Tagung der Internationalen Walfangkommission (IWC) in Lima (Peru), am 23. -27. September 2024: Ergebnisse, Ereignisse, Zusammenhänge

von Johannes Albers | cetacea.de | Essen | 30. September 2024

Rund 400 Delegierte der 88 IWC-Mitgliedsstaaten tagten im „Los Delfines“-Hotel in Lima, Peru. Der IWC-Vorsitzende Diallo aus Guinea schaffte es selbst freilich aus organisatorischen Gründen nicht, in Peru zu erscheinen. Für ihn sprang sein Stellvertreter Gales aus Australien ein. Das musste er auch schon im März bei einem großen IWC-Rundschreiben, als Diallo zeitweise abgetaucht war. Turnusgemäß wurde Gales im Laufe der Tagung zum neuen IWC-Vorsitzenden für die nächsten zwei Jahre bestimmt. 

Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 69. Treffens der International Whaling Commission

Beschlussfähigkeit

Bevor es an Sachentscheidungen ging, beriet die IWC über neue Regelungen zur Beschlussfähigkeit ihrer Versammlungen. Aber man konnte sich über ein Quorum (die nötige Mindestanzahl von Stimmen bei einer Abstimmung) nicht einigen. So entschied Gales, ein Quorum vor jeder einzelnen Sitzung der Konferenz festzusetzen, und ein halbes Dutzend Anträge aus dem Walschutz- wie dem Walfanglager in einer einzigen Sitzung abzuhandeln. Damit suchte er der Gefahr entgegenzuwirken, dass manche Delegationen einzelne Abstimmungen gezielt durch ihre gemeinsame Abwesenheit platzen lassen, wie auf der Vorgänger-Tagung 2022 geschehen. Zu so etwas kam es in Lima nicht.

Eingeborenen-Subsistenzwalfang

Hier will die IWC nun über die Verwendung des Begriffs „Eingeborenen“ diskutieren. In der Sache geht es um Fänge zur Selbstversorgung im Karibikstaat St. Vincent und die Grenadinen, sowie durch Indigene in Sibirien, Alaska und Grönland. Sie sind vom weltweiten Walfangmoratorium der IWC ausgenommen. Dabei waren in Lima Großwal-Fangquoten für den Zeitraum 2026 – 2031 festzulegen. Per Konsens wurde erstmals das 2018 beschlossene neue Verfahren angewandt, die bisherigen Quoten automatisch um sechs Jahre zu verlängern, da es im Wissenschaftlichen Komitee der IWC keine Bedenken gegen diese Quoten gab. Die im Detail komplizierten Regelungen seien hier vereinfacht wiedergegeben. Erlaubt sind in dem 6-Jahres-Zeitraum folgende Harpunierungen:

Grauwale des östlichen (kalifornischen) Bestandes: 840 im Laufe der 6 Jahre (durch Indigene Sibiriens und ggf. Amerikas);

Grönlandwale der Bering-, Tschuktschen- und Beaufort-See: 336 im Laufe der 6 Jahre (durch Indigene Alaskas und Sibiriens);

Grönlandwale Westgrönlands: 2 pro Jahr;

Buckelwale bei Westgrönland: 10 pro Jahr;

Finnwale Westgrönlands: 19 pro Jahr;

Zwergwale Westgrönlands: 164 pro Jahr;

Zwergwale Ostgrönlands: 20 pro Jahr;

Buckelwale in der Karibik: 24 im Laufe der 6 Jahre (durch Bewohner von Bequia).

Walschutzgebiet Südatlantik

Die Einrichtung dieses schon seit über 20 Jahren erstrebten Schutzgebietes verfehlte mit 40 zu 14 Stimmen bei 3 Enthaltungen knapp die hier nötige 3/4-Mehrheit. Treibende Kraft des Antrags waren südamerikanische Länder. Aber auch das afrikanische Gabun zählte zu den Mit-Antragstellern, was dessen Delegierter jedoch im IWC-Plenum leugnete: Er bekämpfte den Antrag. Brasilien legte ein Schreiben der Regierung Gabuns vor, das ihre Mit-Antragstellerschaft bestätigte. Also vertrat der Gabun-Delegierte nicht die Position seiner Regierung. Ähnliches kennt man schon aus der Vergangenheit, wo IWC-Delegierte aus Entwicklungsländern und kleinen Inselstaaten sich als Handlanger der japanisch gesteuerten Pro-Walfang-Lobby erwiesen.

Resolution der EU zur Stärkung des Moratoriums

Die EU legte einen Resolutionsentwurf zur Stärkung des seit 1986 geltenden Walfangmoratoriums vor. Die Resolution wurde mit 37 zu 12 Stimmen bei 8 Enthaltungen angenommen und erinnert die Walfangländer an ihre Verpflichtungen nach dem UN- Seerechtsübereinkommen (UNCLOS, Artikel 65 und 120) und dem Völker-Gewohnheitsrecht, mit der IWC zusammenzuarbeiten. Das gilt auch für IWC-Nichtmitglieder. Die Resolution fordert, Fangpläne vorab der IWC vorzustellen. Dies zielt vor allem auf Japan, das 2019 die IWC verlassen hat und seitdem in Eigenregie kommerzielle Waljagd in seiner Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) im nordwestlichen Pazifik betreibt:

– Japan

Zusätzlich zu einer jährlichen Quote von 187 Brydewalen, 25 Seiwalen und 142 Zwergwalen, gab Japan sich 2024 auch eine neue Quote von 59 Finnwalen im Jahr. Sie ist wissenschaftlich hoch umstritten. Japan hat den Plan bei dem Frühjahrstreffen des Wissenschaftlichen Komitees der IWC gezielt verschwiegen, so dass er dort nicht begutachtet werden konnte. Erst nach dem Treffen gab Japan den Plan bekannt. Das ist keine Zusammenarbeit mit der IWC, wie sie UNCLOS fordert.

– Norwegen

Die EU-Resolution spielt auch auf den Walfang Norwegens an, das unter Berufung auf eine Vorbehaltsklausel das Moratorium für sich nicht anerkennt. 2024 hat Norwegen aus einer selbst gesetzten Quote von 1157 Zwergwalen faktisch 414 gefangen. Die Resolution erinnert daran, dass Norwegen in den Quotenberechnungen einen niedrigeren Zielwert für die zukünftige Bestandsgröße der Wale angesetzt hat, als bei der IWC für etwaige Quotenberechnungen vereinbart ist.

– Island

Auch Island erkennt das Moratorium der IWC nicht an. In der Abstimmung über die Resolution enthielt es sich: Zwar hat die Regierung dem letzten Walfangunternehmen des Landes für dieses Jahr eine Lizenz zum Abschuss von 128 Finnwalen erteilt, aber in der Gesellschaft Islands ist die Waljagd heute hochgradig umstritten. Dem trägt die Stimmenthaltung Islands Rechnung.

Vorlagen des Pro-Walfang-Lagers

Ein Gegenstück zu der Resolution der EU war ein Entwurf des Karibikstaates Antigua und Barbuda, unterstützt von St. Lucia: Er forderte, einen formellen Prozess in Gang zu setzen, um das Walfangmoratorium von 1986 demnächst aufzuheben. Dieser Vorstoß stammt schon von der IWC-Konferenz 2022 und war dort auf dieses Jahr vertagt worden. Nun wurde der Entwurf an eine Arbeitsgruppe verwiesen; er soll bis zur IWC-Tagung 2026 überarbeitet werden.

Gleiches gilt für einen Resolutionsentwurf Guineas mit Unterstützung anderer afrikanischer Länder und weiterer Staaten aus Asien und der Karibik. Er betont die Bedeutung von Walfleisch für die Ernährungssicherheit. Auch dieser Vorstoß stammt schon aus früheren Jahren und konnte sich nie durchsetzen. Laut Wissenschaftlern dient gerade der Walschutz auch der Ernährungssicherheit: Gesunde Walbestände sorgen durch Nährstoffverteilung mit ihrem Kot für größere Fischbestände.

Zusammenarbeit mit anderen Organisationen

Per Konsens verabschiedete die Tagung zwei Resolutionsentwürfe der EU zur Zusammenarbeit mit a) der Konvention zum Erhalt der Antarktischen Lebenden Meeresschätze (CCAMLR), sowie b) dem Kunming-Montreal-Rahmenabkommen der CBD (Convention on Biological Diversity) und dem Hochsee-Abkommen BBNJ (Biodiversity in Areas Beyond National Jurisdiction – Biodiversität in Bereichen jenseits nationaler Rechtsprechung). Abgesegnet wurden auch weitere Dokumente zur Kooperation mit dem Sekretariat des Pelagos-Schutzgebietes im Mittelmeer, der Ständigen Kommission für den Südpazifik, und der Cartagena-Konvention, wobei es der IWC im letzten Fall um den Schutz von Walen im Karibikraum geht.

Die nächste IWC-Konferenz findet 2026 in Australien statt.

Links zum Thema

Arbeitsdokumente der 69. Sitzung der IWC.

IWC Presseinfo 27.09.2024: ‚At almost 80 years of age, the IWC has never been more relevant.‘

IWC Presseinfo 27.09.2024: Scientific Committee wraps up and Commission decides on all Resolutions and proposal to amend the IWC Schedule

IWC Presseinfo 26.09.2024: Conservation, welfare and a balanced budget all agreed by consensus on Day 3

IWC Presseinfo 25.09.2024: Day Two: discussions well underway on new work programmes and budgetary proposals

IWC Presseinfo 24.09.2024: IWC69 begins with consensus renewal of Aboriginal Subsistence Whaling quotas and appreciation for the science and conservation work of the Commission




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