Waljagd und das Moratorium des kommerziellen Walfangs – kein Ende des Walfangs in Sicht?

von | | | 10. Dezember 2002

Neues über ein düsteres Kapitel menschlicher Nutzung einer marinen Ressource

Dr. Karl-Hermann Kock
Institut für Seefischerei
Bundesforschungsanstalt für Fischerei, Hamburg

Vortrag am 10. Dezember 2002 im Hörsaal des Physiologischen Instituts

Zusammenfassung

Forschungsreport 2/2002Dieser Text, der viele Aspekte des Wal und Mensch Vortrages von Dr. Karl-Hermann Kock berührt ist unter dem Titel
Wale – Sanfte Riesen oder Ratten der Meere? Ein Bericht über die Jahrestagung der Internationalen Walfangkommission
im ForschungsReport 2/2002 vom Senat der Bundesforschungsanstalten erschienen. Sie erhalten diesen in einer PDF Datei bei den Publikationen auf der Website der Bundesforschungsanstalten.

Noch heute begegnet man Walen in Shimonoseki auf Schritt und Tritt. Man sieht sie als Dekoration an Hauswänden und kann auf dem Fischmarkt und in vielen Geschäften Wal- und Delphinfleisch kaufen, sei es frisch, gefroren oder in Dosen. Das meiste Fleisch stammt aus dem kommerziellen Fang von Kleinwalen wie Delphinen, Tümmlern, Grind- und Schnabelwalen. Deren Fang unterliegt, wie es der Konventionstext der IWC schon 1946 vorsah, allenfalls nationalen Beschränkungen. Erst in den letzten 10 Jahren bemühen sich regionale internationale Abkommen wie ASCOBANS (Übereinkommen zum Schutz der Kleinwale in Ost- und Nordsee) oder ACCOBAMS (Übereinkommen zum Schutz der Kleinwale in Mittelmeer und Schwarzem Meer) unter der Schirmherrschaft des Übereinkommens zum Schutz wandernder Arten (CMS) verstärkt um den Schutz von Kleinwalen.

Walfangnation Japan

Japan achtet seit vielen Jahren peinlich genau darauf, dass der Wissenschaftsausschuss der IWC keinerlei verbindliche Aussagen zu Kleinwalen macht. Zusätzlich zu dem Fleisch von Kleinwalen kommen Zwergwale, die sich in Netzen verfangen und ertrinken sowie die Wale, die Japan im so genannten wissenschaftlichen Walfang in der Antarktis und im westlichen Nordpazifik erbeutet, verstärkt auf den Markt. Doch findet sich, wie Untersuchungen einzelner IWC-Mitglieder zeigen, auch immer wieder das Fleisch illegal gefangener Wale auf den Märkten in Japan und Korea.

Je verhärteter die Fronten in der IWC wurden, desto mehr Argumente führte Japan für die Wiedereinführung des kommerziellen Walfangs ins Feld. War es anfangs in erster Linie der Verweis auf traditionelle Essgewohnheiten, zu denen Walfleisch eben gehöre, so standen bald die nachhaltige Nutzung gemäß der Rio-Konvention von 1992 im Vordergrund. Diese Kampagne für den Walfang gipfelte in dem so einfachen wie griffigen Slogan: Save them, eat them. Der Walverzehr wurde von der japanischen Regierung als Akt des Patriotismus hochstilisiert und die zunehmenden Walbestände gerne als Ratten der Meerebezeichnet, die den Fischern ihren Broterwerb streitig machten. Das Moratorium des kommerziellen Walfangs galt als Ausdruck kultureller Überheblichkeit der westlichen Länder. Das Problem blieb nur, dass offenbar immer weniger, vor allen Dingen jüngere Leute in Japan Walfleisch aßen und der Markt das gefangene Walfleisch gar nicht mehr vollständig aufnehmen konnte.

Japan versucht seine Position in der IWC zusätzlich zu stärken, indem es arme Länder zum Beitritt auffordert, die stark von japanischer Wirtschaftshilfe abhängig sind und die die japanischen Interessen in der IWC unterstützen würden.

Aufnahme Islands zunächst abgelehnt

Bereits am ersten Tag der Jahrestagung in Shimonoseki wurde die Wiederaufnahme Islands in die IWC, das bis 1992 Mitglied war, wie schon im Jahr 2001 abgelehnt. Island wollte – unter dem Vorbehalt, das Moratorium des kommerziellen Walfanges nicht anzuerkennen – wieder Mitglied werden. Auf einer nachfolgenden Sondersitzung der IWC im Oktober 2002 ist die Aufnahme Islands allerdings trotz Aufrechterhaltung seines Vorbehalts mit knapper Mehrheit beschlossen worden.

Das Walschutzgebiet ’Indischer Ozean’ wurde für weitere 10 Jahre bestätigt. Weitere Anträge für Schutzgebiete im Südatlantik und Südpazifik verfehlten die erforderliche Dreiviertelmehrheit. Vor allem auf Betreiben Japans wurde auf der Jahrestagung eine neue Quotenregelung für den Grönlandwalfang der Inuit und Chukten in Alaska und Chukotka (Sibirien) blockiert. Auf der Sondersitzung im Oktober wurde dann aber beschlossen, für diese traditionell vom Walfang lebenden Eingeborenengruppen eine Quote von 280 Grönlandwalen in dem Zeitraum 2003-2008 zu bewilligen. Nach Auffassung des Wissenschaftlichen Kommittees der IWC ist damit keine Gefährdung des Bestandes verbunden.

Entwicklung der IWC

Der Anfang: Ein Club von Walfängern

Als 1948 die Internationale Walfangkonvention in Kraft trat, dachte niemand daran, dass sich Walfangbefürworter und -gegner 50 Jahre später einmal unversöhnlich gegenüber stehen würden. Die Walfangkommission – das ausführende Organ der Konvention – war ein Club von Walfängern, dem in erster Linie daran gelegen war, seine eigenen Pfründe zu schützen.

Als erstes Instrument der Regulierung diente der Walfangkommission die Blauwal-Einheit (,blue whale unit‘), die aus einem Blauwal, 2 Finnwalen, 2,5 Buckelwalen oder 6 Seiwalen bestand. Pro Saison wurden die Fangquoten nicht pro Art, sondern über alle Arten in einer bestimmte Menge Blauwal-Einheiten festgelegt, so dass – unabhängig von dem Zustand einer Art oder eines Bestandes – innerhalb der Quote beliebig nach dem Gusto der Walfänger geschossen werden konnte. Geschützt waren lediglich Glatt-, Grönland- und Grauwale sowie Muttertiere mit Kälbern.

Der Schutzgedanke gewinnt an Bedeutung

Mitte der 50er Jahre wurden erste Stimmen unter den Wissenschaftlern laut, die auf eine Verringerung der jährlichen Quoten drängten, anfangs mit geringem Erfolg. Erst zu Beginn der 60er Jahre führten zähe Verhandlungen in der IWC dazu, dass die jährlichen Höchstfangmengen reduziert wurden.

Buckelwale wurden ab 1963, Blauwale ab 1964 geschützt. Vormals führende Walfangnationen wie Norwegen und Grossbritannien gaben in der zweiten Hälfte der 60er Jahre den kommerziellen Walfang auf. Anfang der 70er Jahre waren nur noch die damalige Sowjetunion und Japan als Walfänger übrig geblieben. Dazu kam noch der Küstenwalfang in einigen Ländern wie Portugal (Azoren, Madeira), Spanien, Chile oder Peru.

Ende der 60er/ Anfang der 70er Jahre begann sich die Vorstellung zu verändern, die die Menschen der westlichen Hemisphäre vom Zusammenleben mit den Walen hatten. Die enge Mutter-Kalb Bindung, das staunenswerte Verhalten und die Kommunikationsfähigkeit der Wale fanden breites Echo in den Massenmedien. Der Mythos von den sanften Riesen, die die Weltmeere durchkreuzten, war geboren und Walfänger waren zu ihrer Heimsuchung geworden. Das völkerrechtliche Organ IWC geriet in der westlichen Welt in den Ruch, nur noch eine Lobby der Walfangindustrie zu sein.

Hinhaltender Widerstand

Die Erkenntnis, dass die IWC offenbar nicht in der Lage war, die Walbestände ausreichend zu schützen, führte 1972 in Stockholm auf der UN Konferenz über die Umwelt der Menschen dazu, dass ein 10 Jahre währendes Walfang-Moratorium, also ein Aussetzen des kommerziellen Walfangs, und umfangreiche Walforschungsprogramme gefordert wurden.

Dieser Vorschlag fand jedoch nicht die nötige Dreiviertelmehrheit in der IWC. Stattdessen etablierte die Walfangkommission 1975/76 ein neues Management-Regime, die auf einem Ein-Arten Produktionsmodell basierende New Management Procedure. Doch auch diese Maßnahme erwies sich schnell als untauglich, den rapiden Rückgang der Wale weltweit aufzuhalten. Immerhin gelang es, eine Reihe von Walforschungsprogrammen durchzusetzen, die zum ersten Mal nicht mit dem Töten der Tiere verbunden waren.

Gleichzeitig erfuhr die IWC als Organisation eine Stärkung. Sie erhielt ein hauptamtliches Sekretariat in Cambridge (Großbritannien), das unter anderem vielfältige Koordinations-, Datensammlungs- und Auswertearbeiten durchführte. Die IWC begann sich zu wandeln.

Neue Mitglieder geben neues Profil

Mehr als 20 der jetzt 48 Vertragsparteien traten der IWC zwischen 1975 und 1982 bei, unter anderem auch die Bundesrepublik Deutschland 1982. Der Druck, den Walfang ganz einzustellen, nahm zu. Nach vergeblichen Versuchen, das Moratorium des kommerziellen Walfangs 1979, 1980 und 1981 durchzusetzen, fand sich 1982 die nötige Dreiviertelmehrheit für die Einstellung des Walfanges weltweit ab 1986. Jegliche Modifizierung des Moratoriums sollte nur nach einer umfassenden Bestandseinschätzung (Comprehensive Assessment) aller Walbestände durch den Wissenschaftsausschuss vorgenommen werden. Diese wurde vom Wissenschaftsausschuss 1990 begonnen, ist aber wegen der Vielzahl der Walbestände und der Fülle der zu sichtenden Informationen auch 2002 noch lange nicht abgeschlossen.

Nachhaltige Nutzung?

Auch wenn der Schutzgedanke in der IWC seit 1986 eine große Rolle spielte, beauftragte die Kommission den Wissenschaftsausschuss in der 2. Hälfte der 80er Jahre mit der Entwicklung eines neuen Management-Modells, das eine sichere Nutzung der Wale gewährleisten sollte. Aus mehreren parallel entwickelten Ansätzen wählte der Wissenschaftsausschuss nach einer langen Testphase, in der die Modelle noch einmal auf Herz und Nieren geprüft wurden, 1993 das Modell aus, das der englische Wissenschaftler Justin Cooke entwickelt hatte. Es wurde Revised Management Procedure (RMP) genannt. Das Modell wurde 1994 von der Kommission angenommen.

Weltweit wird es als das führende Modell angesehen, um die nachhaltige Nutzung einer marinen Säugetierpopulation zu gewährleisten. In das Modell gehen der aktuelle Zustand der zu bejagenden Walpopulation und die Serie der historischen Fänge ein. Zusätzliche biologische Daten werden nicht benötigt. Diese RMP ist Teil eines umfassenden Revised Managememt Scheme (RMS), über die die Kommission seit acht Jahren berät, ohne zu einer Einigung zu kommen. Eine der wesentlichen strittigen Fragen ist die Ausgestaltung eines internationalen Inspektionssystems, das es erlaubt, jederzeit die Fänge von Walfangnationen kontrollieren zu können.

Nach Abschluss der RMP begann der Wissenschaftsausschuss in der zweiten Hälfte der 90er Jahre mit der Entwicklung von Management-Verfahren für den Eingeborenen-Walfang, der die Inuit, Sibiriaken und Makah-Indianer, aber auch die Leute von St. Vincent und den Grenadinen in der Karibik einschloss. Der Eingeborenen-Walfang wird bis zur Entwicklung entsprechender Management-Verfahren über Quoten festgesetzt, die zwar auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhten, deren Datengrundlage aber häufig schwach ist. Sie haben in der Regel eine Gültigkeitsdauer von 3 Jahren und werden dann erneuert.

Seit 2002 gibt es nun ein erstes Management-Verfahren für den nordostpazifischen Grönlandwalbestand. Die Neufestsetzung der Fangquote, gerade für diesen Bestand, wurde wie eingangs erwähnt auf der Jahrestagung 2002 unter Führung Japans torpediert. Grund dafür war, dass man Japan keine zusätzliche Quote für den Fang von Zwergwalen in den japanischen Küstengewässern zugestehen wollte. Diese Wale sind nach Meinung der überwiegenden Mehrheit der IWC-Mitgliedsländer nicht Teil des Eingeborenen-Walfangs, sondern gehören zum kommerziellen Walfang, der unter dem Deckmantel des Eingeborenen-Walfangs durchgeführt werden soll.

IWC-Jahrestagung 2003 in Deutschland

Deutschland ist mit dem Vorkommen von Walen nicht verwöhnt. Nur eine Art, der Schweinswal, kommt regelmäßig in den deutschen Küstengewässern vor.

Deutschland, das noch in der zweiten Hälfte der 30er Jahre und nach dem Krieg als deutsche Besatzung in der Walfangflotte des griechischen Reeders Aristoteles Onassis bis Ende der Saison 1955/56 Walfang betrieben hat, ist erst relativ spät Mitglied der IWC geworden. Es hatte anfangs eine eher untergeordnete Rolle im Club der like-minded countries gespielt, wie die Länder genannt werden, die sich für den Walschutz stark machen.

Seit dem Beginn der 90er Jahre hat die Walforschung in Deutschland aber einen enormen Aufschwung genommen. Die Zentren der Walforschung befinden sich in Büsum (Forschungs- und Technologiezentrum Westküste der Universität Kiel und der GKSS Geesthacht), Hamburg (Bundesforschungsanstalt für Fischerei) und Stralsund (Deutsches Meeresmuseum). Doch auch an zahlreichen anderen, über Deutschland verstreuten Institutionen arbeiten Wissenschaftler an vielfältigen Fragestellungen über die Biologie der Wale.

Dieses rege Interesse Deutschlands an der Walforschung findet ihren Ausdruck darin, dass die 55. Jahrestagung der IWC im Mai/Juni 2003 in Berlin ausgerichtet wird. Die verhärteten Fronten der letzten Treffen machen deutlich, dass während dieser Jahrestagung größere Fortschritte in der Entwicklung des RMS gemacht werden müssen, damit die IWC nicht zu einem zahnlosen Instrument verkommt, das – von innen her durch die Interessen der Walfänger ausgehöhlt – nicht mehr viel für den Walschutz tun kann und in Bedeutungslosigkeit versinkt.

 

Empfohlene Literatur

CHASE, O. (2000):
Der Untergang der Essex.
Verlag Die Hanse, Hamburg.
Besprechung bei Cetacea.de.

PHILBRICK, N. (2000):
Im Herzen der See. Die letzte Fahrt des Walfängers ‚Essex‘.
Blessing Verlag, München.

 

Empfohlene Internetadressen

International Whaling Commission

Dr. Karl-Hermann Kock

Bundesforschungsanstalt für Fischerei, Institut für Seefischerei, Palmaille 9, 22767 Hamburg
E-mail:kock.ish@bfa-fisch.de