diesen Bereich die erstaunlich hohe Anzahl von rund 6000 Tieren. Der Bestand ist besonders durch Fischernetze, aber auch durch veränderte Umweltbedingungen gefährdet

Ausblick

Dieses Jahr konnten leider u. a. geplante Arbeiten des BCDP im Küstenbereich, für die ein gemieteter seegängiger Trawler benutzt wird, nicht durchgeführt werden, da wegen der Wirtschaftskrise keine ausreichenden Finanzmittel aufgetrieben werden konnten. Auch die Fortsetzung des mühsam aufgebauten Beobachtungsnetzwerkes der Bootsbesatzungen war nicht mehr gesichert. Denn es hat sich gezeigt, dass das Interesse vieler Seeleute an der Flussdelphinerfassung nur aufrecht erhalten werden kann, wenn sie für diese Mehrarbeit eine kleine Aufwandsentschädigung erhalten. Das gleiche gilt für die meist mittellosen Studenten, die sich sonst durch andere kleine Arbeiten etwas hinzu verdienen müssen.

Aus Geldmangel drohte dieses Jahr die weitere Datenerfassung, die wichtige neue Erkenntnisse bringt und die Voraussetzung für sinnvolle Schutzmaßnahmen der Delphine ist, zu scheitern. Deshalb ist es für das BCDP besonders bedeutsam, schon in der jetzt anlaufenden Touristensaison mit finanzieller Hilfe der Zoologischen Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz e. V. (ZGAP) dieses wichtige Monitoring fortsetzen zu können.

Durch die Ermittlung von „Hotspots“ der Flussdelphine können jetzt weitere Schritte für den Schutz dieser gefährdeten Arten angegangen werden. Ziel ist die Einrichtung von geschützten Flussabschnitten, in denen „no fishing zones“ eingerichtet werden, vor allem aber das Fischen mit Wand- und Langnetzen verboten wird. Mitglieder des BCDP haben öfters tote Delphine untersuchen müssen, die sich in engmaschigen Fischernetzen verfangen hatten. Da das Fischen von Garnelenlarven für die Shrimp-Farmen am nördlichen Rande des Mangrovenwaldes in den Sundarbans stark zugenommen hat, sind auch diese besonders engmaschigen Fangnetze eine große Gefahr für die neugierigen Flussdelphine.

Da das Wissen über Delphine bei der ländlichen Bevölkerung in Bangladesch sehr gering ist, wurden von der BCDP bebilderte Informationsbroschüren in Bangla (und Englisch) hergestellt und in Fischerdörfern am Rande der Sundarbans Informationsveranstaltungen durchgeführt. Dabei wurde auch mit selbst hergestellten lebensgroßen Flussdelphinmodellen und Plakaten gearbeitet. Es hat sich gezeigt, dass die Fischer dem Problem gegenüber sehr aufgeschlossen sind. Durch Veröffentlichungen in populären und wissenschaftlichen Medien und eine große Delphinausstellung in der Hauptstadt Dhaka sind auch gute Kontakte zu den lokalen Medien und auch zu Regierungsstellen, wie dem „Ministry of Environment and Forests“, dem „Department of Fisheries“ sowie der „Navy“ und „Coast Guard“ geknüpft worden. Hierbei hat WCS kräftig mitgeholfen. Viele Bangladeshis sind überrascht zu erfahren, wie viele Delphin- und Walarten es in ihren Gewässern gibt, und das BCDP freut sich über die positive Resonanz auf diese Nachricht. Aktive junge Leute, häufig Studenten, wollen jetzt beim BCDP mitwirken. Damit ist ein Anfang gemacht, der jede Unterstützung verdient.

ZGAP LogoDieser Bericht ist ursprünglich in den ZGAP Mitteilungen 25: S. 12-13 erschienen. Den Autoren Dr. Helmut Denzau erreichen Sie unter denzau-bei-t-online-punkt-de.
Mehr Informationen zur Arbeit der Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz e.V. finden Sie auf der Website www.zgap.de.

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Literatur

MANSUR, E. F., B. D. SMITH, R. M. MOWGLI UND D. ABU, M. ABDULLAH (2008):
Two Incidents of Fishing Gear Entanglement of Ganges River Dolphins (Platanista gangetica gangetica) in Waterways of the Sundarbans Mangrove Forest, Bangladesh.
Aquatic Mammals 34: 362–66.

SMITH, B. D., G. BRAULIK, S. STRINDBERG, R. MANSUR, M. A. A. DIYAN UND B. AHMED (2009):
Habitat selection of freshwater-dependent cetaceans and the potential effects of declining freshwater flows and sea-level rise in waterways of the Sundarbans mangrove forest, Bangladesh.
Aquatic Conservation: Marine and Freshwater Ecosystems 19: 209–25.

Links

Bangladesh Cetacean Diversity Project
www.shushuk.org

Reeves, R.R., Jefferson, T.A., Karczmarski, L., Laidre, K., O’Corry-Crowe, G., Rojas-Bracho, L., Secchi, E.R., Slooten, E., Smith, B.D., Wang, J.Y. und Zhou, K. (2009):
Orcaella brevirostris.
IUCN Red List of Threatened Species. Version 2009.2

Smith, B.D., Braulik, G. und Sinha, R. K. (2009):
Platanista gangetica ssp. gangetica.
IUCN Red List of Threatened Species. Version 2009.2.