Eurhinodelphis & Co. – Wale mit Speerschnauze

von Johannes Albers | cetacea.de | Essen | 10. November 2008

Eurhinodelphis cocheteuxi von Biemenhorst

Bild 3: Eurhinodelphis cocheteuxi im Stadtmuseum Bocholt. Am Kopf (links) fehlt die lange Schnauze.
Foto: Johannes Albers.

Am 9. Juli 1975 wurde Manfred Tangerding aus Bocholt (Nordrhein-Westfalen) zum Leiter der neu gegründeten Geologischen Arbeitsgemeinschaft Westmünsterland gewählt. Die neue Gruppe ging frisch ans Werk und barg noch im selben Sommer ein denkwürdiges Fossil: In Bocholt-Biemenhorst, wo in den 50er Jahren schon systematisch Bartenwale ausgegraben worden waren, hatten die jugendlichen Hobby-Geologen Alfred Balcke und Heiner Enk in einer alten Tongrube Reste eines Zahnwals entdeckt. Man fand Schädelstücke einschließlich beidseitiger Gehörknochen, Wirbel, eine Rippe und ein Schulterblatt. Der Wal war im Leben ca. 3 – 4 Meter lang gewesen. Es war ein Eurhinodelphis cocheteuxi aus dem Obermiozän vor 10 Millionen Jahren. Manfred Tangerding erkannte die Gattung anhand der Halswirbel und hat dafür gesorgt, dass das Fossil heute im Stadtmuseum Bocholt ausgestellt ist. Es fehlt freilich der charakteristische Schnauzenfortsatz, der dieser Gattung ihren griechischen Namen eintrug.

Bild 4: Schizodelphis longirostris (= „Eurhinodelphis longirostris“) aus Freetz bei Sittensen. Rekonstruktion der gefundenen Skelettteile.
Foto: Ulrich Schliemann.

Aufgrund dieses Mangels konnte die Presse 1975 eine Rekonstruktionszeichnung verbreiten, in welcher der Fortsatz bis zu seiner Spitze mit absonderlichen Pflasterzähnen besetzt ist. Zudem zeigt sie das Skelett von einem Körperumriss eingerahmt, der schlichtweg keinen Platz für die zahnwaltypische Melone auf der Stirn bietet. Eine Weichteil-Aufwölbung zeigt das Profil erst in der Verlängerung der Stirnlinie des Schädels, was anatomisch falsch ist. Auch diese kuriose Zeichnung wird bis heute im Museum ausgestellt.

Unter den verschiedenen Eurhinodelphis-Arten ist E. cocheteuxi bereits eine auffallend große Form. Sie kann 4,5 – 5 Meter Länge erreichen.

Schizodelphis longirostris (= „Eurhinodelphis longirostris“) von Freetz

In den 80er Jahren kam in der Tongrube von Freetz bei Sittensen (Niedersachsen) ein Skelett einer kleineren Art ans Licht, deren Schnauze aber mit 9/11 der Schädellänge relativ länger ist. Darauf weist bei „Eurhinodelphis longirostris“ auch der lateinische Artname hin. Die Art selbst wird heute jedoch nach Christian de Muizon zur Gattung Schizodelphis gestellt und deshalb Schizodelphis longirostrisgenannt. Bei diesem Fund ist die Schnauze besser erhalten als bei dem Wal aus Bocholt. Und neben dem Skelett kennt man von Freetz noch eine weitere Schnauze, die ebenfalls der longirostris-Art zuzuweisen ist.

Die Fossilien von Freetz schätzt man auf ein Alter von etwa 14 Millionen Jahren. Damit sind sie älter als der Eurhinodelphis in Bocholt und stammen aus dem Grenzbereich zwischen Mittel- und Obermiozän. Das Skelett von Freetz ist heute in einem Diorama des Bachmann-Museums Bremervörde ausgestellt, zusammen mit den Skelettresten eines Bartenwals, den dieselbe Grube bereits früher freigegeben hat. Dabei haben wir die Funde als solche und ihre Präsentation Ulrich Schliemann zu verdanken, der weithin im Ein-Mann-Verfahren das Diorama gestaltet hat, das kunstvoll fließend in eine Vitrinenausstellung mit weiteren Walfossilien übergeht. Zu dem Diorama gehört auch ein Halbschalenmodell eines lebenden Speerschnauzenwals.

Bild 5: Unterkiefer-Zähne aus dem Skelett des Schizodelphis longirostris (= „Eurhinodelphis longirostris“) von Freetz.
Foto: Ulrich Schliemann.

Die gefundenen longirostris-Zähne belegen noch Relikte einer ursprünglich komplizierteren Zahnmorphologie, doch ist die Vereinfachung bereits weit fortgeschritten, die zu den heutigen Stiftzähnen der Delphine geführt hat.

Eine Vitrine des Museums enthält auch die Schädelzeichnung eines mittelmiozänen Eurhinodelphis bossi aus Maryland (USA). Einem Fund dieser Spezies wenden wir uns nun zu.