Entnahme von Gewebeproben (Biopsien) lebender Wale
Wir wissen nun also, dass wir für die genannten Analysen mit nur sehr geringen Gewebeproben von Walen auskommen. Ein Mikrogramm DNA sollte es allerdings mindestens sein, da man pro Analyse (vor Vervielfältigung durch die PCR Reaktion) ungefähr 20 Nanogramm Gesamt-DNA (ein Fünfzigstel eines Mikrogramms) benötigt und man, um sicher gehen zu können, mehrere Analysen durchführen und noch etwas auf Reserve haben möchte. Dazu benötigen wir, wie oben erwähnt, mindestens ein Gramm Gewebe.
Wie kommen wir nun an solche Proben? Jedenfalls nicht, indem jemand von einem fahrenden Boot auf den Wal springt und ihm mit einem Messer ein Stück Haut herausschneidet. Gott sei Dank geht es einfacher. In der Regel werden mit einer speziellen Armbrust oder einem modifizierten Kleinkalibergewehr kleine, an einer Leine befindliche Pfeile in den Wal geschossen, die anschließend wieder eingeholt werden können und an deren Spitzen sich genügend große Stücke an Walhaut oder Blubber befinden, um daraus die DNA zu isolieren. Natürlich stellt diese Vorgehensweise im Grunde genommen eine Verwundung des Wales dar, doch diese ist so gering, dass sie der Wal meist gar nicht bemerkt und sie auch kein gesundheitliches Risiko für ihn darstellt. Der Vorteil dieser Methode ist der, dass man die Probe exakt einem Individuum zuordnen kann.
Noch schonendere Strategien machen sich die Tatsache zunutze, dass Wale ständig Hautfetzen verlieren – besonders beim so genannten „Breaching“ – also wenn Wale aus dem Wasser springen und sich anschließend wieder auf die Wasseroberfläche fallen lassen. Die dabei verlorenen Hautstücke werden von erfahrenen WissenschaftlerInnen mit Hilfe feiner Netze aus dem Wasser gefischt. Ein Nachteil dieser Vorgehensweise ist allerdings der, dass man gerade bei der Untersuchung ganzer Walschulen die gewonnenen Proben nicht immer einzelnen Individuen zuordnen kann.
Neuere Entwicklungen, die zur einer deutlichen Steigerung der Empfindlichkeit der DNA-Analysen geführt haben, erlauben es sogar, Proben eingesammelter Walfäkalien als Ausgangssubstanz zu verwenden. Diese enthalten immer auch Zellen des Wals und sogar der Beutetiere oder von Parasiten. Die Analyse solcher Proben erlaubt also nicht nur Aussagen über den Wal selbst, sondern auch über dessen Nahrung und die Schädlinge, von denen er befallen ist.