(* 7. Februar 1825 in Eilenburg; † 26. April 1908 in Berlin)
- 1853 Lehrer in Hamburg
- 1868 Professor für Zoologie an der Universität in Kiel
- 1887 Professor für Zoologie an der Universität in Berlin und Direktor der Zoologischen Sammlung
Direktor des Museums für Naturkunde in Berlin
Blauwalskelett (aus Van Beneden und Gervais, 1880)
von Professor K. Möbius.
Vorgetragen im Naturwissenschaftlichen Verein am 11. Mai 1885.
Am 26. Juni 1881 bemerkten die Leute des Zollkreuzers „List“ zwischen den Inseln Sylt und Föhr einen langen, dunkeln Gegenstand. Es schien ihnen ein gestrandetes Boot zu sein. Als sie aber näher kamen, erkannten sie, dass es ein lebendiger Wallfisch war, der nicht weiter schwimmen konnte, weil er mit dem Bauche auf eine Sandbank, den sogenannten Linsand, gerathen war. Da das Meer gerade ebbte, als er sich festschwamm, so ragte sein Körper nach und nach immer höher über das Wasser.
Die Leute des Zollkreuzers ruderten in ihrem Boot an ihn heran, stachen mit einem Degen in seine Brust und hieben ihm mit einem Beile die Schwanzflosse ab. Aus dem Stumpfe des Schwanzes schoss ein Strom dampfenden Blutes hervor, der den Leuten so heiss vorkam, dass sie in die Höhe sprangen, als er auf ihre nackten Füsse stiess.
Nachdem sich der Walfisch todtgeblutet hatte, stachen sie ein Loch in den Unterkiefer, zogen ein Tau hindurch und banden ihn damit an ihr Schiff“, und sobald er bei der nächsten Fluth flott wurde, segelten sie mit ihm nach der Bucht von Rantum an der Ostküste Sylts und schleppten ihn bei Hochwasser so nahe an den Strand, dass er bei Niedrigwasser ‚trocken auf dem Watt lag. Nun konnten sie ihm bei Ebbe bequem den Speck abschälen und die Barten aus dem Rachen schneiden.
Als ich von diesem Ereigniss Kunde erhalten hatte, reiste ich nach Sylt und kaufte am 4. Juli das Skelett mit den noch daranhängenden schon sehr stark riechenden Weichtheilen. Unter der Aufsicht des Anatomiedieners Hansen liess ich die Knochen abfleischen, zu Schiff nach Husum und von hier auf der Eisenbahn nach Kiel bringen, wo sie sammt den Barten am 5. August eintrafen. Das Bruttogewicht der Knochen und Barten betrug 2450 kg.
Im zoologischen Institut wurden die Wirbel, Rippen, Arm- und Handknochen theils durch siedendes Wasser, theils durch Benzin entfettet und dann an der Luft gebleicht. Der Schädel und die Unterkiefer wurden in drei aufeinanderfolgenden Sommern durch aufgestrichenen Thon entfettet und im Freien gebleicht. Nachdem endlich sämmtliche Knochen geruchlos geworden waren, wurde das Skelett im Februar und März 1885 zusammengesetzt und im Hauptsaale des zoologischen Museums aufgestellt.
Um der Wirbelsäule Festigkeit zu geben, wurden die Wirbelkörper in der Mitte durchbohrt und dann auf ein eisernes Gasrohr gereihet. Die Schädelknochen wurden durch runde Eisenstangen und Schrauben fest vereinigt, die Rippen durch dicken Eisendraht und Schrauben mit den Brustwirbeln verbunden, die Schulterblätter an den vorderen Rippen festgeschraubt und das Zungenbein, das Brustbein und das Becken durch Drähte an ihren Stellen aufgehängt.
Das Skelett ist fast ganz vollständig. Es fehlt nur das rechte Thränenbein und das Becken. Beide sind durch Holznachbildungen ersetzt worden. Das rechte Thränenbein wurde dem linken entsprechend nachgeformt.
Die beiden Beckenknochen sind dem Becken des Blauwalskelettes nachgebildet, welches der zoologische Garten in Hamburg 1884 von Dr. Guldberg in Christiania kaufte. Da das Hamburger Blauwalskelett 20,25 m das hiesige nur 13,1 m lang ist, so sind die hölzernen Nachbildungen des Beckens für dieses der Grössenverschiedenheit entsprechend verkleinert worden.
Nach der Angabe des Kreuzzollassistenten Pahl, von dem ich das Skelett kaufte, war der Walfisch ein Weibchen und hatte eine Länge von 50 Fuss. Das Skelett ist 13,1 m lang. Die Verkürzung desselben erklärt sich aus der Entfernung der Lippen, der Schwanzflosse und der Knorpel zwischen den Wirbeln.
Dieses Blauwalskelett ist im Zoologischen Museum der Universität Kiel zu sehen.
Zoologisches Museum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Hegewischstraße 3,
24105 Kiel
Öffnungszeiten:
Di – Sa 10-17 Uhr,
So u. feiertags 10-13 Uhr, Mo geschlossen.
Es enthält 64 Wirbel, nämlich 7 Halswirbel (sämmtlich von einander getrennt), 16 Brustwirbel, 15 Lenden- und Beckenwirbel und 26 Schwanzwirbel. An den Brustwirbeln hängen 16 Paar Rippen, unter den 16 vorderen Schwanzwirbeln 16 Hämapophysen. Von diesen ist die erste asymmetrisch ausgebildet, indem sie nur aus einem linken, verhältnissmässig sehr dicken Bogenschenkel besteht. In den Flossen sind die Knorpel der Händwurzel, der Mittelhand und der Finger durch genaue Nachbildungen in Moostorf ersetzt. Die Schwanzflosse ist nach Zeichnungen in natürlicher Grösse auf Ellenpapier aus Zinkblech nachgebildet. Sie ist 2,30 m breit und liegt im Museum unter dem Ende des knöchernen Schwanzes. Auf die Schnittfläche derselben ist der 11. Wirbelkörper des Schwanzes (von hinten gezählt) gemalt.
Maasse verschiedener Theile des Skelettes. Länge des Schädels von der Mitte des Zwischenkiefers
- bis zu den Hinterhaupthöckern: 2,89 m
- Länge der Unterkiefer: 2,82 m
- Entfernung der äussersten Punkte der Unterkiefer voneinander: 1,62 m
- Breite des Schädels zwischen den äussersten Punkten des Gelenkfortsatzes der Schläfenbeine: 1,32 m
- Entfernung der äussersten Punkte der Schläfenbeine von einander: 1,51 m
- Entfernung des höchsten Schädelpunktes am Vorderende des Hinterhauptbeins von einer wagrechten Linie, welche die Unterkante der Unterkiefer mit einander verbindet: 0,86 m
- Länge der sieben Halswirbel, unten: 0,44 m
- Länge der 16 Brustwirbel zusammen: 2,37 m
- Grösste Breite der Brust, am achten Rippenpaar: 1,65 m
- Grösste Höhe der Brust unter dem achten Brustwirbel: 1,35 m
- Geradlinige Länge der längsten Rippen (sechstes Paar): 1,52 m
Der grösste Wirbel ist der 38ste. Der Körper desselben ist hoch: 0,32 m; breit: 0,26 m; lang: 0,23 m - Länge des Schulterblatts: 0,51 m
Breite des Schulterblatts (zwischen den äussersten Punkten vorn und hinten): 0,79 m - Länge des Oberarms (aussen): 0,41 m
- Länge der Elle: 0,59 m
Länge der Speiche: 0,65 m
Gesammtbreite von Elle und Speiche oben: 0,30 m
unten: 0,34 m - In der rechten Hand ist der erste Finger sammt seinem Mittelhandknochen lang: 0,59 m
Der zweite Finger: 0,78 m
Der dritte Finger: 0,68 m
Der vierte Finger: 0,36 m - Der Knochen des Brustbeins ist breit: 0,13 m
Der Knochen des Brustbeins ist lang: 0,09 m - Länge der grossen Zungenbeinhörner: 0,40 m
Länge der kleinen Zungenbeinhörner: 0,35 m
Mehr auf Cetacea.de:
Im Rachen hatte der Blauwal jederseits 280 Barten von bläulich schwarzer Farbe, die grösseren hängen in der Mitte zwischen dem Vorder- und Hinterende der Mundhöhle und sind ungleichseitig dreieckig. Die grössten sind 43 cm lang und oben an ihrer Basis 15 — 16 cm breit. An der Innenseite und unten sind sie in schwarze Haare zerspalten, die ungefähr die Dicke von Pferdeschwanzhaaren haben. Sämmtliche Barten der linken Rachenseite sind am linken Oberkiefer des Schädels aufgehängt. (Den Bau und die Entwicklung der Barten von Balaenoptera Sibbaldii hat Tycho Tullberg beschrieben, in: Nova Acta Soc. Sc. Upsal. Ser. III, Upsala 18S3.)
In die Haut des Sylter Blauwales hatte sich ein parasitisches Krustenthier:Penella Balaenopterae Sars eingebohrt, welches im Kieler Museum aufbewahrt wird.
Der Blauwal ist die grösste bekannte Walfischart. Er bewohnt das Nördliche Eismeer. Seine Hauptnahrung ist ein kleiner Krebs: Ephausia inermis Kröy., 1) der oft in ungeheuren Scharen an der Oberfläche des Meeres erscheint und den die Norwegischen Fischer „Kril“ nennen. Zum Abfiltriren desselben aus dem Wasser sind die haarigen dichtstehenden Barten des Blauwales vortrefflich geeignet. Ob der Blauwal auch Fische frisst, ist nicht sicher ausgemacht. Andere Finnwale, (Balaenoptera musculus Comp, und rostrata Fab.), welche, wie der Blauwal an der Norwegischen Küste mit Dynamitgeschossen verfolgt werden, fressen Fische, und folgen daher den Zügen der Lodden (Mallotus villosus Müll.) und Heringe nach.
An der Küste Norwegens erscheint der Blauwal nur in den Sommermonaten. Im Jahre 1878 wurden nach Guldberg im Varanger Fjord 88 Blauwale gefangen und 1881 bis 1883 mehr als fünfhundert. 2)Der grösste ausgemessene war 85 Fuss lang.
Dieser Text erschien ursprünglich in:
MÖBIUS, K. A. (1885):
Ueber einen bei Sylt gestrandeten Blauwal (Balaenoptera Sibbaldii J.E. Gray).
Schriften des Naturwissenschaftlichen Vereins für Schleswig-Holstein 6: 57-60.
Das 1881 bei Sylt gestrandete weibliche Individum war also nicht viel über die Hälfte ausgewachsen. Es war aber dennoch schon halb so lang wie ein ausgewachsener Grönländischer Walfisch (Balaena mysticetus L.)
Blauwale haben sich schon öfter weit nach Süden bis an die Küsten von Grossbritannien, Holland, Frankreich und in das Kategatt verirrt, worüber J. E. Gray 3) und Van Beneden und Gervais 4) nähere Angaben machen. Eine Beschreibung und Abbildung des Blauwals nach einem frischen Thier verdanken wir G. O. Sars. 5)
J. E. Gray hat den Blauwal Balaenoptera Sibbaldii genannt nach einem schottischen Naturforscher des 17. Jahrhunderts, der eine Schrift über Walfische schrieb, welche an der schottischen Küste gestrandet waren. 6)
Literatur
1) G. O. Sars, Oversigt of Norges Crustaceer. I. In: Christiania Videnskabsselskabs Forhandl. 1882, Nr. 18, p. 51.
2) Guldberg, On the existance of a fourth species of Balaenoptera. In: Journ. of Anat. and Physiol. XIX, London 1885, p. 293.
3) J. E. Gray, On the Cetacea which have been observed in the seas surrounding the Brit. Islands. In : Proceed. Zool. Soc. London, May 24, 1864 p. 28.
4) Van Beneden und P. Gervais, Ostéographie des Cétacés, Paris 1880, p. 209.
5) G. O. Sars, Bidrag til noiere Characteristik af vore Bardhvaler. In: Vid. Selsk. Forhandl. Christiania 1878 p. 18 Tab. III
6) Rob. Sibbald, Balnaeologia nova, sive observationes de rarioribus quibusdam Balaenis in Scotiae littus nuper ejectis. Edinburgi (1692) 1773.