Beim diesjährigen Treffen der Internationalen Walfang Kommission (IWC) werden die Walfangbefürworter die Überhand gewinnen. Japan wird mit den hinzugewonnenen neuen Mitgliedsländern die IWC dazu bringen, den Walschutzkurs zu verlassen und die Wiederaufnahme des kommerziellen Walfangs vorzubereiten.
von JAN HERRMANN
Vom 16.- 20. Juni findet auf den Antilleninseln St. Kitts und Nevis das Treffen der Internationalen Walfang Kommission (IWC) statt. Auf dem Programm stehen unter anderem das geplante Bewirtschaftungsverfahren für Wale (RMS), Waltötungsmethoden, das wissenschaftliche Walfangprogramm der Japaner oder der Subsistenzwalfang indigener Volksgruppen.
In den letzten Jahren fanden die Walfangkonferenzen nach folgendem Muster statt: Japan fordert Fangquoten für einen Küstenwalfang – die IWC lehnt ab. Japan stellt sein wissenschaftliches Forschungsprogramm vor, das zu großen Teilen auf der Tötung von Walen beruht – die IWC verabschiedet eine Resolution gegen dieses Programm.
So wiederholte es sich Jahr für Jahr, weil die Walfanggegner unter den IWC-Mitgliedsländern in der Mehrzahl waren. Die IWC rief Walschutzgebiete aus und nahm neue Themen wie etwa den japanische Kleinwalfang oder das boomende Whale Watching ins Diskussionsprogramm auf. Walfangländer wie Japan oder Norwegen kritisierten die Walschutzpolitik der IWC und drohten mit Austritt. Nur Island zog die Konsequenzen und verließ 1992 die Walfangkommision.
Dieses Jahr wird sich die Arbeit der IWC grundlegend ändern. Denn für Japan zahlt sich nun erstmals aus, was von langer Hand vorbereitet scheint. Durch Zutritte zahlreicher Länder zur Walfangkommission erhöht sich der Stimmenanteil der Walfangbefürworter in Japans Gefolge. Seit dem Jahr 2000 sind 31 Länder der Kommission beigetreten. Viele, so berichtete die Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere (GSM) schon vor drei Jahren, hat Japan mit großzügigen finanziellen Zusagen geködert.
Und tatsächlich hat Japan Anfang Juni verkündet den 12 pazifischen Inselstaaten in den nächsten drei Jahren 400 Millionen Dollar Unterstützung zukommen zu lassen. Auch Island ist der IWC im Oktober 2002 wieder beigetreten, um die Walfängerseite zu stärken. Nur wenige der neuen Mitglieder, wie vor wenigen Tagen Israel, haben sich für die Fortsetzung der Walschutzpolitik der IWC ausgesprochen.
Walburger und Hvalmobile
Die neue IWC-Mehrheit reicht noch nicht zu einer Aufhebung des Walfangmoratoriums, das 1982 beschlossen und 1986 in Kraft gesetzt wurde. Dazu bedarf es einer Dreiviertelmehrheit und die ist noch ausser Sicht. Aber auch mit einer einfachen Mehrheit kann Japan die Arbeit der IWC stark beeinflussen. In den letzten Jahren wurde der Antrag geheim abzustimmen stets abgelehnt. Das könnte sich dieses Jahr ändern. Bei einer geheimen Abstimmung können die Delegierten abstimmen, ohne Repressionen von walfreundlichen Regierungen oder Walschutzorgansiationen zu fürchten.
Es ist zu erwarten, dass wissenschaftlichen Vorhaben, die die Tötung der studierten Wale beinhalten, nicht länger kritisiert sondern von der IWC abgesegnet werden. In den letzten Jahren hatte die IWC die japanischen und isländischen Forschungsvorhaben mit Verweis auf moderne, nicht letale Forschungsmethoden stets kritisiert. Nicolas Entrup, Vertreter der Whale and Dolphin Conservation Society (WDCS) in St. Kitts, listet in seinem Blog zur Walfangkonferenz die möglichen Maßnahmen der Japaner auf. Dazu zählt auch, der Ausschluss nicht-staatlicher Organisationen von der Konferenz.
Warum investiert ein Land wie Japan einen so großen Aufwand in den Walfang? Es ist ja nicht so, dass die japanische Bevölkerung in Demonstrationen und Kundgebungen ihr Recht am Walfleisch einfordern würde. Vielmehr müssen sich die Walfleisch-Lobbyisten anstrengen, neue Absatzmärkte für Walprodukte zu erschliessen. So werden in Schulkantinen Walfleischtage veranstaltet, in Schnellrestaurants Walburger verkauft und Anzeigenkampagnen durchgeführt. Das reicht allerdings nicht aus, um das Fleisch, das beim sogenannten wissenschaftlichen Walfang anfällt, abzusetzen. Mittlerweile türmen sich nach Angaben der Whale and Dolphin Conservation Society (WDCS) 4800 Tonnen Walfleisch in japanischen Kühlhäusern.
Auch in Norwegen ist das Interesse an den Walen nicht groß genug, um die Fänge komplett zu vermarkten. Die norwegische Nachrichtenagentur ANB kündigte Ende Mai an, dass im Juni und Juli ein „Hvalmobil“ die größeren Städte Südnorwegens besuchen wird, um den Walfleischkonsum zu fördern. Solange der internationale Handel mit Zwergwalfleisch verboten ist, müssen die Norweger eben selbst zubeissen, ob’s ihnen schmeckt oder nicht.
Eigentlich setzen die norwegischen Walfänger auf den Export des Walfleischs nach Asien. Sie hoffen darauf, dass sich ihre Lobbyisten bei der nächsten Konferenz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) 2007 in Den Haag, Niederlande, mit der Abstufung der Zwergwale durchsetzen können. Ob das rechtzeitig genug ist, um sich mit den norwegischen Zwergwalen eine goldene Nase zu verdienen, ist fraglich. Denn in Japan hat längst ein Preisverfall für Walprodukte eingesetzt. Im Februar meldete der ARD-Korrespondent Martin Fritz aus Tokyo einen Preis von etwa 18 Euro für ein Kilogramm Steak vom Pottwal. Das war weniger als dort für australisches Rindfleisch bezahlt wird. In Norwegen bekommen die Walfänger zur Zeit einen Garantiepreis von 29 Kronen pro Kilogramm Zwergwalfleisch. Das entspricht etwa vier Euro.
Gesundes Fleisch aus freier Natur?
Falls der Preis stimmen sollte, bleibt dann noch die Frage der Qualität. Wale stehen an der Spitze der Nahrungspyramide. Das bedeutet, dass sich Umweltgifte in ihnen im besonderen Maße anreichern. Im Herbst 2002 hatte Norwegen 30 Tonnen Walspeck im Meer verklappt, weil die Gehalte an PCB und Dioxin über dem für den menschlichen Verzehr erlaubten Maß lagen. Im Mai 2003 empfahlen norwegische Wissenschaftler schwangeren und stillenden Frauen, kein Walfleisch zu verzehren, da die Quecksilbergehalte zu hoch seien. Das sind keine Nachrichten, die den Walfleischkonsum anheizen.
Trotz des bestehenden Moratoriums erweitern die Walfangnationen Japan und Norwegen ihre Fangprogramme. Norwegen ist nicht an das Moratorium gebunden, da es rechtzeitig formellen Widerspruch eingelegt hatte. Dieses Jahr ist die norwegische Fangquote auf 1052 Zwergwale angewachsen. Das ist die größte Quote seit der Wiederaufnahme des kommerziellen Walfangs im Jahr 1993. Nicht gefangene Wale aus den Vorjahren wurden der diesjährigen Quote einfach zugeschlagen. Die Walfänger sind allerdings nicht erfreut darüber, dass über 400 Wale um die weit entfernte Insel Jan Mayen gefangen werden müssen. Dort zu fangen, kostet viel Treibstoff und der ist derzeit teuer. Da ist es ihnen lieber, wenn ihnen Treffer 50 Meter vom Festland entfernt gelingen, wie der MK «Sofie» Ende Mai bei Kvaløyvågen.
Japans wissenschaftliche Programme erreichen fast wieder die Zahlen des kommerziellen Fangs vor Einsetzung des Moratoriums. Die japanischen Walfänger haben im Rahmen ihres Antarktis Programms JARPA II gerade 853 Zwergwale und 10 Finnwale erlegt. 2007 stehen sogar Buckelwale auf der Abschussliste. Das Fangprogramm im Nordpazifik JARPN II sieht die Erlegung von 100 Seiwalen, 100 Zwergwalen, 50 Brydewalen und 5 Pottwalen vor.
Im Januar hat der brasilianische Botschafter dem japanischen Ministerium für äußere Angelegenheiten und für Fischerei eine von 17 Staaten unterzeichnete Aufforderung überbracht, den wissenschaftlichen Walfang in der Antarktis einzustellen. Deutschland gehörte hier ebenso zu den Unterzeichnern wie bei einer im April von 12 Staaten an Norwegen überreichten Aufforderung, den kommerziellen Walfang einzustellen.
Der australische Umweltminister Ian Campbell ist ein Wortführer der Walfanggegner und tritt für ein weltweites Fangmoratorium und ein Ende des sogenannten wissenschaftlichen Walfangs ein. Er hat unlängst die pazifischen Inselstaaten Kiribati, die Marshall Inseln und Vanuatu besucht, um diese von der Bedeutung des Walschutzes zu überzeugen. Die ersten Stimmen aus der Region lassen vermuten, dass er wenig Erfolg dabei hatte.
Geben die Walschützer auf?
Im letzten Jahr hatten einige der neuen IWC Mitglieder „vergessen“, Delegierte zur Konferenz zu schicken. Das hatte den Walschützern ein letztes Mal eine Mehrheit gesichert. Der britische parlamentarische Staatssekretär und Minister für Meeresangelegenheiten und Tierschutz Ben Bradshaw hat vor wenigen Tagen in einem BBC Interview die Hoffnung geäussert, dass das dieses Jahr wieder passieren könne. Aber Japan hat auch dieser Hoffnung die Substanz genommen und angekündigt, die Flugkosten dieser Delegierten zu übernehmen, um ein Erscheinen auf der Konferenz zu sichern. Von den mittlerweile 70 Mitgliedsländern der IWC werden zumindest die Delegierten des Walfängerlagers vollzählig erscheinen.
Die deutschen Walschutzorganisationen, die Vertreter nach St. Kitts entsandt haben, vermitteln im Vorfeld der Konferenz ein düsteres Bild. Der Enthusiasmus der vergangenen Jahre wurde von der Idee den Walschutz voranzubringen beflügelt. Heute geht es nur darum einen tiefen Sturz in die Zeiten brutaler Nutzbarmachung der Natur abzufedern.
Eine Studie, wie sie vor wenigen Tagen die Organisationen Oceancare und Pro Wildlife veröffentlicht haben (Non-compliance within the IWC
), wird die neue Mehrheit in der IWC nicht interessieren. In diesem Dokument wird anhand zahlreicher Beispiele gezeigt, dass die IWC den massgeblichen Umwelt- und Fischereiabkommen in Sachen Sanktionierung von Vertragsbrüchen weit hinterherhinkt. Die beiden Organisationen fordern daher, dass die IWC unerlaubten Walfang künftig endlich hart bestrafen muss.
Die WDCS kritisiert, dass die norwegische Regierung den Walfang auch weiterhin mit der sogenannten „blue-box“ überwachen und auf Beobachter verzichten will. Insbesondere wenn es darum ginge, den Zeitpunkt des Todes bei einem Wal festzustellen, seien nach Ansicht der WDCS Inspektoren aber unverzichtbar. Die Diskussion um die „blue-box“ ist nur eines von vielen Beispielen, das zeigt, dass es auch für das in Planung befindliche Bewirtschaftungssystem, in dem alle Details des neuen Walfangs geregelt sein sollen, keine einvernehmliche Lösung gibt, die Walschützer und -fänger akzeptieren.
Die Walfänger werden der IWC ihre Ideen genauso kompromisslos aufdrücken, wie es die Walschützer zuvor getan haben. Erst wenn das Moratorium dem neuen Bewirtschaftungsverfahren weichen soll soll, müssen sich beide Parteien an einen Tisch setzen. Vielleicht machen sich die Walschützer auch daran, die neuen afrikanischen, karibischen und pazifischen IWC Mitglieder vom Wert des Walschutzes zu überzeugen. Immerhin ist der Tourismus für viele dieser Länder eine wichtige eigene Einnahmequelle.
Literatur zum Thema:
Einige Quellen zur Belastung von Walfleisch mit Umweltgiften:
Organochlorine contaminants in northeast Atlantic minke whales (Balaenoptera acutorostrata)
Kleivane, L. et al. in Environ. Pollut. 101(2): S.231-39
Human health significance of organochlorine and mercury contaminants in Japanese whale meat
Simmonds, M.P. et al. in J. Toxicol. Environ. Health. A. 65(17): S.1211-35
Contamination by mercury and cadmium in the cetacean products from Japanese market
Endo, T. et al. in Chemosphere 54(11): P.1653-62
Total mercury, methyl mercury, and selenium levels in the red meat of small cetaceans sold for human consumption in Japan
Endo, T. et al. in Environmental Science and Technology 39(15): P.5703-5708
Distribution and toxicity of mercury in rats after oral administration of mercury-contaminated whale red meat marketed for human consumption
Endo, T. et al. in Chemosphere 61(8): P.1069-73
Impact of prenatal methylmercury exposure on neurobehavioral function at age
Debes, F. et al. in Neurotoxicol. Teratol. (): P.
Links zum Thema:
- International Whaling Commission
- Walschutzorganisationen bei der IWC
- Links zum Thema Walfang
- CITES