Sind Sonnenstürme Grund für die Pottwalstrandungen des Frühjahrs 2016?

von | Christian-Albrechts-Universität | Kiel | 22. August 2017

Pottwal-Strandungen sind an unseren Küsten ein seltenes aber vielbeachtetes Phänomen. Obwohl die Nordsee keinen Lebensraum für diese imposanten Meeressäuger bietet, kam es Anfang 2016 an der englischen, französischen, niederländischen und deutschen Nordseeküste zu 29 Strandungen. „Die Untersuchungen der Walkadaver ergaben, dass anscheinend keine der vielen bekannten Ursachen bei diesen Fällen zutrafen“, beschreibt Dr. Klaus Heinrich Vanselow vom Forschungs- und Technologiezentrum Westküste (FTZ) den Ausgangspunkt für seine Forschungen. In dem Fachmagazin „International Journal of Astrobiology“ veröffentlichte der Physiker jetzt seine These, dass Wale zur Orientierung sehr wahrscheinlich das Magnetfeld der Erde sowie geomagnetische Anomalien nutzen. „Sonnenstürme könnten daher das Erd-Magnetfeld beeinflusst und die Strandungen ausgelöst haben“, so Vanselow.

In seiner Studie hat Dr. Klaus Heinrich Vanselow gemeinsam mit Professor Stefan Garthe sowie Dr. Sven Jacobsen und Professor Chris Hall detailliert die möglichen Auswirkungen zweier Sonnenstürme Ende 2015 auf einzelne magnetische Komponenten im Seegebiet zwischen Norwegen und Schottland beschrieben: „Insbesondere haben wir die stunden- bis tagelangen sonnensturmbedingten Verbiegungen des Magnetfeldes in dem Meeresgebiet zwischen Norwegen und Schottland, wo die Wale irrtümlich in die Nordsee abgebogen waren, analysiert. Diese Daten haben wir mit den dort natürlich vorkommenden geomagnetischen Anomalien verglichen“, so Vanselow. Dabei zeigte sich, dass die Sonnensturmstörungen zum einen das Erd-Magnetfeld selbst verbiegen können (mit magnetischen Fehlinterpretationen um bis zu mehreren 100 Kilometern in Nord-Süd-Richtung). Zum anderen können während des Durchschwimmens der Anomalien zwischen Schottland und Norwegen Verwirrungen für die Wale auftreten, da die zeitlichen Magnetfeldfverbiegungen den natürlichen geomagnetischen Anomalien ähneln oder diese Aufheben können. Die Sonnenstürme könnten also neben den Magnetfeldverschiebungen selbst falsche Anomalien vortäuschen bzw. echte verschwinden lassen. „Sind die Tiere erstmal in die Nordsee gelangt, haben sie aufgrund der dort andersartigen Umweltverhältnisse meistens keine Chance, ihren Kurs zu korrigieren. Dann stranden sie in der Sackgasse Nordsee“, ist sich Vanselow sicher.

Die Studie verdeutliche außerdem, dass die Störungen des Erd-Magnetfeldes durch Sonnenstürme äquatorfern stärker ausfallen. Da die Pottwale äquatornah aufwachsen, wo die Sonnensturmauswirkungen auf das Magnetfeld aber erheblich geringer sind, müssen sie den Umgang mit diesen Störungen in höheren Breiten also erst erlernen. Vanselow: „Der hohe Anteil an gestrandeten Jungbullen ließe sich mit dieser These erklären.“

Originalpublikation:

VANSELOW, K. H., S. JACOBSEN, C. HALL und S. GARTHE (2017):
Solar storms may trigger sperm whale strandings: explanation approaches for multiple strandings in the North Sea in 2016.
International Journal of Astrobiology 1-9.

Dies ist Pressemeldung Nr. 263/2017 der Universität Kiel

Literatur zum Thema:

VANSELOW, K. H. und K. RICKLEFS (2005):
Are solar activity and sperm whale Physeter macrocephalus strandings around the North Sea related?
Journal of Sea Research 53: 319-27.

PIERCE, G. J., M. B. SANTOS, C. SMEENK, A. SAVELIEV und A. F. ZUUR (2007):
Historical trends in the incidence of strandings of sperm whales (Physeter macrocephalus) on North Sea coasts: An association with positive temperature anomalies.
Fisheries Research 87: 219-28.

VANSELOW, K. H., K. RICKLEFS und F. COLIJN (2009):
Solar Driven Geomagnetic Anomalies and Sperm Whale (Physeter macrocephalus) Strandings Around the North Sea: An Analysis of Long Term Datasets.
The Open Marine Biology Journal 3: 89-94.