Schweinswal

Schweinswal beim Auftauchen
Schweinswal im Fjord&Bælt Zentrum, Kerteminde. Bild: J. Herrmann

Die Schweinswale kann man als die heimischen deutschen Wale bezeichnen. Sie halten sich zeitweise küstennah auf, lassen sich auf Sylt oder bei Wilhelmshaven sogar vom Strand aus beobachten. Trotz der großen Zahl von Schweinswalen in der Nordsee, muss die Bestandsentwicklung aufmerksam beobachtet werden. Damit die Schweinswale ihre Körpertemperatur von ca. 37°C erhalten können, benötigen die Schweinswale viel Energie und verbringen viel Zeit mit der Nahrungsaufnahme. Das betrifft insbesondere laktierende Weibchen. Störungen bei der Jagd z.B. durch Lärm, können dem fragilen Energiegleichgewicht der kleinen Walen empfindlich zusetzen.

Nach ein paar biologischen Kenndaten, finden Sie Angaben zu den ausgestellten Skeletten von Schweinswalen weiter unten.

NAMEN

Phocoena phocoena, Linnaeus 1758 – harbour porpoise (UK) – bruinvis (NL) – marsvin (DK) – nise (NO) – marsouin (FR) – Morświn (PL) –

BESCHREIBUNG

Länge: Ausgewachsen 1,85 (1,50 – 2,00) m lang (Ostsee: ♀: 1,52; ♂: 1,40). Die Weibchen werden einige Zentimeter länger als Männchen.
Das Körpergewicht liegt bei unter 90 kg (Ostsee: ♀: 57 kg; ♂: 48 kg). Die Fluke ist bis zu 60 cm breit, Blubber 2-5 cm dick.
Kälber: Geburtslänge und -gewicht: ca. 80 (65-90) cm, 5-7 kg.
Lebensalter: Bis über 20 Jahre (Nordsee ca. 9-12 Jahre).
Kennzeichen: Kaum abgesetzte Schnauze, spatelförmige Zähne

VERBREITUNG

Der Gewöhnliche Schweinswal kommt an den Küsten des Nordatlantiks und Nordpazifiks vor. Tauchgänge in der Nordsee sind wenige Minuten lang und bis zu 200m tief. Vor Westgrönland haben NIELSEN et al. (2018) im Winter und Frühjahr Tauchgänge bis zu 410 m Tiefe nachweisen können.

BESTAND

1994, 2005 und 2016 wurden die Wale in europäischen Gewässern bei den Sichtungsfahrten und -flügen SCANS I, II und III gezählt und die Ergebnisse zu Bestandsschätzungen hochgerechnet. Nach HAMMOND et al. (2017) betrug der Bestand für den Nordseeraum in den Grenzen der ICES Assessment Unit 345.373 Tiere (246,526 – 495,752). Nach methodischen Überarbeitungen können für 2005 355.000 und für 1994 289.000 Schweinswale in diesem Gebiet angenommen werden.

Der Bestand in der ICES Assessment Unit für die westliche Ostsee (Kattegat und Belt) wurde auf
42.324 Tiere (23.368 – 76.658) geschätzt. Der sehr bedrohte Bestand der zentralen Ostsee war nicht Gegenstand der SCANS Untersuchungen, wurde aber zuletzt während des SAMBAH Projektes auf 497 Tiere geschätzt.

Niedersächsische Küste mit Angaben nach VIQUERAT et al. 2015: März/April 2014: 6.107 Tiere (3.555-10.711), davon 2.067 im östlichen Untersuchungsgebiet und 4.039 im westlichen Untersuchungsgebiet. Im Mai 2014 wurde der Bestand nach den Flugzählungen auf 15.628 Tiere (9.324-26.646) geschätzt, davon 8.257 im östlichen Untersuchungsgebiet und 7.371 im westlichen Untersuchungsgebiet. Das Gebiet um Borkum Riffgrund erwies sich neben der Region Sylter Außenriff als Aufzuchtsgebiet für Schweinswalkälber.

NAHRUNG

Ernährung 3-5 kg Fisch (bis ca. 25 cm Länge: Grundeln, Hering, Kabeljau, Plattfische auch Tintenfisch, Garnelen) / Tag (ca. 8,4% des Körpergewichts). Zähne: 22-28 Paare im Oberkiefer, 21-25 Paare im Unterkiefer / Die Aufnahme fester Nahrung beginnt ab einem Alter von etwa 5 Monaten.

FORTPFLANZUNG

Die Tragzeit beträgt ca. 11 Monate. Kälber werden an der Nordseeküste im Juni geboren. Die Paarungszeit ist im Spätsommer. Geschlechtsreife: ♀: 3-4 Jahre; ♂: 2-3 Jahre

GEFAHREN

MENSCH:

  • Beifang in Fischerei. Für das Jahr 2020 hat die ICES (2021) ermittelt, dass ca. 6.000 Schweinswale in Fischernetzen der Nordsee verendet sind. Mehr als 90% der Beifänge waren Stellnetzen zuzuordnen. Seit 2022 gelten in der Ostsee verschärfte Regeln für Fischer zum Schutz der stark von Stellnetzen bedrohten Schweinswale der zentralen Ostsee.
  • Lärm (Bau von Windkraftanlagen, Sprengungen, SONAR, Akustische Exploration, Schiffsverkehr),
  • Umweltgifte
  • Müll


NATÜRLICH:

  • Schwertwale,
  • Große Tümmler. An der schottischen Küste stellen Große Tümmler den Schweinswalen nach. 2005 bis 2010 waren 17% aller untersuchungsfähigen gestrandeten Schweinswale Opfer dieser Delfine (DEAVILLE & JEPSON 2011).
  • Kegelrobben. Niederländische Forscher vermuten, dass bis zu 20% der gestrandeten Schweinswale an der niederländischen Küste Opfer von Kegelrobben waren (LEOPOLD et al. 2015). 

Übrigens: Die Schweinswal-Art Vaquita (Phocoena sinus) im Golf von Mexiko ist die bedrohteste Walart der Welt.

SICHTUNGEN MELDEN

Niedersachsen: Das UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer Besucherzentrum bittet um Sichtungsmeldungen von Schweinswalen im Jadebusen. Für weitere Sichtungen bittet die Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer um Meldungen per Beachexplorer. Totfunde können per Meldebogen für tote Meeressäuger in Niedersachsen und Hamburg an die Seehundstation Norddeich gemeldet werden.

Der Verein Schweinswale. e.V. bittet um Sichtungsmeldungen von Schweinswalen in Flüssen (z.B. Elbe, Weser, Ems)

Im Mecklenburg-Vorpommern melden Sie Sichtungen und Strandfunde beim Meeresmuseum Stralsund.

Das Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover nimmt Sichtungsmeldungen aus Nord- und Ostsee (online) entgegen. Für offline-Meldungen gibt es auch ein PDF Formular.

Standorte von Schweinswalskeletten

Skelett eines Schweinswals aus Van Beneden und Gervais (1868-80)

DEUTSCHLAND

21730 Balje
Natureum Niederelbe

53113 Bonn
Zoologisches Forschungsinstitut und Museum Alexander Koenig

26757 Borkum
Heimatmuseum „Dykhus“

27570 Bremerhaven
Nordsee Museum

64283 Darmstadt    — Nur Abgusspräparat —
Hessisches Landesmuseum Darmstadt – Zoologische Abteilung

60325 Frankfurt
Naturmuseum Senckenberg

37073 Göttingen
Zoologisches Museum der Universität Göttingen

20146 Hamburg
Zoologisches Institut und Zoologisches Museum, Universität Hamburg

24105 Kiel
Zoologisches Museum der Christian-Albrecht-Universität

23552Lübeck
Museum für Natur und Umwelt

48161 Münster
LWL-Museum für Naturkunde Münster

26506Norden-Norddeich
Waloseum

24837 Schleswig
Archäologisch-Zoologische Arbeitsgruppe Schleswig

70191 Stuttgart
Staatliches Museum für Naturkunde (Schloss Rosenstein)

26382 Wilhelmshaven
UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer Besucherzentrum

E U R O P A

Brüssel
Institut Royal des Sciences Naturels

CH Bern
Naturhistorisches Museum

DK Esbjerg
Fischerei- und Schiffahrtsmuseum

DK Kerteminde
Fjord & Bælt Centret

DK Kopenhagen
Zoologisches Museum Kopenhagen

DK Svendborg
Naturama

NL Leeuwarden
Natuurmuseum Fryslân

NL Rotterdam
Natuurhistorisch Museum 

NL Texel
ecomare

UK Oxford
Oxford University Museum of Natural History

UK St. Andrews
Bell-Pettigrew Museum

WEITERLESEN

AKTUELLE FORSCHUNG

BAKKEREN, C., M. LADEGAARD, K. A. HANSEN, M. WAHLBERG, P. T. MADSEN und L. ROJANO-DOÑATE (2023):
Visual deprivation induces a stronger dive response in a harbor porpoise.
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MADSEN, P. T., U. SIEBERT und C. P. H. ELEMANS (2023):
Toothed whales use distinct vocal registers for echolocation and communication.
Science 379(6635): 928-933.

NACHTSHEIM, D. A., S. VIQUERAT, B. UNGER, N. C. RAMÍREZ-MARTÍNEZ, U. SIEBERT und A. GILLES (2021):
Small cetacean in a human high-use area: Trends in harbour porpoise abundance in the North Sea over two decades.
Frontiers in Marine Science 7:

NIELSEN, N. H., J. TEILMANN, S. SVEEGAARD, R. G. HANSEN, M. H. S. SINDING, R. DIETZ und M. P. HEIDE-JØRGENSEN (2018):
Oceanic movements, site fidelity and deep diving in harbour porpoises from Greenland show limited similarities to animals from the North Sea.
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VAN FRANEKER, J. A., E. L. BRAVO REBOLLEDO, E. HESSE, L. L. IJSSELDIJK, S. KÜHN, M. LEOPOLD und L. MIELKE (2018):
Plastic ingestion by harbour porpoises Phocoena phocoena in the Netherlands: Establishing a standardised method.
Ambio

WAHLBERG, M., L. DELGADO-GARCÍA und J. H. KRISTENSEN (2017):
Precocious hearing in harbour porpoise neonates.
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Time and tide: Seasonal, diel and tidal rhythms in Wadden Sea Harbour porpoises (Phocoena phocoena).
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WICHTIGE LINKS

DEAVILLE, R. and P. D. JEPSON (2011):
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HAMMOND, P. S., C. LACEY, A. GILES, S. VIQUERAT, P. BÖRJESSON, H. HERR, K. MACLEOD, V. RIDOUX, M. B. SANTOS, M. SCHEIDAT, J. TEILMANN, J. V. VINGIDA und N. ØIEN (2017):
Estimates of cetacean abundance in European Atlantic waters in summer 2016 from the SCANS-III aerial and shipboard surveys.

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OSPAR request to estimate bycatch mortality of marine mammals (harbour porpoise Phocoena phocoena, common dolphin Delphinus delphis, grey seal Halichoerus grypus) within the OSPAR maritime area.
Report of the ICES Advisory Committee ICES Advice 2021, sr.2021.17:6.

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Exposing the grey seal as a major predator of harbour porpoises.
Proc R Soc B 282(1798):20142429.
DOI: 10.1098/rspb.2014.2429

Perrin, W.F. (2018). World Cetacea Database. Phocoena phocoena (Linnaeus, 1758). Accessed through: World Register of Marine Species on 2018-04-01.

VIQUERAT, S., A. GILLES, H. HERR, U. SIEBERT, A. GALLUS, K. KRÜGEL und H. BENKE (2015):
Monitoring von marinen Säugetieren 2014 in der deutschen Nord- und Ostsee.
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