Konkrete Anwendungen
Die geschilderten Analysen können auf mannigfaltige Weise zur einer wissenschaftlichen, die Tiere nicht gefährdente Untersuchung von Walpopulationen und einzelnen Walen verwendet werden. Ein wesentlicher Aspekt bildet dabei die Analyse der Populationsdynamik. Gerade in Hinblick auf den Artenschutz ist es von Bedeutung Aussagen darüber treffen zu können, in welchem Maße sich verschiedene Populationen von Walen genetisch untereinander austauschen. So können einem große absolute Bestände einer Art das Gefühl vermitteln, dass unter dem Gesichtspunkt der Arterhaltung alles „in Butter“ sei und wir uns keine Sorgen zu machen bräuchten. Wenn die Gesamtzahl der betreffenden Walart jedoch in viele Unterpopulationen geteilt ist, die z.B. aus geographischen Gründen keinen Zugang zueinander finden, so können die einzelnen Populationen und damit auch die gesamte Art durchaus gefährdet sein. Ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist das Problem der Inzucht. Findet ein genetischer Austausch (Paarung, Vermehrung) nicht in genügendem Umfang zwischen Tieren eines möglichst geringen Verwandtschaftsgrades statt, so werden auch die genetischen Ressourcen, die es einer Population erlauben, sich an verschiedene Umweltbedingungen anzupassen, immer geringer. So ist es den meisten Menschen bekannt, dass beispielsweise ein gemeiner „Pinscher“ jedem Zuchthund in Sachen Widerstandskraft in der Regel haushoch überlegen ist. Der Grad der genetischen Übereinstimmung bzw. Variabilität oder Durchmischung verschiedener Populationen kann nun mit Hilfe der genannten Strategien anhand der Identifikation unterschiedlicher genetischer Marker sehr gut untersucht werden. Die gewonnen Daten erlauben eine präzisere Einschätzung des wirklichen Gefährdungsgrades einer Population oder gar einer ganzen Art und spielen damit auch eine große Rolle bei Abwägungen in Bezug auf erforderliche Schutzmaßnahmen. Durch getrennte Analyse der (fast) ausschließlich mütterlicherseits vererbten Mitochondrien-DNA und der chromosomalen DNA ist es sogar möglich, Aussagen über Unterschiede in dem Wander- und Paarungsverhalten weiblicher und männlicher Tiere zu treffen.
Weiterhin ermöglichen es die genannten Analysen, anhand artenspezifischer genetischer Marker die wirklichen Bestandteile von Walfleischprodukten zu bestimmen. Hierdurch konnte schon so mancher Skandal aufgedeckt werden, wie der Verkauf falsch deklarierter Walfleischprodukte in Japan, in denen sich z.T. das Fleisch seltenerer und daher auch gefährdeterer Arten als dem Zwergwal (z.B. Buckelwal) befand. Solche Befunde sind in den Diskussionen um die Berechtigung des „wissenschaftlichen Walfanges“ und der Einhaltung internationaler Konventionen zweifellos von größter Bedeutung.
Ein gerade durch die in neuerer Zeit verfeinerten Verfahren der Analyse von Walfäkalien immer wichtiger werdender Punkt ist die Untersuchung der Ernährungsgewohnheiten von Walen und deren Bedrohung durch Parasiten. Es muss wohl nicht näher erläutert werden, dass solche Untersuchungen eine besserer Einschätzung der Dynamik von Ökosystemen, der Einwirkung verschiedener Umwelteinflüsse und auch ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit der Tiere ermöglichen. Als Positivum der Untersuchungsweise muss dabei klar hervorgehoben werden, dass man nicht mehr auf die Mageninhalte zuvor harpunierter Wale angewiesen ist, was die Bedeutung des wissenschaftlichen Walfanges immer zweifelhafter erscheinen lässt.
Nicht zuletzt gibt es einen rein wissenschaftlichen Aspekt, der jedoch ebenfalls eine Relevanz für den Walschutz besitzen kann. Durch die genannten DNA-Analysen ist es nämlich auch möglich, Aussagen über die Verwandtschaftsgrade verschiedener Tierarten zu treffen. So untermauerten DNA-Analysen beispielsweise die Hypothese, dass die nächsten heute noch lebenden Verwandten der Wale die Paarhufer wie z.B. das Flusspferd sind. Rosenbaum und MitarbeiterInnen postulierten aufgrund von DNA-Analysen vor rund zwei Jahren, dass der Nordatlantische und der Nordpazifische Glattwal unterschiedliche Spezies darstellen – ein in Bezug auf den Artenschutz bestimmt nicht unbedeutender Befund.
Abschließende Bemerkungen
Mit dem Artikel „Moderne DNA-Analysen und ihre Bedeutung für den Walschutz“ möchte ich den LeserInnen der Fluke dem Titel entsprechend einen Eindruck des Prinzips der Analyse von DNA und ihrer Relevanz für den Walschutz vermitteln. Die Mechanismen, mit deren Hilfe die in dem Bauplan DNA enthaltenen Informationen letztendlich in entsprechende Proteine umgesetzt werden, sind dabei so kompliziert, dass ich sie im Rahmen des Artikels sehr pauschal beschreiben musste und auf die vielen Ausnahmen, die man heutzutage kennt, nicht eingehen konnte. Diese sind für ein prinzipielles Verständnis der Materie auch nicht von entscheidender Bedeutung. Wichtig ist mir lediglich, dass die LeserInnen eine „Idee“ davon bekommen, welches Prinzip den Analysen zugrunde liegt und wie groß deren Bedeutung mittlerweile ist. Ich hoffe, dass mir das gelungen ist und bedanke mich bei der Redaktion der FLUKE herzlich für die Einladung zu diesem Artikel.