Für Schweinswale in der Ostsee war 2007 ein sehr schlechtes Jahr. Wie Strandfunde entlang der deutschen Küste zwischen Flensburg und Greifswald belegen, sind über 100 der kleinen Wale umgekommen. Diese Bilanz der Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere (GSM) ist dramatisch. „Es wurden mehr als doppelt so viele Kadaver angetrieben wie 2006“, sagt Hans-Jürgen Schütte, der das GSM-Projekt „Wassersportler sichten Schweinswale“ koordiniert
Die Todesursachen sind fast immer anthropogen, von Menschen gemacht. Der sensible Lebensraum Ostsee ist zu einer Wasserstraße mit starkem Schiffsverkehr verkommen, von Schadstoffen aus Industrie und Landwirtschaft verschmutzt und überdüngt. Kriegsaltlasten, militärische Übungen und die Ausbeutung von Bodenschätzen wie Kies und Sand, Öl und Erdgas, machen das einzigartige Ökosystem buchstäblich lebensfeindlich.
Als Todesursache Nr. 1 hat 2002 das Kleinwale Abkommen ASCOBANS in seinem Rettungsplan für den Ostsee-Schweinswal („Jastarnia Plan“) die Fischerei identifiziert. Obwohl kein Fischer absichtlich Schweinswale fängt, sterben viel zu viele in nicht für sie ausgebrachten Netzen, im „Beifang“. Die sich besonders akustisch orientierenden Wale können die modernen Netze aus dünnem Kunststoffgarn weder sehen noch mit ihrem Echolot orten. Sie verheddern sich in den Geweben, ersticken elendig. „Es sterben mehr Tiere als geboren werden“, sagt die Meeresbiologin Petra Deimer, GSM, „obwohl der nur bis 1,60 Meter große Meeressäuger mit der stumpfen Schnauze und dem dunklen Rücken durch alle erdenklichen Gesetze geschützt ist. Das kann kein Bestand verkraften“.
Da der kleine Wal ohne strikte Maßnahmen in der Ostsee schon bald ausgerottet sein wird, rät der Rettungsplan unmissverständlich zur Umrüstung der Fischerei: Von gefährlichen Fangtechniken auf weniger gefährliche, also von Treibnetzen auf Langleinen, von Stellnetzen auf Fischreusen. Es fehlt weder an Gesetzen noch Vorschriften, es fehlt wie so oft an der Umsetzung. Würden die Ostsee-Staaten den Jastarnia Plan anwenden, könnten sie den „Kleinen Tümmler“, wie der quirlige Meeressäuger auch heißt, retten.
Fünf Jahre nach Inkrafttreten des Rettungsplans verharren fast alle Fischerei-institutionen in stoischem Nichtstun. Anstatt den für ASCOBANS-Mitgliedsländer verbindlichen Rettungsplan umzusetzen, wird versucht, die Todesursachen zu vertuschen. Der GSM liegt das Foto eines verendeten, tot an den Strand gespülten Schweinswals vor, dem ein Backstein an die Schwanzflosse gebunden wurde. GSM-Mitstreiter Andreas Pfander fand an der schleswig-holsteinischen Küste mehr tote Tiere denn je, viele mit aufgeschlitzten Bäuchen – die Kadaver sollten möglichst nicht oder erst spät ans Tageslicht kommen. Das Motto: Je später sie auftauchen, desto schlechter sind die Netzmarken zu erkennen, Abdrücke, die verraten, dass ein Wal im Netz umgekommen ist.
Noch vor wenigen Jahren wurden Beifänge gemeldet und in Schleswig-Holstein dem Forschungs- und Technologie Zentrum, Büsum (FTZ) zugeleitet. Sie dienten der Wissenschaft, z.B. um den Gesundheitszustand der Tiere – aber auch den ihres Lebensraumes zu untersuchen. Aber Beifänge gibt es ja angeblich nicht mehr…
Umso wichtiger ist es, dass die Küstenländer von Ost- und Nordsee ein Totfund-Monitoring unterhalten. Ob durch die Fischerei- oder andere Einwirkungen, die Kadaver von Meeressäugern, Walen und Robben, lassen noch etliche Rückschlüsse auf die Todesursachen und ihren Lebensraum zu. Oder ist man daran z.B. in Mecklenburg-Vorpommern gar nicht interessiert? Immerhin sind Meeressäugetiere, die am Ende der Nahrungskette stehen, Indikatoren, die den Zustand ihrer Umwelt anzeigen. In Mecklenburg-Vorpommern überlässt man das Sammeln von Daten und Kadavern nur zu gern Freiwilligen.
Dies ist eine Pressemitteilung der Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere e.V.