Schwertwale: Tauchrekord für den Mittagstisch

von Jan Herrmann | cetacea.de | Wittmund | 21. April 2019

Wenn es darum geht, Fisch von den Langleinen der Fischer zu stibitzen, nehmen Schwertwale die Anstrengungen enormer Tauchgänge in Kauf. Das haben Wissenschaftler um Jared Towers (Cetacean Bay) und David Tixier (Deakin Universität) herausgefunden.

Schwertwale ernähren sich als Nahrungsopportunisten von einer riesigen Bandbreite an Beutetieren. Dabei nutzen sie eine erstaunliche Vielfalt an Techniken. In Norwegen erlegen Schwertwale Heringe mit der Karussell-Technik, an der argentinischen Küste werden Südamerikanische Seelöwen vom Strand gegriffen und aus Britisch-Kolumbien kennt man sogar Rehe als gelegentliche Beute. Berichte von Augenzeugen und Untersuchungen des Mageninhalts belegen eine Ernährung, bei der zwischen Hering und Blauwal eigentlich alles auf den Teller kommen kann.

Seehechte als Tiefsee-Delikatesse

In antarktischen Gewässern steht eine besondere Delikatesse auf dem Speiseplan. Zwei Arten von Seehechten kommen hier vor, die bei Schwertwalen genauso hoch im Kurs stehen, wie bei den Fischern die diesen Fischen nachstellen. Es sind die Patagonischen Seehechte (Dissostichus eleginoides) und Antarktische Seehechte (Dissostichus mawsoni), die ihren deutschen Namen zu Unrecht tragen, da sie nicht zur Familie der Seehechte, sondern zu den Antarktisdorschen gehören. Während die Antarktischen Seehechte, ausgestattet mit Kälteschutz-Proteinen, weiter südlich vorkommen, halten sich die Patagonischen Seehechte in etwas wärmeren Gewässern im Südatlantik rund um Südgeorgien auf, etwa 1400 km von der der Ostküste Südamerikas entfernt.

Beide Seehechte leben bodennah in Tiefen bis über 3000 m. Jungfische unter einem halben Meter halten sich auf dem Schelf auf und wandern bei Erreichen der Geschlechtsreife mit etwa 90 cm Länge in Gewässer mit über 500 m Tiefe. Zur Nahrungssuche steigen sie aber auch bis zu einer Tiefe von 100 Meter auf. Ausgewachsene Vetreter können bis zu 2 m lang und 100 kg schwer werden.

Mit tausenden Haken an vier bis zwölf Kilometer langen Leinen versuchen die meist von Australien aus operierenden Fischer die im Schnitt rund zehn Kilogramm schweren Fische zu ködern. Seit einigen Jahren schon sind die antarktischen Schwertwale bei St. Georgien darauf aufmerksam geworden und scheinen sehr dankbar darüber zu sein, dass jemand Ihnen die Mühen der Jagd abnimmt. Die Schwertwale tauchen entlang der Leinen und pflücken die verendeten Seehechte wie reife Äpfel vom Baum.

Die Tauchfähigkeiten dieser Art wurde unterschätzt. Verglichen mit normalen Jagdzügen tauchten die Wale deutlich tiefer und schneller, wenn sie Fisch von den Leinen nehmen konnten.

Dr. Paul Tixier
Schwertwal in antarktischen Gewässern. Foto: Anita Ritenour CC-BY 2.0

Schwertwale mit Fahrtenschreiber

Nun haben Jared Towers und sein Forschungsteam zwei Schwertwale besendert und gar erstaunliches entdecken können. Sie haben 54 Gramm schwere Transmitter per Armbrust in die Finnen eines männlichen und eines weiblichen Schwertwales geschossen und konnten so über Zeiträume von 14 Tagen Orts- und Tauchdaten der Orcas gewinnen. Die Schwertwale folgten dem Langleinenboot über eine Strecke von etwa 300 Kilometern. Dabei wurden 489 Tauchgänge in 50 Kilometer Radius um das Boot aufgezeichnet:

  • 133 Tauchgänge nicht tiefer als 20 Meter
  • 37 Tauchgänge mit dem Ziel Langleinendiebstahl bis zu einer Tiefe von 1087 Metern
  • 270 normale Tauchgänge zur natürlichen Nahrungsaufnahme nicht über eine Tiefe von 500 Meter hinaus. 
  • 49 unklare Tauchgänge bis über 750 Meter Tiefe

Beim Patrouillieren der Leinen tauchen die Schwertwale in über tausend Meter Tiefe. Das sind ganze dreihundert Meter mehr, als man bisher von dieser Art angenommen hat. Wer jetzt an die übersichtlichen dreihundert Meter denkt, die man vielleicht zum Briefkasten auf sich nimmt, sollte sich klar machen, dass dreihundert Meter in die Tiefe eine Druckzunahme von etwa 3 Megapascal bedeutet. Pro Quadratzentimeter Oberfläche steigt der Druck von 70 Kilogramm auf 100 kg. Das ist eine Tauchleistung, der ein entsprechender Gewinn entgegen stehen muss. Paul Tixier ist fasziniert, dass die Schwertwale in kurzer Zeit gelernt haben, das Eins und Eins des menschlichen Fischfangs zusammenzuzählen und den Fischerbooten interessiert folgen, wenn sie diese entdecken.

Besprochene Veröffentlichung:

TOWERS, J. R., P. TIXIER, K. A. ROSS, J. BENNETT, J. P. Y. ARNOULD, R. L. PITMAN, und J. W. DURBAN (2018):
Movements and dive behaviour of a toothfish-depredating killer and sperm whale.
ICES J Mar Sci 76:298-311.

Mit Material einer Pressemitteilung der Deakin Universität, Australien. Das Beitragsbild mit der Fluke eines Schwertwales in der Antarktis stammt von Anita Ritenour (CC-BY 2.0).

Links