TV-Tipp: Warum stranden Wale?

von Jan Herrmann | cetacea.de | Wittmund | 12. August 2007

Arte sendet eine zweiteilige Dokumentation, die sich tiefgehend mit der Strandung von Walen nach Marinemanövern auseinandersetzt

Dokumentation über Walstrandungen bei Arte
Immer wieder kommt es zu rätselhaften Strandungen von Walen, bei denen große Gruppen von Tieren verenden. Warum haben sie die Orientierung verloren? Die italienische Meeresbiologin Antonella Servidio untersucht die These, dass es militärische Sonare sein könnten, die für die Massen-Strandungen verantwortlich sind. Die Suche nach Beweisen führt die junge Wissenschaftlerin um die halbe Welt.

Der erste Teil der Dokumentation zeigt, wie die scheuen Tiere leben, jagen und kommunizieren. Er begleitet sie mit Hilfe eingepflanzter Digitalrecorder bei ihrer Jagd in der Tiefsee und zeigt ihr Verhalten in 3-D-Computeranimationen. Außerdem wird die Wirkungsweise der Sonare, die die Marine für die U-Boot-Jagd auf den Weltmeeren einsetzt, untersucht und anschaulich erklärt. Der Verdacht erhärtet sich, dass militärische Sonare schuld sein könnten am qualvollen Tod der Wale. ARTE zeigt diese Sendung innerhalb des Programmschwerpunkts „Wasser Welten“.


SENDETERMINE
Teil 1: 14.08., 19.00 Uhr
Teil 2: 15.08., 19.00 Uhr

Im Jahr 2002 strandeten mehr als 15 Wale an der Küste Fuerteventuras. Die Einheimischen stellten rasch eine Verbindung zu einem NATO-Seemanöver her, das mit 58 Schiffen in der Nacht zuvor das Aufspüren von U-Booten übte. Die Sonare der Marine waren im Einsatz, um über die zurückgeworfenen Echos die Standorte der U-Boote zu bestimmen. Doch das Militär wies jeden Zusammenhang mit rätselhaften Strandungen der Wale zurück. Autopsien brachten kein klares Ergebnis, aber ein Indiz. Es wurden Gasblasen in lebenswichtigen Organen der Tiere gefunden. Sind sie ein Hinweis für das Auftreten einer extremen Taucherkrankheit bei Walen? Könnte es sein, dass die extrem schallempfindlichen Tiere, deren feiner Ortungssinn auf Echos ausgesendeter Tonsignale beruht, durch die vielfach lauteren Sonare der Marine in Mitleidenschaft gezogen werden?

Antonella Servidio versucht, all jenes Wissen zu sammeln, das bisher nur in den Labors ihrer Kollegen zusammengetragen wurde. In der schottischen U-Boot-Basis Faslane trifft sie sich mit einem Sonar-Experten, der ihr die raffinierte militärische Technologie erklärt. Anschließend besucht sie den Walforscher Mark Johnson und sein Team, die mit einer neuen Methode den Schnabelwalen erstmals bei ihrer Jagd in die bisher unzugängliche Tiefsee folgen können und offene Fragen der Meeresforschung enträtseln.

Zum ersten Mal wird mit 3-D-Animationen, die auf der Grundlage wissenschaftlicher Daten angefertigt wurden, der Tauchgang eines Schnabelwales in über 500 Meter Tiefe sichtbar gemacht. Bei Antonella Servidio verdichtet sich der Verdacht, dass Zusammenhänge zwischen den Strandungen der Wale und den militärischen Sonareinsätzen bestehen. Doch noch sind zu viele Fragen ungeklärt, um Gewissheit zu erlangen.

Der zweite Teil der Dokumentation führt Antonella Servidio auf ihrer Suche nach der Wahrheit über die Strandungen von Walen zu der Neurobiologin Lori Marino in Atlanta. Die Wissenschaftlerin vergleicht die Gehirne von Walen mit denen von Menschen. Sie hat festgestellt, dass der Grundaufbau ähnlich, andere Bereiche doch sehr spezialisiert sind. Dass Wale empfindlich auf Schall reagieren und schnell in Panik geraten, macht Lori Marino anhand eines drastischen Beispiels aus Japan deutlich. Dort wird Schall für die Delfinjagd eingesetzt.

Antonella Servidio trifft in San Juan Islands nahe der kanadischen Grenze den Meeresbiologen Ken Balcomb. Er erforscht seit 20 Jahren Orkas in einer Bucht nahe der Bangor U-Boot-Basis. Als eine Fregatte vor der Küste auf U-Boot-Jagd ging, zeichnete Ken Balcomb den Sonarschall auf, während er gleichzeitig filmte, wie die Wale dem Schall zu entkommen versuchten. Er lieferte damit einen der ersten stichfesten Beweise, dass Wale auf Sonare reagieren.

Ken Balcomb hat auch eine Strandung von Schnabelwalen auf den Bahamas dokumentiert. Damals wurden Blutgerinnsel in den Schädeln der verendeten Tiere gefunden. Der gleiche Befund liegt am veterinärmedizinischen Institut der Universität Gran Canaria vor. Dort entdecken Forscher in den Schädeln gestrandeter Wale außerdem Gasblasen in den Organen – deutliche Hinweise dafür, dass die Tiere zu schnell aus großen Tiefen auftauchen. Wiederholt hat er im Blut der toten Wale auch feinste Fettpartikel gefunden.

Dafür findet Carmelo Militello von der Technischen Universität Teneriffa eine Erklärung. Er hat sich mit dem Unterkieferknochen der Schnabelwale beschäftigt, mit dem sie die Echos ihrer Ortungslaute wieder aufnehmen. Diese Knochen beginnen exakt bei der Frequenz des Sonars der Marine stark zu vibrieren. Carmelo Militello vermutet, dass diese unnatürliche Vibration zu Rissen in den Mikrostrukturen des umgebenden Gewebes und zum Eindringen von giftigen Fetten in den Blutkreislauf führen.

Mit den gesammelten Beweisen konfrontiert Antonella Servidio Militär und Politiker. Doch keiner der Verantwortlichen kann der Meeresbiologin Hoffnung machen, dass sich etwas zugunsten der Wale verändern ließe. So beschließt sie, die Ergebnisse ihrer Recherche einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Stichhaltig kann sie nachweisen, dass Wale durch militärischen Schall in Panik geraten, deshalb viel zu schnell auftauchen, dabei tödliche innere Verletzungen erleiden und orientierungslos an Land gespült werden.

Diese Dokumentation stammt von Volker Barth von der Produktionsfirma Anthro Media aus Berlin. Sie verspricht fundierte Recherche, aufwendige Visualisierungen und spannende Unterhaltung.

TV-Tipp basierend auf Material von Arte und Anthro Media.